Auf der Grimsel. - „Ich stand heut, wo die Aar die dunkeln Wellen von gräßlicher Höhe hinabstürzt. ...

„Ich stand heut, wo die Aar die dunkeln Wellen von gräßlicher Höhe hinabstürzt. Felsen und Tannen erbeben rings umher, die Achse der Erde schien unter mir sich dröhnend umzuwälzen. Wie der Eingang zur Hölle, so schwarz und fürchterlich gähnt der entsetzliche Schlund am Fuße des Felsen, der die in Schaum, in Staub aufgelöste tobende Wassermasse aufnimmt. Von noch höherer senkrechter Höhe stürzt sich der Erlebach der Aar nach, rasch wie die Verzweiflung hinab, hinab in den nämlichen Abgrund, den er, in Myriaden schimmernder Tropfen zertrümmert, zuletzt erreicht. Den Kampf der Fluten dort unten verhüllen Dampfwolken jedem sterblichen Auge, aber tausendstimmige Donner verkünden ihn laut den zitternden Felsen rings umher. Ergrimmt faßt der mächtige Strom endlich den überwundenen Bach und schleudert in rasender Wut die weißen Wogen wieder hinaus aus seiner Grotte, an die gegenüberstehende Felsenwand und höher hinauf den Wolken zu. Sie zerstäuben und sinken in ewigen Nebeldämpfen nieder, gepeitscht vom heulenden Sturm, der nie abläßt, hier zu wüten. Das laute ängstliche Geschrei meiner Führer, da ich, vielleicht ein wenig zu verwegen, auf den überhängenden Felsen hinkletterte, verhallte in diesem Aufruhr der Natur, gleich dem Zirpen einer Heuschrecke. Anbetend, wortlos, sank ich hin; ich, ein Atom, ein Nichts in diesen alle Sinne betäubenden Schrecknissen; und doch fühlte ich, selbst angesichts ihrer, Kraft und Mut im glühenden Herzen, um mich überselig, gleich jenem neideswerten Edelknaben, von dem des Dichters unsterbliches Lied uns singt, hinabzustürzen und, wie er, den gräßlichen Kampf auf Tod und Leben mit dem empörten Element dort in der Tiefe zu bestehen, würde nur auch mir der hohe Preis geboten, den zu erringen jener endlich unterging.“

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Gabriele