Abschnitt. 5

Diese kaufmännische Aristocratie, welche sich vor den übrigen Einwohnern geltend machte, zeigte sich vor allen in den Städten, welche den ergiebigen Seehandel trieben, und beschränkte sich zuweilen auf diejenigen Kaufleute, welche den bedeutendsten Handelszweig sich angeeignet hatten, wie z. B. die Londoner Hanse der Bürger zu Damme. Die ganze Stadtverfassung war durch die Sommerreisen der Kaufleute modellirt: die grossen Versammlungen der Gemeinde, die Verlesung der Burspraken, die Tage der Rathswahlen waren wegen der Sommerreisen der Kaufleute auf die für die Schifffahrt unbequemen Zeiten verlegt; der Rath, wenn gleich meistens ausschliesslich aus Kaufleuten zusammengesetzt, fasste keinen Beschluss in Handelsangelegenheiten, wenn die Mehrzahl der übrigen Kaufleute verreist war.. Bey der Ausdehnung der Städte und Vermehrung des Verkehres musste jedoch die Gilde durch ihre Allgemeinheit bald an Bedeutung verlieren, und ihre in der freyen Verfassung wichtigsten Rechte wurden dem Rathe, zu welchem auch andern Bürgern der Zutritt eröffnet war, übertragen. Häufig wurden daher die Gilden durch Gesetze unterdrückt, doch haben sie sich, wenn gleich der Bedeutung mehr als der Form nach umgestaltet, in den scandinavischen Reichen bis zum heutigen Tage erhalten. In manchen der landesherrlichen Gewalt strenger untergebenen Städten erblicken wir sie jedoch länger, als in anderen; wo sich auch die, anfänglich von dem Landesherrn ihnen gewöhnlich vorgesetzten Hansegrafen finden.

Der Nahme eines Grafen der Hanse, welcher sich zu Bremen, Middelburg, Regensburg und Wien findet, während nirgend ein Gildegraf oder Graf der Kaufleute genannt wird, deutet in der städtischen Verfassung auf ein hohes Alter und geschehene Uebertragung ehemahliger aus den Hofrechten entsprungener Verhältnisse auf die Bürger. Der Hansegraf zu Regensburg war ein von denselben erwählter Meister oder Oldermann, welcher deren Rechte und Gewohnheiten, zu denen auch die Zölle gehörten, auf den Märkten im Auslande vertrat, in der Stadt aber nur mit Beystimmung der Bürger Einrichtungen treffen durfte. Die Nachrichten über die Middelburger Hanse sagen deutlich, dass sie sich auf den ausländischen Handel und die Schifffahrt von Osten und Westen her bezog. Diese Beziehung auf den Grosshandel hatten auch die mercatores hansati zu Paris, so wie zu York im J. 1200 die Gilda mercaria, Krämergilde, von den Hansen der Bürger in den Ländern des Königes, England und Normandie, unterschieden wurde.


Eine urkundliche Erwähnung der Hansegrafen zu Bremen vor d. J. 1395 ist zwar bisher nicht aufgefunden, doch wird einer Hense schon in den Statuten dieser Stadt v. J. 1303 gedacht. Dass aber auch hier die Hanse sich ursprünglich auf den Handel mit den Fremden bezog, beweist die Urkunde des bremischen Erzbischofes Siegfried v.J. 1181, welcher die Erhebung der gleichbenannten Abgabe, so weit sie ihm zukam (quae ad nos respectum habuit), erliess; ein anderer Theil derselben fiel wahrscheinlich wie in Middelburg an die Mitglieder der Gilde. In demselben Sinne befreyete Graf Philipp die Bürger von Damme in allen seinen Städten von der Abgabe, welche seine Beamten (Boden, comites) Hanse nennen, und Kaiser Friedrich I. die Lübecker von einer vom Zolle unterschiedenen Hanse in Sachsen, wie die Fremden von einer Hanse zu Lübeck. Diese Abgabe scheint nun aus dem Vorhergehenden dahin zu bestimmen zu seyn, dass sie von dem einheimischen Bürger für die Zulassung der Gilde der auswärts handelnden Kaufleute entrichtet wurde, von den Fremden aber, welchen keine Vorzüge vor denen des Ortes gestattet werden sollten, für die Erlaubniss daselbst Handel zu treiben, wodurch sie in die Gilde traten oder deren Mitgliedern gleich berechtigt wurden, so wie noch heute in einigen Staaten durch Erlegung einer Patentsteuer. Daher findet sich denn auch diese Abgabe nicht nach dem Werthe oder Maasse der Handelsgegenstände, sondern als persönliche Abgabe in einer für jeden Berechtigten gleichen Summe bestimmt. Für die Hanse der Cölner zu London wurden 2 Schillinge entrichtet, für die der Lübecker 5 Sch.; zu Bremen 4 Sch., zu Middelburg 3 ½ Sch (von welchen 42 Pf. die Hanse nur 2 PS. erhielt), welcher Ertrag, gleich dem anderer ursprünglich aus dem Hofrechte entlehnten Abgaben, dem Landesherrn und später theilweise oder ganz den damit belehnten Gilden oder Städten zufiel. Die Befreyung von der Abgabe genannt Hanse wird auch nur in den ältesten städtischen Privilegien erwähnt, hernach aber, bey ihrer Geringfügigkeit, derselben nicht mehr gedacht.