Abschnitt. 4

Wenn daher sogar die zwischen den binnenländischen, einheimischen und fremden Kaufleuten entstandenen Streitigkeiten nach kaufmännischen Gewohnheitsrechten entschieden wurden; so musste dieses viel mehr beym Seehandel geschehen, durch welchen Kaufleute in grössere Gesellschaften zu gemeinschaftlichem Schutze gegen Seeräuber, und Unterstützung in Kämpfen gegen die Elemente, wie auch häufig gegen die Eingebornen der besuchten Länder vereinigt wurden. Im südlichen Europa stellt sich diese allgemeine Erscheinung bey der Wohlhabenheit und Macht der dortigen Städte in Factoreyen dar, welche jede einzelne bedeutende Handelsstadt in den Häfen des weniger gefährlichen Mittelmeers besass, so wie auch hier Vereinigungen zu Seefahrten üblich waren, welche gemeinschaftliche Zwecke voraussetzten und zu autonomischen Bestimmungen führten. Im Norden mussten diese Verhältnisse sich anders gestalten. Die langsamere Entwicklung der Bildung und des Verkehres, die Verschiedenheit der Meere, der Einfluss des rauhen Klimas und langen Winters, die Unbedeutsamkeit der Seestädte, welche kaum von den häufigen üeberf allen der Normannen und der Wenden sich befreyet flühlten, alle diese Ursachen erschwerten die Bestrebungen der Einzelnen und machten ein engeres Anschliessen der Kaufleute, selbst derjenigen aus verschiedenen Städten an einander zu Handelsreisen erforderlich. Wir finden daher zu Venedig, wie zu Wisby und Nowgorod Vereinigungen der gesammten deutschen Kaufleute, und wenn zu London und in den flandrischen Städten, wo selbst die südeuropäischen Kaufleute nur in Nationen getrennt erscheinen, Cöln und einige andere wohlhabende deutsche Städte im Namen aller Deutschen auftreten, so kann eine bedeutende Abweichung von dem allgemeinen Handelssystem hierin nicht erkannt werden. Die Nothwendigkeit dieser Vereine erklärt sich nicht hinlänglich aus der Verschiedenheit der Sprache, Münze und der Handelsgebräuche, welche in den meisten germanischen Ländern des nördhchen Europas zur Zeit der Entstehung der Hanse eine grosse Uebereinstimmung und allgemeinere Verbreitung besassen, als in späteren Jahrhunderten sich erhalten hat. Dagegen war der Rechtsgang mit seinen selten wiederkehrenden ungebotenen Rechtstagen und dem schwerfälligen Beweisverfahren, nicht minder als die Verschiedenheit der Wehr- und Sühngelder Fremden und dem Verkehre sehr abschreckend. Ein Zusammentreten der Landsleute musste auch um so eher statt finden, wo die Kürze des Sommers, die Länge der Reise in kleinen Schiffsgefässen und die Unvollkommenheit der compass- und kenntnisslosen Schifffahrt, die Langsamkeit des Ein- und Verkaufes, wozu Ort und Gelegenheit erst aufzusuchen waren, so wie der Eintreibung der Schulden, wo alle diese Umstände den Fremden häufig eine Ueberwinterung nothwendig machten, und durch dieselben die Möglichkeit entstehender Streitigkeiten, Todes- und Erbfälle sich vergrösserte und die Errichtung gemeinschaftlicher Morgensprachen, Kassen, Begräbnisse, Capellen erforderlich wurde, so wie für die Waaren die Anschaffung eigener Speicher im Haupthafen nebst Plätzen und Brücken zum Anlanden in demselben, so wie Wohnungen für die Landsleute und was sonst der auf seine eignen Mittel zurückgewiesene Handelsverkehr erheischte. Zugleich bedurften die zufällig Vereinten gemeinsamer Aelterleute, den heutigen Handelsconsuln entsprechend, welche alle diese Anstalten leiteten und verwalteten, so wie die erworbenen Privilegien genau kennen sollten, besonders zur Vertretung ihrer Landsleute bey Entrichtung der Ein- und Ausfuhr - Zölle, deren höchstverworrene Tarife häufig verändert wurden. Hier ist aber besonders hervorzuheben, dass auch an den Orten, wo alle die gedachten Bedingungen einer Factorey nicht vereinigt waren, dennoch die Anstalt zum Rechtsprechen unter den Landsleuten sich findet. In Bergen bemerken wir Aelterleute, während über andere gemeinsame Einrichtungen der Deutschen kein Beweis darliegt; in England sollen die Deutschen das Jus Theutonicorum zu einer Zeit, wo nur einzelne Städte Privilegien daselbst besassen, erhalten; in Nowgorod hatten sich die durch ihr Recht getrennten Gothen und Deutschen erst später zu einer gemeinsamen Residenz vereinigen können, während die durch das Interesse oft getrennten, aber rechtsverwandten Niederländer mit den Deutschen lange vereinigt, erst in späteren Zeiten sich von denselben abgesondert zu haben scheinen. In Wisby finden wir in den ältesten Zeiten kein Vorherrschen einer einzelnen deutschen Stadt, und wenn in Schonen auch schon früh Lübeck zu besonderem Ansehen gelangte, so deutet theils die dort vorhandene alte Einhegung und der Kirchhof der Deutschen auf frühe Vereinigung derselben an diesen Küsten, theils möchte das Hervortreten des lübecker Vogtes unter den Bürgern der mit lübschem Rechte begabten Städte, eben so wie die frühe Nahmhaftigkeit der durch die weite Verbreitung ihrer Handels-Rechte sehr hervortretenden Cölner in London, gerade einen neuen Beweis dafür darbieten, dass die gemeinsame Rechtspflege das ursprüngliche Motif der hansischen Factoreyen enthält. Nur in den Niederlanden sind vielleicht keine Vereinigungen der Deutschen in der ältesten Zeit nachzuweisen, so sehr alt die Hansen einzelner Städte und die Zollbestimmungen für die Deutschen auf Gothland daselbst sind, ein Umstand, welchen durch die nähere Verwandtschaft der Anwohner der Küsten der Nordsee unter einander zu erklären, unbedenklich scheint.

Eine nähere Andeutung verdienen ferner in ihrem Verhältnisse zum Hansebunde die Gilden der Kaufleute in ihren heimathlichen Wohnsitzen. Es lag in der ganzen germanischen Verfassung, dass gleich anderen zu gemeinsamen Interessen Verbundenen, auch die Kaufleute sich in Gilden oder Hansen, welche Ausdrücke hier als gleichbedeutend zu betrachten sind, sich bildeten, und zwar in den altern Städten unter der an gewisse Leistungen geknüpften Genehmigung der Landesherren. Am häufigsten finden wir diese in England, wo jene altdeutsche Verfassung sich überhaupt am längsten in ihren Grundzügen erhielt, dann auch in den Niederlanden. In manchen Fällen ist es diese Kaufmannsgilde gewesen, welche das älteste Markt- und Stadtrecht sich verschaffte, und daher den Verein der gleichberechtigten Bürger bildete, aus welchen der Rath ausschliesslich gewählt wurde, zu dessen Theilnahme die landesherrlichen Dienstleute, so wie die Handwerker in solchen Städten erst durch spätere Umwälzungen gelangten. Es lassen hier sich die Belege dieser Ansicht nur kurz andeuten, welche aus den ältern Nahmen von Hansa- und Gildehäusern statt der späteren Rathhäuser, der gesetzlichen Vereinigung des Raths-- und des Gildeschreibers in demselben Individuum und ähnlichen Verhältnissen zu entwickeln sind.