Aderlassen
Das Aderlassen ist in der Tat keine widernatürliche Operation; selbst die Natur ging uns schon in unzählig vielen Fällen mit ihrem Beispiel vor, und erregte in Krankheiten natürliche Blutflüsse zum Besten der Gesundheit. Es war also in manchen Fällen wirklich notwendig Blut zu lassen; aber man bestimmte die Fälle nicht genau genug, und verfiel, wie es leider in den meisten menschlichen Unternehmungen geht, von einem Extrem ins andere. Botallus suchte zuerst das Aderlassen allgemein einzuführen, und wollte es sogar unbedingt bei der Wassersucht anwenden — In Frankreich war von jeher das Blutlassen in Aufnahme — man ging so weit, dass man selbst Kindern und zitternden Greisen, aus bloßer Mode Blut abzapfte. Auf der andern Seite aber fanden sich auch verschiedene Ärzte, welche mit dem lächerlichsten Genie von der Welt dagegen eiferten, und vielleicht hat dieses am meisten zu seiner so allgemeinen Aufnahme beigetragen; denn wie bekannt, verfällt einer gern von einer Ausschweifung in die andere. Ja ein Engländer Thomson ging gar so weit zu behaupten, der Teufel, als ein abgesagter Feind der Christen, habe dieselben zum Aderlassen verleitet. Die goldene Mittelstraße verdient auch hier, wie billig, den Vorzug. Denn so viel ist gewiss: es ist eben so töricht, das Aderlassen allgemein zu verwerfen, als es allgemein zu empfehlen, und es kommt alles auf die genaue Bestimmung der einzelnen Fälle an, wodurch sich auch eigentlich der vernünftige, rationelle und unbefangene Arzt zu seinem Vorteil von dem Empiriker, den alten Weibern hirnlosen Praktikern und gewöhnlichen Schlendrianisten auszeichnet.
Durch das Aderlassen wird die Masse der sich durch die Gefäße bewegenden Säfte überhaupt vermindert, und die Vollblütigkeit oder allzu große Anfüllung der Gefäße gehoben. Auch besitzt es eine große krampfstillende Kraft, indem es das ganze System der Gefäße, vornehmlich aber denjenigen Teil desselben, aus welchem das Blut abgezapft worden ist, erschlaffet. Es lindert die widernatürliche Hitze, schwächt die Stärke und Völle des Pulses, vereinigt die Spannung der bewegenden Fasern, und verhindert jenen heftigen Antrieb des Blutes nach gewissen Teilen, der bei vielen Krankheiten ein so häufiger als gefährlicher Zufall ist.
Aber auf der andern Seite ist es Mehr als zu wahr, dass Blut eine sehr wichtige, zum Leben unentbehrliche Flüssigkeit sei, — eine Flüssigkeit, die nur sehr schwer und langsam in ihrer Vollkommenheit ersetzt wird, und deren Verminderung nicht ohne eine beträchtliche Schwächung des Lebens selbst, gedacht werden kann. Aus diesem Gesichtspunkte müssen wir mit dem Aderlassen ungemein vorsichtig verfahren, und selbiges nicht ohne Unterschied bei allen und jeden Personen anwenden, indem durch den unvorsichtigen Gebrauch desselben das so notwendige natürliche Gleichgewicht des Körpers aufgehoben wird, und traurige Zerrüttungen in der tierischen Ökonomie desselben erfolgen. Wer es beobachtet hat, wie die Krankheiten nach unzweckmäßigem Aderlassen ihren Naturgang ändern, ihre Krisen verrücken, in Bleichsuchten, in Wassersuchten, in Abzehrungen, in Cachexien, in Nervenkrankheiten übergehen — der wird sich überzeugen, dass dem Kranken durch das viele Aderlassen die Kräfte genommen worden; dass es Mit dem Ersetzen und Reifen des Muts keine so leichte Sache sei; — er wird sich überzeugen, dass die Menschen gesund sein, besonders aber gut verdauen müssen, wenn ihr Blut reifen soll. — Das Blut wird nach jedem Verluste zwar geschwinder, aber roh, unzubereitet, wässrig und geistlos ersetzt. Daher sehen wir solche Leute, die durch häufiges Aderlassen geschwächt worden, mit bleichen Augen und Lippen, mit einem blassen Gesicht, ohne Munterkeit, und bei der geringsten Bewegung müde umherschleichen.
Nun könnte man wohl einwenden, dass es viele Personen gibt, die, ohnerachtet sie an das öftere Aderlassen gewöhnt sind, doch die angegebenen übeln Folgen nicht empfinden. Allein dieser Einwurf ist nicht beweisend genug, und passt gar nicht auf den gegenwärtigen Fall. Die leichten Folgen eines zur Unzeit vorgenommenen Aderlassens werden aus Mangel der gehörigen Genauigkeit übersehen, oder aus Unwissenheit ganz vernachlässigt. Und ist es nicht überhaupt lächerlich, von einzeln seltenen Fällen aufs Allgemeine zu schließen? Mir schadet es nichts; also muss es keinem etwas schaden. Wenn diese Art zu schließen eingeführt werden sollte, so würde es bald um den menschlichen Verstand getan sein.
Man merkt nicht gleich die schlimme Wirkung des Aderlassens. Es scheint sogar, dass man sich wohl darnach befindet, wenn es nicht beträchtlich genug gewesen, augenscheinlich zu schwächen. Man sagt sogar, dass man schwerer sei als vorhin, und dass folglich das Blut geschwinde wieder ersetzt werde. Die Sache ist richtig, allein eben diese Vermehrung des Gewichts zeugt gegen den Nutzen des Aderlassens. Es ist ein Beweis, dass die natürlichen Ausleerungen nicht so gut von statten gehen, und dass Feuchtigkeiten, welche weggehen sollten, im Körper zurückgeblieben sind. Man hat wohl dieselbige Menge Blut, und noch darüber; aber es ist kein wohl durchgearbeitetes Blut.
Dem aufmerksamen Beobachter unsers aufgeklärten, verzärtelten Jahrhunderts muss es in der Tat sehr lächerlich vorkommen, wenn er so häufige Klagen über vieles Blut und über wahre Vollblütigkeit höret. Die wahre ächte Vollblütigkeit ist weit seltener, als man gewöhnlich glaubt, und in großen Städten ist sie noch weniger zu Hause als auf dem Lande. Eine zärtliche reizbare Dame klagt über unausstehliche Wallungen und fliegende Hitze, und glaubt, es sei Vollblütigkeit die Ursache davon — sie lässt Ader und trinkt eine Menge Wasser mit Weinstein oder Himbeerenessig, und dem ohngeachtet bleiben die Wallungen, und die Bangigkeiten nehmen zu. Dieser Dame werden Motion, nahrhafte feste Speisen und ein Gläschen guter Wein gewisslich bessere Dienste leisten, als die wässrige Diät und das unschickliche Aderlassen.
Wer zur Vollblütigkeit geneigt ist, tut wohl, dass er eine mäßige Diät beobachte, keine starke Abendmahlzeit halte, mehr Vegtabilien als Fleisch genieße, viel Brunnenwasser trinke, nicht zu lange schlafe, und sich fleißig Leibesbewegung mache. Nichts in der ganzen Diätetik stärkt den Leib mehr, und verhütet die Vollblütigkeit samt ihren übeln Folgen besser als Leibesübungen.
Durch das Aderlassen wird die Masse der sich durch die Gefäße bewegenden Säfte überhaupt vermindert, und die Vollblütigkeit oder allzu große Anfüllung der Gefäße gehoben. Auch besitzt es eine große krampfstillende Kraft, indem es das ganze System der Gefäße, vornehmlich aber denjenigen Teil desselben, aus welchem das Blut abgezapft worden ist, erschlaffet. Es lindert die widernatürliche Hitze, schwächt die Stärke und Völle des Pulses, vereinigt die Spannung der bewegenden Fasern, und verhindert jenen heftigen Antrieb des Blutes nach gewissen Teilen, der bei vielen Krankheiten ein so häufiger als gefährlicher Zufall ist.
Aber auf der andern Seite ist es Mehr als zu wahr, dass Blut eine sehr wichtige, zum Leben unentbehrliche Flüssigkeit sei, — eine Flüssigkeit, die nur sehr schwer und langsam in ihrer Vollkommenheit ersetzt wird, und deren Verminderung nicht ohne eine beträchtliche Schwächung des Lebens selbst, gedacht werden kann. Aus diesem Gesichtspunkte müssen wir mit dem Aderlassen ungemein vorsichtig verfahren, und selbiges nicht ohne Unterschied bei allen und jeden Personen anwenden, indem durch den unvorsichtigen Gebrauch desselben das so notwendige natürliche Gleichgewicht des Körpers aufgehoben wird, und traurige Zerrüttungen in der tierischen Ökonomie desselben erfolgen. Wer es beobachtet hat, wie die Krankheiten nach unzweckmäßigem Aderlassen ihren Naturgang ändern, ihre Krisen verrücken, in Bleichsuchten, in Wassersuchten, in Abzehrungen, in Cachexien, in Nervenkrankheiten übergehen — der wird sich überzeugen, dass dem Kranken durch das viele Aderlassen die Kräfte genommen worden; dass es Mit dem Ersetzen und Reifen des Muts keine so leichte Sache sei; — er wird sich überzeugen, dass die Menschen gesund sein, besonders aber gut verdauen müssen, wenn ihr Blut reifen soll. — Das Blut wird nach jedem Verluste zwar geschwinder, aber roh, unzubereitet, wässrig und geistlos ersetzt. Daher sehen wir solche Leute, die durch häufiges Aderlassen geschwächt worden, mit bleichen Augen und Lippen, mit einem blassen Gesicht, ohne Munterkeit, und bei der geringsten Bewegung müde umherschleichen.
Nun könnte man wohl einwenden, dass es viele Personen gibt, die, ohnerachtet sie an das öftere Aderlassen gewöhnt sind, doch die angegebenen übeln Folgen nicht empfinden. Allein dieser Einwurf ist nicht beweisend genug, und passt gar nicht auf den gegenwärtigen Fall. Die leichten Folgen eines zur Unzeit vorgenommenen Aderlassens werden aus Mangel der gehörigen Genauigkeit übersehen, oder aus Unwissenheit ganz vernachlässigt. Und ist es nicht überhaupt lächerlich, von einzeln seltenen Fällen aufs Allgemeine zu schließen? Mir schadet es nichts; also muss es keinem etwas schaden. Wenn diese Art zu schließen eingeführt werden sollte, so würde es bald um den menschlichen Verstand getan sein.
Man merkt nicht gleich die schlimme Wirkung des Aderlassens. Es scheint sogar, dass man sich wohl darnach befindet, wenn es nicht beträchtlich genug gewesen, augenscheinlich zu schwächen. Man sagt sogar, dass man schwerer sei als vorhin, und dass folglich das Blut geschwinde wieder ersetzt werde. Die Sache ist richtig, allein eben diese Vermehrung des Gewichts zeugt gegen den Nutzen des Aderlassens. Es ist ein Beweis, dass die natürlichen Ausleerungen nicht so gut von statten gehen, und dass Feuchtigkeiten, welche weggehen sollten, im Körper zurückgeblieben sind. Man hat wohl dieselbige Menge Blut, und noch darüber; aber es ist kein wohl durchgearbeitetes Blut.
Dem aufmerksamen Beobachter unsers aufgeklärten, verzärtelten Jahrhunderts muss es in der Tat sehr lächerlich vorkommen, wenn er so häufige Klagen über vieles Blut und über wahre Vollblütigkeit höret. Die wahre ächte Vollblütigkeit ist weit seltener, als man gewöhnlich glaubt, und in großen Städten ist sie noch weniger zu Hause als auf dem Lande. Eine zärtliche reizbare Dame klagt über unausstehliche Wallungen und fliegende Hitze, und glaubt, es sei Vollblütigkeit die Ursache davon — sie lässt Ader und trinkt eine Menge Wasser mit Weinstein oder Himbeerenessig, und dem ohngeachtet bleiben die Wallungen, und die Bangigkeiten nehmen zu. Dieser Dame werden Motion, nahrhafte feste Speisen und ein Gläschen guter Wein gewisslich bessere Dienste leisten, als die wässrige Diät und das unschickliche Aderlassen.
Wer zur Vollblütigkeit geneigt ist, tut wohl, dass er eine mäßige Diät beobachte, keine starke Abendmahlzeit halte, mehr Vegtabilien als Fleisch genieße, viel Brunnenwasser trinke, nicht zu lange schlafe, und sich fleißig Leibesbewegung mache. Nichts in der ganzen Diätetik stärkt den Leib mehr, und verhütet die Vollblütigkeit samt ihren übeln Folgen besser als Leibesübungen.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Geheimnisse aus der Geisterwelt, Magie und Alchimie beleuchtet und in ihrer natürlichen Gestalt dargestellt