Abschnitt. 8

Eine Folge dieser Verhältnisse war die Ertheilung der Rechte der Hamburger, Lübecker, Cölner, in fremden Ländern an andere Städte, da denselben die Rechte, welche sie sich als Gäste jener ohnehin zu verschaffen wussten, zu versagen, unnütz gewesen seyn würde. Mit der Entstehung und Ausbildung des Commissionshandels musste freylich für die binnenländischen Städte der Werth des Bundes, besonders der ursprüngliche Zweck desselben verschwinden, welche Umgestaltung des Handels jedoch nur sehr langsam vor sich ging. Jene Verbrüderung der alten sächsischen und westphälischen Binnenstädte mit den Ostseestädten wurde nach der Schlacht von Demmin im J. 1164, wo die wendische Herrschaft durch Herzog Heinrich den Löwen in jenen Gegenden vernichtet war, und eine neue christliche Cultur an dem baltischen Ufer schnell emporblühen konnte, möglich und für das Fortbestehn des alten Handelsverhältnisses nothwendig; wobey durch deren Entstehung auch die südelbischen und niederländischen Städte zu der Rolle der Vorfechter des Reiches gegen Slaven, Dänen und andere nordische Völker mit berufen wurden.

Auf die Verhältnisse der Gäste in einzelnen vorragenden Städten des Bundes und die damit verknüpfte Erwerbung von Privilegien im Auslande durch letztere für die von ihnen vertretenen Städte, ist vielleicht auch die merkwürdige Eintheilung der Hansestädte in drey Abtheilungen: das lübsche und wendische Drittheil, das der Westfalen und Preussen, und das gothländische begründet. Es ist erweislich, dass diese Eintheilung in den flandrischen Niederlagen schon früh bestanden hat, wo sie zuerst und lange Zeit hindurch allein klar ausgesprochen sich findet. Bey dieser Ansicht lässt sich voraussetzen, dass Hamburg, welches in den Niederlanden schon so sehr früh mit Lübeck vereint erscheint, zu dem Lübschen Drittel stets gehört habe; doch kann dieses Verhältniss urkundlich im J. 1356 nachgewiesen werden. Das Alter dieser Eintheilungen ist sehr dunkel. Eine von Sartorius wie es scheint dafür angeführte und in das 13. Jahrhundert gesetzte Urkunde gehört einer spätern Zeit an.


Sehr auffallend erscheint darin die Verbindung der westphälischen mit den preussischen Kaufleuten, welche nicht wie die anderen Abtheilungen durch die Nachbarschaft ihrer Städte zu erklären ist. Dennoch haben sie gemeinschaftlich in Flandern einige Privilegien erworben, von denen jedoch das älteste mir bekannt gewordene erst vom J. 1340 ist). Doch scheint aus denselben hervorzugehen, dass auch diese Verbindung nicht auf einer willkürlichen auf den hansischen Niederlagen gemachten Eintheilung, sondern auf ältern Handels - und Schutzverhältnissen beruhte und vielleicht durch die Verbindung cölnischer Erzbischöfe mit dem deutschen Orden veranlasst war. Die Erwähnung der Kaufleute Westphalens in einer Urkunde der deutschen Hanse in England v. J. 1303 auf eine solche dort bereits befestigte Eintheilung zu beziehen, möchte bey ermangelnder fernerer Bestätigung noch voreilig scheinen. Eher möchte die Vereinigung der sächsischen Städte , welche wir unter den übrigen Kaufleuten des römischen Reiches in J. 1309 in Flandern besonders ausgezeichnet erblicken, uns zu erkennen geben, wie die später als ordnungsmässig bekannten Vereine und Verbrüderungen der deutschen Kaufleute verschiedener Städte und Landesherren schon damals auftraten. Nicht unwahrscheinlich ist es jedoch, dass die ganze Eintheilung von dem Vereine der deutschen Kaufleute auf Gothland ausgegangen ist, in welchem bey seiner Ausdehnung, eine Gliederung nach Ländern schwerlich lange ausbleiben konnte. Es ist desfalls nicht zu übersehen, wenn in den Verhandlungen über die Appellation von dem von Gothland ausgegangnen Hofe zu Nowgorod, die Städte Sachsens und Slaviens, so wie Westphalens und Preussens neben einander gestellt werden, welche schwerlich für zufällig zu erklären seyn möchte und demnach nach der Erwerbung der Privilegien der nach Gothland handelnden Kaufleute des römischen Reichs bereits von diesen nach ihren flandrischen Niederlassungen gebracht seyn mag.

Aus diesen Vereinen deutscher Kaufleute in der Fremde, wie in der Heimath entwickelte sich der hansische Städtebund, welcher ein so wirksames Beförderungsmittel und eine so mächtige Stütze für die Ordnung, das Besitzthum und die Freyheit, zunächst dem nördlichen Europa geworden ist. Er entstand, der Ausdehnung sowohl des Zweckes als der Theilnehmer nach, so allmälig, dass ein Anfangspunct der Hanse gewiss nicht anzugeben ist. Die Verbindungen der Städte in der letzten Hälfte des 14ten Jahrhunderts stellen die Hanse freylich in ihrem ganzen Umfange und ihrer vollen Ausbildung dar, doch beruhen sie grösstentheils, abgesehen von den Vereinigungen der Kaufleute auf Gothland, zu London, Nowgorod und in Flandern, welche ohne Genehmigung ihrer Stadte Behörde nicht bestanden, auf älteren Vereinigungen, deren Kunde durch wenige, sehr vereinzelt stehende Nachrichten auf uns gelangt ist. Ausser den von Sartorius bereits benutzten Urkunden ist hier noch auf das merkwürdige Schreiben des Erzbischofes von Bremen an die Dithmarschen v. J. 1306 aufmerksam zu machen, welches die Beschwerden des Rathes zu Hamburg und der Städte zwischen der Weser und Polen an der Ostsee enthält und von ihrer gemeinschaftlichen Gesandtschaft nach Rom und ihrer einflussreichen Vereinigung spricht. Es dürfte daher nicht auffallen, wenn wir einige Jahrzehnde früher genauere Nachrichten über allgemeine Städtebünde im nördlichen Deutschland in Beziehung auf die Sicherung ihres auswärtigen Handels entdeckten. Wie planmässig und eifrig einzelne Städte diese Bündnisse mit anderen Städten anknüpften, erkennen wir unter andern an dem Beispiele Braunschweigs, welches 1247 Bündnisse mit Lübeck und Hamburg schloss, in dem folgenden Jahre mit Stade und 1256 mit Bremen, worauf 1258 eine Erneuerung des Bündnisses mit Hamburg erfolgte. Selbst die Streitigkeiten der Städte unter einander deuten auf nahe Verhältnisse, welche unter denselben statt fanden. So stehen auch vielleicht die beiden im J. 1258 von Cöln mit Hamburg und mit Bremen geschlossenen Vergleiche in Beziehung zu einander. Die Bündnisse der Städte sind zunächst durch das Bestreben zur Erhaltung des Landfriedens, besonders während des für Deutschlands Ruhe unheilbringenden Interregnums v. J. 1250-1273, herbeygeführt, und in Gemeinschaft mit Fürsten und Herren, welche an den im Auslande entstandenen Vereinen der Kaufleute keinen Antheil hatten, wahrscheinlich sie nicht kannten, eingegangen. Ein solches Bündniss war dasjenige, welches zwischen den Edlen und Städten an beiden Elbufern und in Westphalen, so wie Lübeck und Bremen, kurz vor oder im J. 1256 geschlossen ist, also, was zur richtigen Auffassung dieser Erscheinung nicht übersehen werden darf, um dieselbe Zeit als derjenige Bund, welcher von den rheinischen Städten ausgegangen war, im südlichen Deutschland sich bereits verbreitete; während ähnliche Verträge zwischen Städten und Adlichen auch dort eingegangen wurden. Eine merkwürdige Urkunde über eine Aussöhnung des Bischofes Wedekind von Minden mit dieser Stadt, welche neun Monate später als die eben angeführte abgefasst ist, sagt, dass der Streit derselben geschlichtet sey durch gewisse Geistliche, Ministerialen und die "Consules civitatum opidorum Westphalie pacis federe unitorum“; worunter das in andern Urkunden der Stadt Minden gedachte Landfriedensbündniss zu verstehen, wohl niemand zweifeln wird, so wie auch der Zwist des Bischofes mit der Fehde des Grafen von Wölpe wahrscheinlich in naher Verbindung steht.