Abschnitt. 1

Wie die erste „Schlacht am Kremmer Damm“ und genau achtzig Jahre später die Niederwerfung der Quitzows durch Eroberung ihrer Burgen ihre dichterische Behandlung fanden, so auch der Kampf um Ketzer-Angermünde*), der als der Rehabilitierungs- und erste Loyalitätsakt des bis dahin frondierenden märkischen Adels betrachtet werden kann. Auch die diesen Vorgang behandelnde Volksballade – deren eigentlicher Held Kaspar Gans ist – ist wie die vom „Kremmer Damm“ nicht märkischen, sondern pommerschen Ursprungs und zeichnet sich wie diese durch ein Treffen des Balladentons aus. Einige Stellen sind inhaltlich nicht ganz leicht verständlich, werden es aber, wenn man die Wusterwitzsche Beschreibung, die wir in unserem vorigen Kapitel gaben, zur Erklärung mit heranzieht. Die Ballade selbst aber lautet:

Ein neues Lied euch gesungen sei:
Nach dem Winter kommt der Mai,
Das haben wir wohl vernommen;
Und daß Kettr-Angermünde märkisch ward,
Das soll dem Markgrafen frommen.
Johann von Briesen ließ sich jagen
Von Kettr-Angermünde bis Greifenhagen,
All’ Mut war ihm gebrochen;
Da ging er zu Hofe nach Alten-Stettin
Und hat zu dem Herzog gesprochen:
„Gnäd’ger Herre, was zu halten stand:
Kettr-Angermünd und das Stolper Land
Ist verloren und verdorben;
Der Markgraf hält es jetzt in Hand,
Und doch hieß es: er sei gestorben.“
Da ließ der Herzog entbieten und holen
All seine Mannschaft, Pommern und Polen,
Nach Vierraden ritt man zu Tische;
Da setzten sie sich und hielten Rat
Und aßen süße Fische.


Der nun folgenden Strophe fehlen zwei Mittelzeilen, aber den drei verbleibenden entnehmen wir unschwer, daß man von Vierraden aufbrach und über den Vierradener Damm hin auf Angermünde zuritt.

Da ritten sie weiter, und, kaum heran,
Angermünde ward ihnen aufgetan,
Alle haben dem Herzog geschworen,
Und alle riefen: „Stettin, Stettin“,
Und Brandenburg war verloren.
Aber draußen, hinter Wall und Graben,
Die Märkischen schon sich gesammelt haben,
Vierhundert Reiter und Knechte;
Die Gans von Putlitz führet sie,
Zischend, auf daß sie fechte.
Die Gans, der wollt es nicht behagen,
Sie streckte zornig ihren Kragen
Über die Pommern alle;
Da schwebte der märkische Adler hoch,
Und die Greifen kamen zu Falle.
Die Gans aber wuchs in Grimme noch,
Sie schlug mit den Flügeln ein Brescheloch,
Und da stand sie nun zwischen den Steinen,
Und als sie bis zum Markte kam,
Waren sie zehn gegen einen.
Da gingen die Schwerter die klinker die klang,
Herr Detleff Schwerin mit dem Putlitz rang
Und wollte den Preis erwerben;
Da mußte Herr Detleff von Schwerin
Für seinen Erbherrn sterben.
Das war des Herzogs schwerster Tag,
Als da Herr Detleff vor ihm lag,
Zerhackt, in Blut und Wunden,
Und er rief: „O hätt ich über den Damm
Erst wieder zurückgefunden!“
Er sprach es und ritt im Zuge vorn,
Er gab seinem Rosse Schlag und Sporn
Und suchte die Zügel zu fassen;
So kam er bis an das „Hohe Haus“,
Da ward er eingelassen.
Das war zu Vierraden. Auf Schlosses Brück
Noch einmal sah er zurück, zurück,
Im Herzen voll Weh und Leide:
„Kettr-Angermünde, du vielgute Stadt,
Daß so ich von dir scheide!“
Der aber, der dies Lied euch sang,
Ein Schmiedeknecht ist er schon lang,
Und sie nennen ihn Köne Fincken;
Und er führt ein Hämmerchen auf der Hand
Und Gut-Bierchen mag er trinken.

So das Lied von der Eroberung von Ketzer-Angermünde, an das ich, eh ich zu einer Schlußbetrachtung über die Quitzows und ihr Recht oder Unrecht übergehe, noch einige literarische Bemerkungen knüpfen möchte.

*) Woher die Bezeichnung Ketzer- oder plattdeutsch Kettr-Angermünde kommt, diese Frage hat seit mehr als einem Jahrhundert die märkische Geschichtschreibung beschäftigt. Einige meinen, im 13. und 14. Jahrhundert hätten sich unter den Einwohnern von Angermünde viele Ketzer befunden, andere meinen, Ketzer bedeute Kietzer, noch andere heben hervor, daß Ketzer ein Handwerksausdruck sei und bei den Wollarbeitern eine Spindel voll Garn bedeute. Ketzer-Angermünde kann also bedeuten: eine Ketzer-Stadt oder eine Kietzer-Stadt oder eine Tuchmacher-Stadt. Alle drei Annahmen haben etwas für sich, und ich habe, der Reihe nach, jede einzelne für richtig gehalten, bin aber schließlich doch wieder zu 1 zurückgekehrt und glaube jetzt: Ketzer bedeutet Ketzer in dem gewöhnlichen Sinne des Wortes. Nach Gereken starben in Angermünde um 1336 vierzehn der Ketzerei angeklagte Bewohner den Feuertod. Es sollen Luciferaner, Anhänger des Bischofs Lucifer von Cagliari, gewesen sein. Mir scheint es jetzt das wahrscheinlichste, daß der Beiname der Stadt von diesem Vorgang her datiert.