fünfte Fortsetzung

Auch ein paar Gerichtsszenen werden mit bunten Farben geschildert. — Jener Knecht klagt über die schlechte Kost, die ihm sein Brotherr gewähre (I., 16). Dieser weist die Beschuldigung entrüstet zurück und zählt die Gerichte her, die in seinem Hause gäng und gebe; worauf der präsidierende Bürgermeister den Kläger anfährt:

      „Du Slüngel, Du entfamtigte Hallunk!
      Antwurt Du mi up mine Frag:
      Rindfleisch un Plumen, is't en slicht Gericht?"


Erstaunt blickt Jochen auf und spricht:

      „— — — den Deuwel ok!
      Rindfleisch un Plumen is en schön Gericht.
      Doch, mine Herrn, ik krig't man nich."

Der Stadtrichter Roggenbladd ermahnt den vorgeführten Dieb, der Wahrheit die Ehre zu geben (II., 53). Hans Dins erklärt sich dazu bereit, bittet aber, vorher ein wenig frische Luft schöpfen zu dürfen, öffnet das Fenster und entflieht. Noch ein Dutzend Mal eingefangen, bricht er immer wieder aus dem morschen Gefängnis, bis ihn der eintretende Winter endlich zwingt, freiwillig zurückzukehren. Doch jetzt verweigert ihm der Schließer den Einlass, und wird erst mildern Sinnes, als Hans Dins feierlich gelobt, diesmal Stich halten zu wollen.

Ferner haben wir: Ärzte, welche die tollsten Kuren verrichten (II., 1 und 63); Jäger und Seeleute, welche die unglaublichsten Abenteuer erzählen (I., 29 und II., 9); Gastwirte, die sich gegenseitig um ihre Kunden zu bringen suchen (I., 39), oder aber den Gast umsonst bewirten und ihm noch bar Geld herausgeben (II., 34); einen Poeten, der von Geburtswehen überrascht wird, und von dem Dienstmädchen verlangt, schnell nach einem geheimen Gemach geführt zu werden (II., 7); einen Wucherer, den der vorgeschobene Stellvertreter um Frühstück und Ansehen bringt (I., 32); einen pietistischen Kandidaten, der von einem tauben Ökonomen ad absurdum geführt wird (II., 52); einen Probenreiter, der aus dem Bette in einen gefüllten Tanzsaal fällt (I., 51); einen Advokaten, der in seiner eignen Angelegenheit Consultationsgebühren verlangt und erhält (II., 29); einen pensionierten Pächter, dem Frau, Tochter und Dienstmädchen den neuen Überrock so lange kürzen, bis daraus eine Husarenjacke wird (II., 35); einen Bäcker, der gewissenhaft die eingegangene Wette auszuführen sucht, während ihm freche Diebe die Kasse ausleeren (I., 18); eine Schauspielerin, die ihren im Parterre sitzenden Vater von der Bühne aus um Vergebung anfleht, dass sie wider seinen Willen zum Theater gegangen (I., 6); eine am „Klawezimbel" sitzende Krämerstochter, deren Gesang die Kunden ihres Vaters in Angst und Schrecken versetzt (I., 41); einen Brief mit der Adresse: „An den Schneiderlehrling Jehann Krischan Engel", der richtig in die Hände einer alten Waschfrau gelangt (I., 22); einen falschen Feuerlärm, der in Folge einer Verwechselung von Dativ und Akkusativ entsteht (II., 62); und noch manch andre Geschichten dieser Art.

Nehmen wir jetzt die Rekruten, Lieutenants und Offiziersburschen in Augenschein:

      „So, Du Kanaille, so nun steh!
      So stehst Du mir: Kopf in die Höh,
      Die Arme 'ran, auswärts die Füß',
      Die Brust heraus, den Bauch herein!"
— schreit der kurze Lieutenant zu dem baumlangen Rekruten hinauf (I., 9), worauf dieser:
      „So sall 'k nu ümmer stahn hir bliwen? —
      Na denn, Herr Leutnant, denn adjüs!
      Denn krig 'k Sei nümmer mihr tau sein." —

Ein anderer Jüngling steht vor dem Schlossgarten zu Schwerin auf Posten und verwehrt der Herzogin von Montmorency nebst ihrem fetten Mopse den Eintritt, ihr Französisch mit seinem Plattdeutsch vergeltend (I., 50); ein Dritter ruft gar die ganze Wache heraus, nur um seinem herankommenden Mütterchen auch einmal dieses Schauspiel zu gönnen (II., 43). — Und hier ist Jochen (II., 15), der sich damit zu trösten weiß, dass zwischen ihm und seinem Lieutenant gar kein so großer Unterschied bestehe, denn Beide klopfen einander die Jacke aus, der Lieutenant freilich, wenn Jochen noch darin steckt. — In einem andern Läuschen (II., 25) ist die bekannte Anekdote verarbeitet, welche den Offiziersburschen Dummheit auf Dummheit häufen lässt. Er überbringt der Frau von F. die Entschuldigung seines Herrn, wie dieser durch Dienstgeschäfte behindert sei, der Einladung zum Mittagsmahle zu folgen, und bittet sich gleich darauf das Essen für den Lieutenant aus, das die lachende Dame ihm wirklich mitgibt. Um den Schwabenstreich des Burschen in etwas wieder gut zu machen, lässt ihn sein Herr eine Torte für drei Thaler kaufen und diese mit einer neuen Entschuldigung der Dame überbringen, die ihm hierauf Einen Thaler als Trinkgeld schenkt. Aber der ehrliche Jochen zieht die Hand noch nicht zurück, sondern versichert, die Torte koste seinem Herrn selber drei Thaler.

Auf eigner Erfindung beruht dagegen „Du dröggst de Pann weg" (II., 37), das von übermütiger und doch liebenswürdiger Laune wirklich strotzt. — Schuster Hank lebt mit seinem Weibchen noch in den Flitterwochen, aber so eben entbrennt zwischen ihnen der erste Streit. Meister Hank zeigte Sehnsucht nach Pfannkuchen, die Frau hat ihm nach einigem Sträuben auch solche gebacken, aber dafür verlangt sie nun, dass er die Pfanne, welche sie von einer widerwilligen Nachbarin geliehen, zurücktragen möge. Er weigert sich dessen, und sie überhäuft ihn mit Vorwürfen, die er redlich zurückgibt. Beide verbieten sich gegenseitig den Mund und einigen sich endlich dahin: Wer von ihnen zuerst wieder spricht, der soll die Pfanne zurückschaffen. Gut! Die Frau setzt sich an den Nocken, und um ihrem Ärger doch irgendwie Luft zu machen, beginnt sie abwechselnd zu lachen und zu singen; während der Mann, der nicht zurückstehen will, ein paar Schuhe verhämmert und dazu aus Leibeskräften pfeift. In dieses eheliche Konzert tritt nun ein Fremder, mit der Bitte, ihm doch sofort seinen zerrissenen Stiefel zu flicken. Der Schuster nickt Gewährung, ergreift den Herrn beim Fuß, zieht ihm den kranken Stiefel ab und macht sich an die Arbeit, hütet sich aber wohl, die Reden des Kunden anders als mit einem langgezogenen Pfeifen zu beantworten. Erstaunt wendet sich dieser an die Frau, aber auch hier erhält er kein Gegenwort, nur Singen und Lachen. Er fürchtet in ein Tollhaus geraten zu sein, muss aber schließlich selber lachen, und spricht:

      „Hier herrscht ja solche Lustigkeit,
      Da wird gepfiffen, hier gesungen,
      Warum nicht auch herumgesprungen?"

Worauf er das schmucke Weibchen beim Arme ergreift, und auf Einem Stiefel, Einem Strumpfe lustig mit ihr durch das Zimmer tanzt. An Musik fehlt es nicht, denn der Schuster pfeift vor Eifersucht. „Füterü—terü— terü — tütü — tütüh!" und die Frau jauchzt, um ihren Gemahl noch mehr zu reizen „Raderirallal — lallal — lah!" lässt sich auch ruhig die Liebkosungen des Fremden und endlich sogar einen — Kuss gefallen. Da kann der Schuster nicht länger an sich halten, wütend springt er auf und schreit:

      „Dor sall en Dunner rinne slagen!"

Triumphierend, denn sie hat die Wette gewonnen, ruft jetzt die Frau:

      „Du möst de Pann herümmerdragen." —

Mit derselben Meisterschaft, wie das Missingsch“, handhabt der Dichter auch den jüdischen Jargon, den er zur Zeichnung urkomischer Personen und Vorgänge verwendet. — Jedermann kennt das Sprichwort „Wie Du mir, so ich Dir!" aber nicht jeder kennt die Nutzanwendung, die es in folgendem Läuschen Ii., 28) erfährt: Zwei Fuhrleute, die beide einen Juden geladen, stoßen im Hohlwege an einander, und da weder Dieser noch Jener ausweichen kann, beginnt ein gegenseitiges Schelten und Schimpfen, an dem sich auch die beiden Juden herzhaft beteiligen. Plötzlich springt der Penzliner Fuhrmann auf den Wagen seines Kollegen, ergreift den noch immer dort fortscheltenden Juden, und beginnt ihn mit Schlägen und Püffen zu traktieren. Fritz Lemk, der andere Fuhrmann, sieht dem eine Weile zu, dann aber erwacht in ihm das Verlangen nach Rache, er stürzt sich auf den Passagier seines Kollegen, den er nun gleichfalls mit Händen und Füßen bearbeitet, wobei er spricht:

      „Sall slahn hir warden, denn slag Jeder sinen,
      Sleist Du minen Juden, slag ik Dinen." —

Ein anderer Jude erhält statt der verhofften Rubel, die sein Schuldner mit ihm teilen wollte, die gleiche Zahl Russischer Hiebe, welche Jener statt der Rubel erhalten (I., 60). — Herr Moritz Gimpel hat sein Blümchen in der Wasserkur und eilt zu ihr, um ihr den Tod ihres Bruders zu melden, wobei er sie auf die Hiobspost in genialer Weise vorzubereiten weiß (II., 61). — Die krankhafte Sucht der Juden, überall zu sparen und bei jeder Gelegenheit zu „verdienen", wird in zwei hübschen Schnurren behandelt:

      „As Du ißt de Erbsen Levi
      As Du kriggst en kleinen Kümmel!"

redet der alte Jude zu sich selber (I., 45), um sich zu seiner schlechten Kost Mut zu machen. Sobald er aber die kalten verschimmelten Erbsen hinuntergewürgt, gießt er den kleinen Kümmel wieder in die Flasche zurück und grinst:

„Nu wohrhaftig, da hab ich den alten Levi schain angeführt!" — Mauscher dagegen schädigt sich wider Wissen und Willen (II., 50). Noch immer trägt er eine alte geflickte Jacke, wenngleich seine gebildeten Söhne in Philosophie, Kunst und noblen Passionen machen, bis ihm der jüngste einen Rock für zehn Thaler kauft. Um Tatterleben’s Freude zu vergrößern, redet Benjamin ihm ein, dass der neue schöne Rock nur zwei Thaler gekostet habe, worauf Mauscher ihn vergnügt fortträgt, aber nach einer Weile in der alten Jacke zurückkehrt. „Wo ist der Rock?" fragt der Sohn, und Tatterleben antwortet:

      „Verkoft! Mit Schmuh verkoft! Sieh hier!
      Zwei Thaler kost't das Röckche Dir;
      Ich krigte vier:
      Zwei Dir, zwei mir. Mag Gott uns oft so'n Rebbes gewen!"

Seht! dort fahren Moses Itzig und Slaume Lessen die Chaussee entlang (II., 27), und die Steinklopfer rufen ihnen höhnend „Hepp! Hepp!" nach. Slaume will sich revanchieren, aber der besonnene Moses hält ihn zurück:

      „Lass gut sein, Schlaume, es wird kümmen!
      Pass Achtung! Es wird kümm'n de Zeit,
      Dass unser Fett tut oben schwimmen,
      Denn werd'n mer aach sein ungeßogen.
      Pass Achtung! es wird kümmen de Zeit,
      Wo wir se denn aach 'runtermöppern.
      Sie werden dann sitzen in den Wogen,
      Und Du und ich und unsre Lait,
      Die werden denn Schossehstein klöppern."
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Fritz Reuters Dichtungen - Läuschen un Rimels