Diskontierte Wechsel

Der Wechsel hört auf, ein bloßes Zahlungsversprechen oder Wertzeichen zu sein, wenn sich ein Gewerbsmann oder Kapitalist findet, welcher denselben gegen bares Geld vor der Verfallzeit einlöst, und für die Benutzung seines Kapitals den Diskontsatz in Anspruch nimmt. Der diskontierte Wechsel wird auf diese Weise für den Käufer des Wechsels zu verzinslichem Kapital und der Trassat kann diesen Gewinn selbst machen, wenn ihm vor der Verfallzeit bares Geld zur Verfügung bleibt. Bei einem günstigen Zustande des Geldmarkts gehen die zu Bezahlung der Warenbezüge erforderlichen Gelder einem Teil der Verkehrenden früher ein, als sie dieselben zu verwenden wissen, während ein anderer Teil der Verkehrenden das Geld nützlich verwenden kann, durch ein solches Diskontieren der Wechsel wird aber nur die Umlaufzeit der Wechsel abgekürzt und bares Geld tritt nur an die Stelle des Wechsels, wenn derselbe mit barem Geld bezahlt wird. Es ist durch Untersuchungen in England nachgewiesen, dass daselbst von den zu gleicher Zeit in Umlauf befindlichen Wechseln gegen 3/4 vor der Verfallzeit diskontiert werden. Dieses Diskontieren geschieht aber nur zum geringsten Teil mit barem Geld, sondern mit Anweisungen auf Sicht bei einem Bankier, welcher das Guthaben in laufender Rechnung verzinst, statt bar auszubezahlen. Der Bankier kann die ihm übergebenen Gelder nur verzinsen, wenn er sie zinstragend anlegt, was gegen Wechselbriefe mit kurzer Verfallzeit oder gegen Sicherheitspapiere geschehen kann, welche im Tageskurs gekauft und verkauft werden. Diese Kreditoperationen gehen ohne Anstand vor sich, wenn in einem Marktgebiet sich Kapitalien durch Ersparnisse ansammeln.

Wir können dies durch nachstehende Darstellung uns versinnlichen:

Eine Eisenbahnverwaltung bezieht von einem Mühlenbesitzer Öl für 1.500 Fr., der Mühlenbesitzer Raps von dem Landwirt für 700 fl. rheinisch, der Landwirt ist dem Kapitalisten auf den 1. April 700 fl. Zins schuldig und erhält dafür eine Zinsquittung oder einen Zinscoupon, der Kapitalist beteiligt sich bei der Eisenbahnverwaltung bei einem Anleihen und empfängt eine Eisenbahnobligation von 1.500 Fr. auf den 1. April verzinslich. Jeder von den vier Beteiligten kann den 1. Januar einen Wechsel mit 3 Monat Verfallzeit auf seinen Schuldner ausstellen und damit seinen Gläubiger bezahlen, wenn dieser den Wechsel zu Bezahlung des Präsentanten verwenden kann. Das von der Eisenbahnverwaltung aufgenommene Anleihen wird auf diese Weise ebenfalls nicht in Geld einbezahlt, sondern in Wechseln, wenn der Kapitalist auf den von dem Landwirt zu empfangenden Zins einen Wechsel zieht. Die Eisenbahnobligation und die Zinsquittung sind Werte, welche mit Wechseln ebenso wie mit barem Geld eingelöst werden können, es ist aber Bedingung der gegenseitigen Ausgleichung, dass der Wechsel seinen Kreislauf bis zum Verfalltermin beendigt und alle, welche den Wechsel durch Endossement als Zahlung annehmen, Geldgeschäfte miteinander innerhalb des Verfalltermins zu machen haben. Dieselben Geschäfte können durch die Bankiers der vier Beteiligten besorgt und ohne bares Geld abgemacht werden. Ist aber einer der Besitzer des Wechsels in der Lage, eine Zahlung in barem Geld leisten zu müssen, so muss er einen Kapitalisten finden, welcher ihm gegen Abzug des Diskonts das Geld für den Wechsel bezahlt oder eine Anweisung auf Sicht bei einem Bankier gibt, der ihm entweder bares Geld, oder einen kurzsichtigen Wechsel, oder auf seinem Konto ein verzinsliches Guthaben dagegen gibt. Der Kreislauf des Wechsels ist dadurch um ebenso viel abgekürzt, und an seine Stelle ist entweder bares Geld, oder eine bei dem Bankier verzinsliche Kapitalforderung getreten. Auf diese Weise sammeln sich die Zinsersparnisse zu Kapitalien an, ohne dass bares Geld zur Einzahlung erfordert wird.


Die jährlichen Kapitalersparnisse eines Marktgebietes treffen aber mit dem Kapitalbedarf für neue Unternehmungen sehr selten zusammen und es müssen daher Kapitalübertragungen statt finden, welche jedoch ebenso durch Wechsel statt durch baare Zahlungen abgemacht werden können, wie die nachstehende Darstellung deutlich macht:

Der Frankfurter Bankier verkauft nach Wien Tabak für 700 fl. rheinisch, der Wiener verkauft österreichisch - französische Eisenbahnaktien für 600 fl. österreichisch nach Paris, der Pariser verkauft Seidewaren für 1.500 Fr. nach London, und der Londoner verkauft Taunasbahnaktien für 60 Pfd. Sterlg. nach Frankfurt. Alle diese Beträge können durch eine Wechselzahlung abgemacht werden, wenn der Frankfurter Kapitalist oder Bankier auf den Wiener einen Wechsel ausstellt, diesen nach London als Zahlung sendet, und der Londoner ihn nach Paris remittiert, wo er als Zahlung für Wien verwendet wird.

Auch hier kann das Wechselgeschäft durch Austausch ganz entbehrlich gemacht werden. 1) Der Frankfurter tauscht von Wien gegen Tabak denselben Betrag in österreichisch-französischen Eisenbahnaktien ein. 2) Der Pariser tauscht gegen Seidenwaren von London Taunusbahnaktien ein. 3) Der Pariser tauscht von dem Frankfurter österreichisch-französische Eisenbahnaktien gegen Taunusbahnaktien ein. Mit diesen drei Tauschoperationen sind vier Verkäufe gegen Wechselzahlung oder Barzahlung entbehrlich geworden und derselbe Umsatz ist erreicht. Der Umsatz der Wertpapiere geschieht in diesem Fall ganz nach den Grundsätzen des Tauschhandels. Die Wertpapiere wechseln im Wert wie alle Waren, so lange sie aber auf den betreffenden Börsen im Tageskurs notiert sind und sich Käufer und Verkäufer, wenn auch zu gedrückten Preisen finden, können die größten Beträge von Wechselzahlungen durch diese Waren ausgeglichen werden. Ob diess mit Verlust oder Gewinn geschieht, ist eine ganz andere Frage, an Tauschobjekten fehlt es aber bei der gegenwärtigen Ausdehnung der in Staatspapieren und in Industriepapieren vorhandenen Kapitalien nicht.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Geld und Kapital