GELNHAUSEN. RB Cassel Kr. Gelnhausen.

Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler, Bd.1, Mitteldeutschland
Autor: Dehio, Georg (1850-1932), Erscheinungsjahr: 1914
Themenbereiche
GELNHAUSEN. RB Cassel Kr. Gelnhausen.

Marien-K. Kreuzförmige Basilika, im Lhs. flachgedeckt, im Qsch. und Chor gewölbt; 1 WTurm, 2 OTürme, Zentral-Turm. Im wesentlichen aus den 3 ersten Dezennien des 13. Jh. Doch sind einige Reste einer älteren Anlage eingebaut. Aus ihr der schwere WTurm. Das erste Lhs. war 1sch. (das an der OWand des Turms umlaufende Gesims jetzt im Inneren der K. sichtbar). Der Turm schließt mit Rhombendach. — Gegen 1220 Neubau als flachgedeckte Basilika. Gegen 1230 Ausbau der OTeile in glänzender romanisierender Frühgotik durch Meister Heinrich Vingerhut (wofern man die betr. Inschrift an der Giebelarkade des nördl. Qsch-Portals als Architekteninschrift gelten lassen will). Vom ersten Meister: das ganze Lhs., die westl. Vierungspfll. bis über die Kämpfer, die untere Hälfte der Qsch.-Mauern und des Chorquadrums. Das Lhs. flachgedeckt mit spitzbg., weitgeöffneten Arkaden; die Gwbb. der Nebenchöre grätig. Die Bauerscheinung in den Hauptpunkten rom., nur in den Zierformen frgot. berührt, aber unmittelbare Kenntnis französischer Bauten nicht voraussetzend. Der zweite Meister (Vingerhut) war am Mittelrhein und in Burgund ausgebildet; durch die geistvolle Art, in der er beide Elemente zu verschmelzen verstand, erwarb er sich großen Beifall und wurde für die Vermittlung der frühen Gotik im Untermaingebiet tonangebend. Neu in den Plan der Marien-K. aufgenommen hat er den 5/8 Schluß des Chors und die den Vierungsraum beträchtlich überhöhende Kuppel mit Zentral-Turm. Im übrigen gibt er dem Bau eine neue Dekoration mit Steigerung der Wirkungen von W nach O. Am Lhs. von ihm nur die zierlichen Säulchen der Arkadenpfll. Die Kreuzarme richtet er für Kreuzrippengwbb. ein; zu beachten die reichen französischen Profile der Vierungsbgg. und an den Eckdiensten die diagonale Stellung der Basen und Kapitelle. Die Stirnwände des Transepts durch eine Gruppe von 3 Rosenfenstern (das Maßwerk aus Steinplatten ausgeschnitten, wie an den Cistercienserkirchen dieser Zeit — gemeinsame burgundische Vorbilder) belebt. Prächtig in der Vierungskuppel die dekorative Verwertung der Rippen; um den großen ringförmigen mit Blattkranz geschmückten Schlußstein stehen auf den Kappen die Namen von 8 Winden; die Fensteröffnungen auch hier als Rosetten. — An die Wände des Chorquadr. eine Arkatur und darüber eine Scheinempore vorgeblendet; die Apsis in 5/8 Schluß kam neu hinzu; sie hat über der Arkatur schlanke spitzbg. Fenster und über [pg 141] diesen kreisrunde mit Vierpaß ausgesetzte Öffnungen. Die Blendbgg. kleeblattförmig. Der Gurt, der den Vorchor von der Apsis trennt, hat dasselbe Profil, wie die Vierungsbgg.; er wird von einem Bündel von 7 Diensten getragen, die zweimal von Schaftringen durchbrochen sind. Sind auch die Mauermassen tatsächlich erst wenig aufgelöst, so herrscht doch eine Bewegtheit in den Baulinien, die einen dem Gotischen verwandten Eindruck hervorruft, wie denn auch dieser Bauteil auf ein bestimmtes Vorbild, das er geistreich umbildet, zurückgeht: die Notre-Dame in Dijon. Das Ornament an Kapitellen und Konsolen zeigt rom. und frgot., konventionell stilisierte und naturnachahmende, Motive nebeneinander, immer in lebensvoller und technisch meisterhafter Behandlung. Es gehört zum Schönsten, das diese Epoche in Deutschland hervorgerufen hat. Die Bauepoche schloß (um M. 13. Jh.) mit dem polygonal (3/6) in den Vierungsraum vorspringenden Lettner.

Äußeres. Die ganze Wirkung ist auf die OAnsicht zugespitzt. Auf engem Gr. entwickelt sich eine höchst belebte Massengliederung. Jede der 5 Polyg. Seiten des Chors schließt mit einem kleinen Giebel, darüber ein spitziges 8seitiges Zeltdach (vgl. Sinzig und Münstermaifeld). Über den Nebenapsiden steigen schlanke 8seitige Türme auf; um M. 13. Jh. zu gegenwärtiger Höhe gebracht; die Helme ursp. kaum so schlank wie jetzt. In der Mitte beherrschend und zusammenfassend der Vierungs-Turm, auch er 8seitig und mit 8 Giebeln. Auffallend groß die Zahl der Türen. An den Sschiffen ihrer 3; vom ersten Meister; die größte derselben wahrscheinlich ursp. am Qsch.; Vingerhut ersetzte sie durch eine noch prächtigere Komposition; dann noch 2 am Qsch., so daß die keineswegs große K. schließlich 5 Portale hat. — Die Sakristei M. 14. Jh. hinzugebaut, die Obergeschosse der Sschiffe 1446. Innere Ausstattung. Hochaltar; Mensa 13. Jh., Schrein bez. 1500 Nikolaus Schit. Madonna mit 4 Heiligen, lebensgroß, volle schwere Formen, Flügel gemalt; über dem Schrein reiche Krönung mit dem Schmerzensmann. — Ebenfalls spgot., doch nicht bedeutend, die Seitenaltäre. — Der hl. Kreuzaltar (Laien-A.) am Lettner kann ursp. keinen Aufsatz gehabt haben; der jetzige wohl wie die übrigen zum Jubeljahr 1500. — Am Mittelpfl. der SSeite des Lhs. schönes frgot. Weihwasserbecken. — Ein hohes Chorgestühl 2. H. 14. Jh. — Von den zahlreichen, jetzt meist entfernten Grabsteinen trugen nur wenige Bildnisfiguren; darunter der Stein des aus einer Gelnhäuser Familie stammenden Bischofs Konrad v. Bondiz in Illyrien, ausgezeichnetet [pg 142] Entwurf in mäßiger Ausführung; eine andere gute Arbeit der Stein des Schultheißen Koch 1603; im südl. Qsch. Wandgrab des Burggrafen von Laudern, E. 16. Jh. — Glasmalerei der Chorfenster 13. Jh., wichtig, wenn auch stark ergänzt. — Die oberen Blenden des Chorquadr. waren ausgemalt, 15. Jh., darunter Schicht des 13. Jh., sehr beschädigt und jetzt entfernt, wie überhaupt die letzte, hinsichtlich der Architekturteile verdienstvolle, Restauration den Gesamteindruck doch zu »neu« gemacht hat.

Skulpturen. Tympanon des NW-Portals: Christus thronend zwischen Maria und Johannes d. Ev. und 2 Halbfigg. heiliger Bischöfe. Tympanon am südl. Qsch.: Maria mit dem Kinde zwischen Katharina und Margaretha, die knienden Figg. Magdalena und Martha. Tympanon des nördl. Qsch.: Kreuzigung. Die Figuren starr. Ganz prachtvoll das die Portale umrahmende Rankenornament. — Im besten got. Naturalismus das Blattwerk am Lettner; in den Zwickeln figürliche Reliefs (weit geringer) mit Totenerweckung und Hölle; die Statue Christi jetzt in der Sakristei.

Peters-K. sprom., jetzt verwüstet und verkommen (Fabrik). Ursp. kreuzf. Gewölbebasilika mit 3 Apsiden, kurzen Kreuzflügeln, 3 Jochen im Lhs. Die OTeile um 1200-1220, in halber Höhe Bauunterbrechung. Am besten erhalten das Qsch., dessen WWand die Elemente zur Rekonstruktion des Lhs. darbietet. Die kreuzf. Pfll. mit vorgelegten 1/2 Sll. und Ecksll. lassen für das Msch. Rippengwbb., für die Ssch. Gratgwbb. als beabsichtigt vermuten. Gegen M. 13. Jh. als flachgedeckte Basilika mit einfachen Rundpfll. ausgebaut, Querschnitt nach dem gleichseitigen Dreieck. Über den Nebenapsiden erhoben sich schlanke, durch rundbg. Friese und Lisenen geteilte Rundtürme (Zeichnung von 1831). Ein vom Triumphbogen stammendes prachtvolles Blattkapt. liegt als Brunnenuntersatz im südl. Ssch. Das nördl. Seitenportal mit sitzender Fig. des hl. Petrus vom ersten Meister (vgl. Aschaffenburg), im südl. Seitenportal die Eck-Sll, auf Löwen, in der Archivolte Zickzack, die ganze Formengebung an den Kaiserpalast erinnernd.

Hospital zum h. Geist. Zuerst erwähnt 1233. Die K. war eine kleine flachgedeckte rom. Pfll.-Basilika mit nur einem Ssch., das Chorquadrat gewölbt; 1893 fast ganz zerstört.

[S. Michaels-Kap. Zweistöckig, im Erdgeschoß Beinhaus, zuerst erwähnt 1289, 1822 trotz guter Erhaltung abgebrochen; nach einer Zeichnung zu urteilen beste fr. Gotik in der Art der jüngsten Teile der Marienk.]
[pg 143]

[Brücken-Kap. zum H. Kreuz, hochgot., 1816 der Materialvernutzung wegen abgebrochen.]

Franziskaner-K., ganz schlichter Bruchsteinbau vor 1248 (erste Erwähnung des Klosters), Gr. Rechteck 25: 7 m, Spuren von grätigem Kreuzgwbb. über 1/2 kr. Schild- und Gurtbgg.; rundbg. Fenster; Apsis zerstört. — Kreuzgang (jetzt Stall) E. 13. Jh. — Die an der Sseite des Kreuzgangs im 14. Jh. errichtete größere K. 1826 abgebrochen.

Pfalz. Zuerst genannt 1158 im Besitz der Grafen v. G., 1180 mainzisch, erst in den letzten Jahren Friedrichs I. Reichsgut. Seit 1363 Beginn der Zerstörung, nach Ruprecht von keinem Kaiser mehr besucht. Seit 1858 Erhaltungsarbeiten. — Angelegt als Wasserburg (vgl. Büdingen, Wächtersbach, Burgjossa). Die noch im 15. Jh. bewohnte Vorburg jetzt nur in den Grundzügen zu erkennen. Die heutige Ruine gehört der schon im 14. Jh. verlassenen Kernburg; sie ist von allen staufischen Pfalzen die relativ besterhaltene und künstlerisch edelste, wenn auch weitaus nicht die größte. Nach Ausweis der Steinmetzzeichen und der technischen Eigenschaften Bau aus einem Guß. Die Hauptteile ca. 1210-20, nur die Eingangshalle vielleicht älter. — Der Gr. bildet ein Trapez: an der schmalen WSeite die Eingangshalle, an der im stumpfen Winkel davon abbiegenden NSeite der Saalbau, an der SSeite und der polyg. gebrochenen OSeite Ringmauern, an die sich Wirtschaftsgebäude anlehnten. — Die Ringmauer 2,10 m stark, Quaderverblendung, Füllung aus Bruchstein und Mörtelguß; Rüstlöcher sichtbar, doch keine Versetzung mit der Zange. — Der quadr. Bergfried, als Wehrbau nicht sehr bedeutend, im Winkel zwischen der SMauer und der Eingangshalle; hölzerne Zwischendecken; kleine Tür nach dem Wehrgang (dessen Höhe daraus zu bemessen ist), eine größere auf eine von Kragsteinen getragene Plattform, vom Hof aus mit Leitern zu ersteigen; der obere Teil des Turms in got. Zeit restauriert. — Das Eingangstor zeigt keine Spuren von Zugbrücke und Fallgitter; doch Ansätze zu einem (zerstörten) Gußerker. Es führt in eine 2sch. 3jochige nach dem Hof offene Halle; die rippenlosen Kreuzgewbb. des NSch. ursp., im Ssch. got. erneuert. Die Sll. haben Würfelknäufe mit 2teiligem Schild (eine sonst nur im Elsaß nachgewiesene Form). An der OMauer war der sog. Barbarossakopf eingemauert, jetzt im Palas. — Über der Torhalle lag die jetzt ihrer Gwbb. beraubte, ebenfalls 2sch. Kapelle. — Der Palas lehnt sich an die nördl. Ringmauer, die Schauseite nach innen. Erhalten das Erdgeschoß mit kleinen Fensterschlitzen und das erste Hauptgeschoß. Die Tür, durch eine [pg 144] Doppelfreitreppe zugänglich, liegt nicht in der Mittelachse (außerdem eine noch erhaltene innere Treppenverbindung zur Torhalle). Sie führte direkt in den Saal (13:12 m) mit einer 5teiligen Fensterarkade (ohne Spur eines Verschlusses); die Fundamente deuten darauf, daß 4 Sll. die Balkendecke trugen; an der NWand der schöne Kamin. Links an der Tür sind die Ark. durch einen Wandpfl. in 2 Gruppen getrennt. Am Saal entlang lief ein Gang und hinter diesem lagen 2 getrennte Gemächer. Ein Obergeschoß war sicher vorhanden; auch hier ein Kamin; dessen Sll. und ein skulptiertes Tympanon jetzt in der Torhalle aufgestellt. Das Bauornament am Palas gehört zum formenschönsten und delikatesten, was rom. Meisselarbeit hervorgebracht hat; jedenfalls kann sich kein anderer Profanbau damit messen. — Am OEnde des Hofes sind Fundamente eines Rundbaues (8,6 m äußerer Durchmesser) von ungewisser Bestimmung gefunden.

Johanniterhof, vom Ordenshaus in Rüdigheim dependierend; kleines sehr herabgekommenes Gebäude in der Holzgasse; die paarweise gestellten Spitzbg.-Fenster der WSeite sprechen für 14. Jh., der SGiebel mit Kreuzstöcken im 15. Jh. umgebaut. Daneben kleine Kapelle.

Deutschordenshäuser. a) Der Komturei Marburg; jetzt durch die landwirtschaftliche Winterschule ersetzt. b) Der Komturei Sachsenhausen; 14. Jh., im 16. erneuert und weiterhin modernisiert; im Hof Brunnen aus Renss.

Hof der Abtei Arnsberg. 1742 erneuert; die einfache got. Kap. aus A. 14. Jh. erhalten; Rest von Wandmalerei.

Hof der Abtei Haina. Nur die Eingangspforte aus E. 13. Jh. erhalten.

»Steitz«, Haus eines Altaristen, sehr herabgekommen, im Innern ein Lavabo und andere interessante Einzelheiten.

Romanisches Rathaus, spgot. umgebaut, im 17. Jh. durch ein Fachwerkhaus verdeckt, 1881 freigelegt. Erhalten hat sich von Kunstformen: die im Kleeblatt geschlossene Tür über einer vorgebauten Plattform und im dritten Geschoß 3 Gruppen dreiteiliger Ark., welche einen ungeteilten, die ganze Ausdehnung des Gebäudes einnehmenden Saal beleuchteten. Daß das Haus öffentlichen Zwecken diente, ist kaum zweifelhaft; unter den in Frage kommenden gilt die Bestimmung als Rathaus für die wahrscheinlichste.

Gotisches Rathaus, wahrscheinlich als Kaufhaus, zugleich für Verwaltungsstuben, E. 15. Jh. erbaut; stark modernisiert.

Fürstenhof, langgestreckter Komplex, schon im Ma. als Sitz der pfandherrlichen Amtleute vorhanden, in der Renss. erweitert; aus dieser Zeit einige gute Einzelheiten.
[pg 145]

Wohnhäuser. 4 romanische mit mehr oder weniger bedeutenden Resten aus der Erbauungszeit: Langgasse 257, ebenda 264 sog. Mehlwage, ebenda 285 [Obermarkt 101, 1895 abgebrochen, die Werkstücke der schönen gekuppelten Kleeblattfenster jetzt in der Burg deponiert]. Gotisch: Bischofshof, jetzt Stadtschreiberei; Alte Schmidtgasse 106; Töpfergasse 69; Untermarkt 443 Hinterhaus; Obermarkt 341, altes Gasthaus u. a. m. Diese sind alle Steinhäuser. Ein got. Fachwerkhaus Langgasse 264.