Abschnitt. 3

Es ist vor allem der Mangel an Einheit der Nation gewesen, welcher die Städte des nördlichen Deutschlands, wie früher Italiens, gross gemacht hat, und jene zu der Entstehung der Verfassungen und Vereine führen musste, welche den kräftigen Sinn der Bürger nährten und den vollen Genuss des Erworbenen ihnen zu sichern vermochten. Wenn es den Landbewohnern auch zuträglich blieb, den Vereinigungspunkt, welcher in den Landesherren gegeben war, zu erhalten und zu befestigen: so verstanden jene Städte denselben in sich selbst zu finden und auszubilden, deren freye Verfassungen ui den kleinen Gebieten beschränkter Fürsten und Grafen schneller und frischer aufblühen komiten, als es unter dem Scepter willkührlicher und mit den Nachbarn in steten kostspieligen Fehden verwickelter Könige möglich war. Unter ähnlichen Vortheilen der natürhchen Lage, bey nicht geringerer Schifffahrtskunde, in demselben fruchtbaren Zeitpunkte, wo alte Kraft und Ausdauer mit neuen Bildungsstoffen sich vereinten, gelangten dennoch die Seestädte mancher anderer Reiche nicht zu ähnlichen Vortheilen, wie die deutschen, oder liessen sich die bereits errungenen wieder entreissen. Die eng vereinten deutschen Städte dagegen wussten nicht nur sich zu erhalten und zu bereichern, sondern auch die Zinsen, welche das von den Missionaren nach dem Norden gebrachte Pfund christlicher Lehre, so wie die Besiegung der Wenden trugen, sich anzueignen, und diese Gegenden mit den Schätzen und Waffen, welche jene selbst ihnen geliefert hatten, zu beherrschen, während sie durch Befestigung christlicher Lehre und Sitte, so wie Verbreitung der Cultur und regsamen Handelsverkehres als einer der mächtigsten Hebel der Bildung und belebenden Industrie in der Weltgeschichte erscheinen.

Der Ursprung der Hanse ist in zwei verschiedenen, wenn gleich nahe verwandten Thatsachen zu finden, den Vereinen deutscher Kaufleute im Auslande, und den einzelnen sich allmälich ausdehnenden Bündnissen der Städte im nördlichen Deutschland. Letztere sind mit so vieler Sorgfalt und einem so reichen Schatze von Materialien in dem vorliegenden Werke untersucht, dass es zwecklos seyn würde, hier noch weiter über das hohe Alter der Vereine der wendischen und anderer durch die gemeinsame, von dem lübecker Vorbilde entlehnte Rechtsverfassung verschwisterten Städte, so wie ähnliche Verbindungen zur Erhaltung des Landfriedens, die stets engere Anschliessung verschiedener Städte an einander und deren verschiedenartige Zwecke sich verbreiten zu wollen. Da auch diese sich auf schriftliche Urkunden begründeten, so wird bey dem etwa noch Vermissten der beste Weg der Forschung seyn, jenen ferner nachzuspüren. Anders verhält es sich mit den Vereinen der Deutschen im Auslande, welche nicht auf Bundbriefen beruhen, nicht durch geräuschvolle Thaten die Aufmerksamkeit der Chronikenschreiber auf die Entstehung ihres still thätigen und rasch beweglichen Daseyns lenken konnten, sondern die lediglich durch tieferes Eingehen in die Verhältnisse und Ansichten älterer Zeiten zu erläutern sind, und also ferneren Raum für wissenschaftliche Untersuchung übrig lassen.


Die Ansicht des früheren Mittelalters, dass ein Jeder, ohne Rücksicht auf Landesrecht, nach dem Rechte seiner Nation zu richten sey, hat sich auch in den spätern Jahrhunderten desselben erhalten, wenn gleich, als nicht mehr Völkerstämme umherzogen, den Fremden in jeglichem Lande bey ihrer geringen Anzahl die Ausübung ihrer Rechte oft unmöglich werden musste, wenn ihnen nicht wie der Geistlichkeit durch besondere Vorrechte des Standes, oder den zum Land-, Deich- und Bergbau herbeygezogenen Colonisten durch Privilegien, wobey auch der Juden zu gedenken ist, die Erhaltung ihrer erwählten oder ererbten Rechte gesichert war. Bey der Seltenheit des Verkehres hätte der wandemde Kaufmann auf die Erhaltung des ihm angebornen Rechtes wahrscheinlich ganz verzichten müssen, wenn nicht dem Grundsatze nationaler Rechte verwandt, in dem beruhigten und im Frieden sich entfaltenden und gliedernden Europa derjenige der Autonomie sich geltend gemacht hätte, ein Grundsatz, ohne welchen der Handel nirgend und zu keiner Zeit gedieh.