Abschnitt. 7
Je mehr die Hansen im Auslande einen ausschliessenden Charakter behaupteten, desto mehr mussten auch die Theilnehmer derselben sich in der Heimath aneinander schliessen, welche nicht minder durch die Gefahren der See zu gemeinschaflichen Fahrten vereinigt wurden; doch waren hier in der Regel die Verbindungen viel loser, und zum Theil jünger, durch geistliche Brüderschaften, Armenkassen, gesellige Vereine, geineinschaftliches Botenwesen veranlasst; selten durch Vereinigungen zu städtischen Pflichten, wie die gemeinschaftliche Theilnahme an der Vertheidigung der Stadt zu Wasser und zu Lande, oder auch durch gemeinschaftliche Bevorrechtigung, Alle bisher aufgefundenen Nachrichten über dergleichen durch den Handel nach irgend einem besondern fremden Lande vereinte Brüderschaften in den deutschen Städten sind nicht älter als die letzte Hälfte des l4ten Jahrhunderts, und also um vieles jünger als die Nachrichten vom Handel dieser Städte nach den ausländischen Comptoiren. Es scheint daher auch irrig, die ältesten Nachrichten über das Entstehen der kaufmännischen Vereine in den einheimischen Archiven dieser Gesellschaften suchen zu wollen, wenn dieselben gleich für die mittlere und spätere Zeit reichhaltigere Nachrichten, über die Hanse darbieten können.
Diese Hansen der Einwohner einzelner deutscher Städte im Auslande waren eine Abweichung von dem alten Rechte der Deutschein. Die ausgeschlossenen Städte versuchten, wie wir es von Lübeck bey der Cölner Hanse in London so eben erwähnt haben, ihre Aufnahme durch kaiserliche Gebote oder andere Mittel zu erzwingen, und da diese nicht gelangen, verschafften sie sich bey den fremden Landesherren das Recht eigene Hansen zu errichten. Dieses Mittel führte bald zu den gewünschten Vereinigungen, wie wir in England aus der Urkunde v. J. 1282 deutlich erkennen. In Flandern und Holland müssen andere in der Natur des dortigen Handels liegende Gründe gewirkt haben, um die Existenz einzelner Particulier - Hansen zu erhalten, wenn gleich die Unterordnung derselben unter den allgemeinen Verein der deutschen Kaufleute zu Stande kam. In Wisby, so wie Nowgorod ist nach allen vorhandenen Nachrichten die Gemeinschaft der deutschen Kaufleute nie durch Hansen einzelner Städte gestört worden; in Norwegen und Schweden oder Dänmark eben so wenig; nur in Schonen hat der Besitz einzelner Vitten für den Heringsfang einzelne Städte allmälig zur Ernennung besonderer Vogte und Errichtung abgesonderter Gesellschaften geführt. Dass in jenen Ländern die Deutschen in den ältesten Zeiten keine Zölle und Gildenabgaben zu entrichten hatten, ist aus der für die Russen, Gothen, Normannen und andere westliche Völker zuweilen ausgesprochenen gegenseitigen Vergünstigung wahrscheinlich, und erklärt zugleich, wie bey einer solchen Gleichstellung aller Deutschen keine Separat-Hansen bey jenen Völkern entstanden.
Wenn das Zusammentreffen deutscher Kaufleute im Auslande zu Vereinigungen unter denselben führte, so mussten sie auch bald zu der Wahrnehmung gelangen, dass einzelne unter ihnen, deren Stadt für manchen Handelsverkehr nicht geeignet lag, sich an die Einwohner der vortheilhafter gelegenen Städte näher anzuschliessen hatten. Wir müssen uns vergegenwärtigen, wie in dem damahligen Handelsverkehre, der Kaufmann aus dem Binnenlande mit seiner Waare über Land und Sand zog, um selbst mit einem in einer fernen Hafenstadt gemietheten Schiffe auf den entlegenen Markt zu schiffen. Auffallende Denkmähler dieser Kindheit des Verkehres sind die Privilegien gegen das Strandrecht, welche Landstädte, wie Soest, sich erwarben, so wie das Erscheinen von Bürgern aus Münster, Dortmund und andren binnenländischen deutschen Städten in Gothland und Nowgorod; bey deren Anblicke wir jetzt verwundert glauben möchten, dass einst sogar der Dichter, welcher sicilische Schiffe in Prag landen liess, auch nicht so sehr geirrt haben möchte. Es war daher ein grosser Fortschritt des Handels, als die binnenländischen sich näher an die der See und den grossem Strömen anwohnenden Kaufleute schlossen; worauf hernach die desfallsigen Verträge einzelner deutscher Städte unter einander erfolgten, welche nicht nur die Aufnahme und Begünstigung der Bürger der einen Stadt in der andern bezweckten, sondern auch deren Vertretung und Gleichstellung mit den eigenen Bürgern im Auslande. Waren gleich in den ältesten Zeiten die Deutschen als Nation stets vereint aufgetreten, woher für die deutschen Kaufleute besonders in England und Flandern der Nahme der Mercatores Imperii Romani sich erhielt, so mussten mit dem Emporkommen der Städte Trennungen und Bevorzugungen einzelner dieser Genossenschaften statt finden, wie oben erwähnt ist. Diese Städte gelangten daher bald dazu, in ihrem Nahmen für ihre Bürger oder einzelne derselben, diejenigen Rechte geltend zu machen, welche der ganzen Nation zukamen. Das weite Band der grossen sich nunmehr vereinzelnden Gemeinschaft unter dem germanischen Kriegsbefehl war zerrissen, und die ersten Emporkömmlinge in der neuen Handelswelt, welche die Nationen verband, waren es, welche auch die National-Einheit wieder herstellen sollten. Daher denn die vielen Verträge, welche im 13ten Jahrhundert geschlossen wurden von einzelnen Städten für ihre Bürger und ihre Gäste (hospites, socii, omnes quos sibi adiunxerint, qui in eorum iure sunt), deren wir besonders von Hamburg, als der den Elbhandel vorzugsweise beherrschenden Stadt viele besitzen *), weshalb auch noch in denselben alle Elbfahrer (omnes ex Albea velificantes) besonders einbegriffen werden; während für die Theilnahme an dem Ostseehandel die Landstädte weniger beschränkt waren, und durch die grosse Freyheit des Handelsverkehres in den nordischen Reichen die Vertretung einzelner Städte seltener in Anspruch zu nehmen seyn konnte. Besonders merkwürdig ist in dieser Beziehung der Vertrag der Hamburger mit den Dithmarschen, v. J. 1265., in welchem den Gästen binnen einer gewissen Zeit anheimgestellt wird, die von jenen festgesetzten Bedingungen anzunehmen oder zu verwerfen. In einem ähnlichen Verhältnisse zu dem Handel auf dem Rheinstrome stand bis zu der Versandung der Mündung desselben die Stadt Cöln.
*) In dem durch K. Friedrich II. im J. 1189 der Stadt Hamburg ertheillen Privilegium werden rücksichtlich des Stader Zolles unterschieden: das Bürgergut und die bona hospitum, welche die Hamburger seewärts einführen.
Diese Hansen der Einwohner einzelner deutscher Städte im Auslande waren eine Abweichung von dem alten Rechte der Deutschein. Die ausgeschlossenen Städte versuchten, wie wir es von Lübeck bey der Cölner Hanse in London so eben erwähnt haben, ihre Aufnahme durch kaiserliche Gebote oder andere Mittel zu erzwingen, und da diese nicht gelangen, verschafften sie sich bey den fremden Landesherren das Recht eigene Hansen zu errichten. Dieses Mittel führte bald zu den gewünschten Vereinigungen, wie wir in England aus der Urkunde v. J. 1282 deutlich erkennen. In Flandern und Holland müssen andere in der Natur des dortigen Handels liegende Gründe gewirkt haben, um die Existenz einzelner Particulier - Hansen zu erhalten, wenn gleich die Unterordnung derselben unter den allgemeinen Verein der deutschen Kaufleute zu Stande kam. In Wisby, so wie Nowgorod ist nach allen vorhandenen Nachrichten die Gemeinschaft der deutschen Kaufleute nie durch Hansen einzelner Städte gestört worden; in Norwegen und Schweden oder Dänmark eben so wenig; nur in Schonen hat der Besitz einzelner Vitten für den Heringsfang einzelne Städte allmälig zur Ernennung besonderer Vogte und Errichtung abgesonderter Gesellschaften geführt. Dass in jenen Ländern die Deutschen in den ältesten Zeiten keine Zölle und Gildenabgaben zu entrichten hatten, ist aus der für die Russen, Gothen, Normannen und andere westliche Völker zuweilen ausgesprochenen gegenseitigen Vergünstigung wahrscheinlich, und erklärt zugleich, wie bey einer solchen Gleichstellung aller Deutschen keine Separat-Hansen bey jenen Völkern entstanden.
Wenn das Zusammentreffen deutscher Kaufleute im Auslande zu Vereinigungen unter denselben führte, so mussten sie auch bald zu der Wahrnehmung gelangen, dass einzelne unter ihnen, deren Stadt für manchen Handelsverkehr nicht geeignet lag, sich an die Einwohner der vortheilhafter gelegenen Städte näher anzuschliessen hatten. Wir müssen uns vergegenwärtigen, wie in dem damahligen Handelsverkehre, der Kaufmann aus dem Binnenlande mit seiner Waare über Land und Sand zog, um selbst mit einem in einer fernen Hafenstadt gemietheten Schiffe auf den entlegenen Markt zu schiffen. Auffallende Denkmähler dieser Kindheit des Verkehres sind die Privilegien gegen das Strandrecht, welche Landstädte, wie Soest, sich erwarben, so wie das Erscheinen von Bürgern aus Münster, Dortmund und andren binnenländischen deutschen Städten in Gothland und Nowgorod; bey deren Anblicke wir jetzt verwundert glauben möchten, dass einst sogar der Dichter, welcher sicilische Schiffe in Prag landen liess, auch nicht so sehr geirrt haben möchte. Es war daher ein grosser Fortschritt des Handels, als die binnenländischen sich näher an die der See und den grossem Strömen anwohnenden Kaufleute schlossen; worauf hernach die desfallsigen Verträge einzelner deutscher Städte unter einander erfolgten, welche nicht nur die Aufnahme und Begünstigung der Bürger der einen Stadt in der andern bezweckten, sondern auch deren Vertretung und Gleichstellung mit den eigenen Bürgern im Auslande. Waren gleich in den ältesten Zeiten die Deutschen als Nation stets vereint aufgetreten, woher für die deutschen Kaufleute besonders in England und Flandern der Nahme der Mercatores Imperii Romani sich erhielt, so mussten mit dem Emporkommen der Städte Trennungen und Bevorzugungen einzelner dieser Genossenschaften statt finden, wie oben erwähnt ist. Diese Städte gelangten daher bald dazu, in ihrem Nahmen für ihre Bürger oder einzelne derselben, diejenigen Rechte geltend zu machen, welche der ganzen Nation zukamen. Das weite Band der grossen sich nunmehr vereinzelnden Gemeinschaft unter dem germanischen Kriegsbefehl war zerrissen, und die ersten Emporkömmlinge in der neuen Handelswelt, welche die Nationen verband, waren es, welche auch die National-Einheit wieder herstellen sollten. Daher denn die vielen Verträge, welche im 13ten Jahrhundert geschlossen wurden von einzelnen Städten für ihre Bürger und ihre Gäste (hospites, socii, omnes quos sibi adiunxerint, qui in eorum iure sunt), deren wir besonders von Hamburg, als der den Elbhandel vorzugsweise beherrschenden Stadt viele besitzen *), weshalb auch noch in denselben alle Elbfahrer (omnes ex Albea velificantes) besonders einbegriffen werden; während für die Theilnahme an dem Ostseehandel die Landstädte weniger beschränkt waren, und durch die grosse Freyheit des Handelsverkehres in den nordischen Reichen die Vertretung einzelner Städte seltener in Anspruch zu nehmen seyn konnte. Besonders merkwürdig ist in dieser Beziehung der Vertrag der Hamburger mit den Dithmarschen, v. J. 1265., in welchem den Gästen binnen einer gewissen Zeit anheimgestellt wird, die von jenen festgesetzten Bedingungen anzunehmen oder zu verwerfen. In einem ähnlichen Verhältnisse zu dem Handel auf dem Rheinstrome stand bis zu der Versandung der Mündung desselben die Stadt Cöln.
*) In dem durch K. Friedrich II. im J. 1189 der Stadt Hamburg ertheillen Privilegium werden rücksichtlich des Stader Zolles unterschieden: das Bürgergut und die bona hospitum, welche die Hamburger seewärts einführen.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches G. F. Sartorius Freiherrn von Waltershausen Urkundliche Geschichte des Ursprunges der deutschen Hanse. Bd 1