Gefangener Tscherkesse (S. 87).

Aus: Das Buch für Alle. Illustrierte Familienschrift. Zeitbilder. Heft 1. 1817
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Russland, Russen, Tscherkessen, Kaspisches Meer, Schwarzes Meer, Kaukasus, Transkaukasien, Gewaltherrschaft,
Eroberungslust und Ländergier ließen von alters her den Russen vor keinem Kriege zurückschrecken. Um auch das Gebiet zwischen dem Schwarzen und dem Kaspischen Meer an sich zu reißen, überschritten russische Truppen zu Beginn des letzten Drittels des 18. Jahrhunderts zum ersten Mal den Kaukasus. Waren die Unternehmungen im Anfang von Erfolg, so dass schon 1815 fast das ganze heutige Transkaukasien sich im Besitze Russlands befand, brachten spätere Zeiten langwierige Kämpfe mit Völkerschaften, die sich verzweifelt der russischen Herrschaft widersetzten und, als sie sich nacheinander doch dem Zarenzepter beugen mussten, sich vom Joch der rücksichtslosen Eroberer zu befreien versuchten.

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Der Name eines Mannes aus jenen Tagen hat heute noch Klang: Fürst Schamyl, der Tscherkessenhäuptling, Russlands gefährlichster Gegner. Die Tscherkessen und andere Gebirgsstämme um sich scharend, trat er den Feinden kämpfend gegenüber, bis auch er mit seinen Anhängern nach langen Jahren erfolglosen Kriegens unterjocht wurde. 1859 hatte Russland die Unterwerfung Kaukasiens vollendet. Die Tscherkessen, jenes wilde, unbezähmbare Volk, entzogen sich durch Abwanderung der russischen Gewaltherrschaft. Zu Tausenden verließen sie ihre Siedlungen längs der Hauptkette des Gebirges an den Küsten des Schwarzen Meeres, um sich in den Ländern ihrer Glaubensgenossen, in Bulgarien und der Türkei, niederzulassen. Nur der zwölfte Teil ihrer Genossen blieb zurück, die zur Ansiedlung in Ciskaukasien gezwungen wurden. Heute schützt man die in Kaukasien ansässigen Tscherkessen auf 153.000, während bis 1864, in den Jahren der Hauptauswanderungen, 400 000 das Land verließen. Der Tscherkesse, der bildungsfähigste Uralaltaier Kaukasiens, ist mittelgroß und schlank. Seine Tracht besteht aus der „Tscherketzka“, einem langen Rock mit auf der Brust befestigten Patronenhülsen, und einer hohen Schaffellmütze. Ohne Waffe geht ein Tscherkesse nie aus. Aber sein einst gerühmter kriegerischer Geist ist ihm seit der Unterwerfung durch die Russen verloren gegangen, Zügellosigkeit ist an seine Stelle getreten.

Gefangener Tscherkesse

Gefangener Tscherkesse