Frische Seefische.

Aus: Das Buch für Alle. Illustrierte Familienschrift. Zeitbilder. Heft 1. 1921
Autor: Dr. rer. pol. Hans David, Hamburg., Erscheinungsjahr: 1921

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Themenbereiche
Enthaltene Themen: Fischer, Seefische, Fischdampfer, Nordsee, Ostsee, Netze, Fischfang, Beifang, Matrosen, Kapitän, Steuermann, Hafen, Volldampf, Bord, Ruder, Winde
An Bord des Fischdampfers weit draußen in der Nordsee steht alles bereit, den ersten Fischzug der Fahrt zu versuchen. Da kommt ein anderer Fischdampfer in Sicht. Es ist ein Schiff derselben Reederei; vielleicht kann man noch einen Wink über die besten „Jagdgründe“ bekommen. Das Signalisieren beginnt — ohne komplizierte Apparate, durch einfachste Zeichensprache.

Noch eine Stunde Fahrt, und das große Grundschleppnetz wird fachgerecht über Bord gebracht und durch die Scherbretter weit ausgespannt. Volldampf voraus führt der Dampfer, während die Stahltaue, an denen die Scherbretter hängen, sich von den Trommeln abwickeln. Jetzt ist genügend Leine ausgelaufen, das Netz hat die richtige Lage im Wasser und die nötige Entfernung vom Schiff. In langsamer Fahrt zieht der Dampfer das ausgespannte Netz durch das Wasser, zwei, drei Stunden lang. Dann wird aufgehievt. Rasch werden die Stahltaue durch die Dampfwinde auf die Trommeln gewickelt. Das Netz zieht sich zusammen, kommt längsseits, kommt an Bord, wird am Mast aufgehievt.


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Der Steuermann öffnet das Netz, die Fülle der Fische fällt in den großen Behälter. Das zappelt und spaddelt und springt und schlägt! Das schimmert und schillert in Silberweiß und Braungrau und Blaugrau und Rot!

Der Fang ist gut. Zufrieden stellt das der Kapitän von der Brücke aus fest; es mögen wohl dreitausendfünfhundert bis viertausend Pfund sein. Sogleich wird das Netz von neuem ausgesetzt.

Die Mannschaft macht sich über den Fang her. Alles Überflüssige — der sogenannte „Beifang“ — wird aussortiert und über Bord geworfen: Seesterne und Seetank, Muscheln und zu kleine oder minderwertige Fische. Der gute Fang wird „gekehlt“: jeder einzelne Fisch wird mit raschem Schnitt aufgeschlitzt und ausgenommen. Die Lebern wandern in einen Kessel, der Tran wird sogleich ausgekocht.

Zum Kehlen gehört eine kräftige, fest zufassende Hand und tüchtige Übung. Zwar der Hauptteil des Fanges, die Schellfische und Kabeljaue, ist verhältnismäßig leicht zu behandeln — diese schönen großen Fische verlieren rasch ihre Regsamkeit, wenn sie ihrem Element entrissen werden —, auch mit den beweglicheren Heilbutten und Rotzungen weiß eine geschickte Hand gut fertig zu werden; aber da sind andere Fische im Fange, die sehr unbequem und auch wohl etwas gefährlich werden können: vor allem die Kattfische, die wütend mit ihren großen, harten Zähnen zuschnappen, und die Rotbarsche, die mit schlimmen Stacheln bewehrt sind. Zeit ist nicht zu verlieren, die Arbeit muss flott vorangehen; denn die vielen, vielen Hunderte von Fischen müssen regelrecht verstaut sein, bevor der neue Fang hereingeholt wird; und länger als drei bis vier Stunden dauert der neue Fischzug nicht.

Nach dem Kehlen geht's ans Waschen der Fische. Sind sie gründlich mit frischem Seewasser abgespült, werden die Körbe an die Luke gebracht und in den Fischraum hinabgelassen. Dort erfolgt die sorgfältige Verpackung unter Eis.

Nun kann sich die Mannschaft einen Augenblick verschnaufen. Nur wenige Minuten. Denn schon wird es Zeit, das Netz von neuem aufzuhieven.

Schwer ist die Arbeit an Bord eines Fischdampfers. Solange die Tage warm und hell sind, geht es noch; wenn aber erst die Herbststürme das Schiff schaukeln und die Nebelhörner ihre Warnungsrufe brüllen, wenn im Winter das volle Netz, kaum aus dem Meere gehoben, sich mit einer Eiskruste umzieht und die Finger der arbeitenden Leute zu Eiszapfen erstarren wollen, dann ist es ein hartes Stück, die Arbeit mit der gebotenen Forsche voranzubringen.

Und sobald die Fänge lohnen, wird bis zur äußersten Grenze der Leistungsfähigkeit gearbeitet. Da reiht sich ohne Pause ein Fischzug an den andern, denn der Kohlenvorrat für jeden Dampfer ist knapp, und die Fische wandern — niemand weiß, wie lange noch die Fülle ins Netz geht; vom Achtstundentag ist keine Rede; auch die Nacht hindurch geht es weiter, die Gunst des Fanges muss genützt werden. Die Fischdampfermannschaften sind keine Fanatiker der Höchstleistung und Überanstrengung; aber der Gedanke, in die eigene Tasche zu arbeiten, stachelt sie an; jeder einzelne Mann hat seinen Anteil am Erlös der Fahrt. Je höher der Erlös, desto höher der Anteil. Das ist nicht etwa eine moderne Einrichtung; es ist altes Herkommen im Fischergewerbe, aus der Besonderheit des Betriebes erwachsen.

Durchweg bringen unsere Fischdampfer aus der Nordsee reiche Fänge heim. Im letzten Jahrzehnt vor dem Kriege war die Fangergiebigkeit bereits um etwa zwanzig Prozent zurückgegangen, so dass damals unsere Fachmänner auf zwischenstaatliche Abmachungen zur Einführung bestimmter Schonzeiten für die Nordsee drangen. Während aber zur Kriegszeit die Ostsee überfischt wurde und auch unsere Binnengewässer unter dem Druck der Not vielfach ein Übermaß von Fischen hergeben mussten, hat die Nordsee in der fünfjährigen Schonzeit, die der Krieg mit sich brachte, große Reserven aufgespeichert. Die Fänge ergeben gegenüber der Vorkriegszeit im allgemeinen zwei Drittel bis drei Viertel mehr.

Der Krieg hatte unter unseren Fischdampfern furchtbar aufgeräumt. Bei Kriegsausbruch zählte unsere Hochseeflotte zweihundertdreiundsechzig Fischdampfer; davon sind während des Krieges und nach dem Waffenstillstand etwa zwei Drittel verloren gegangen, die einen als Vorposten- und Patrouillenboote im Dienste der Marine, die anderen auf gefahrvollen Fangfahrten durch Minen oder kriegerische Eingriffe. Aber trotz allen diesen schweren Verlusten ist die gesamte Nordseefischdampferflotte heute schon wieder etwas größer, als sie vor dem Kriege war. Vierundvierzig Dampfer hat das Reich als Ersatz der im Dienst der Marine verlorenen Fischdampfer aus reichseigenen Beständen gestellt; im Übrigen ist der Ersatz ans Neubauten beschafft. Die neueren Ersatzbauten haben allmählich größere Ausmessungen erhalten; die neuesten haben schon etwa die doppelte Ladefähigkeit wie der Durchschnitt der Vorkriegszeit. Nach alledem ist unsere Nordseefischdampferreederei in der Lage, etwa das Doppelte von dem, was sie in den letzten Vorkriegsjahren aus der Nordsee holte, an den Markt zu bringen — sofern sie nur mit den nötigen Kohlen stetig beliefert wird.

Während vor dem Kriege bei den zu bereiteten Fischen, besonders gesalzenen Heringen, der Zuschuss aus dem Auslands den Ertrag unserer eigenen Fischindustrie bedeutend überwog, lieferte damals das Ausland an frischen Fischen noch nicht ganz die gleiche Masse wie die deutsche Nordsee-, Ostsee-und Binnenfischerei zusammen. Im Durchschnitt der Jahre 1912 und 1913 betrug der Einfuhrüberschuss an Frischfischen 161.500 Tonnen — 3.230.000 Zentner —. Dagegen brachte die deutsche Fischerei aus der Nordsee 93.000 Tonnen, aus der Ostsee 37.000 Tonnen und aus den deutschen Binnengewässern etwa 40.000 Tonnen ein.

Etwas unabhängiger in der Fischversorgung sind wir heute schon vom Ausland geworden. Aber aus mancherlei naheliegenden Gründen ist dringend zu wünschen, dass wir in noch höherem Maße unseren Fischbedarf aus dem Eigenen decken. Bei der unzureichenden Belieferung der Lebensmittelmärkte unserer Städte ist die Aufnahmefähigkeit für Fische heute größer als vor dem Kriege; eiweißreiche Fischkost ist jetzt von besonderem Wert. Je mehr Dampfer den Segen des Meeres hereinholen, je reichlicher das Angebot wird, desto eher bleiben die Fischpreise auch für die breiten Massen unserer Bevölkerung erschwinglich. Nur zwei schwere Hemmnisse sind da. Das eine ist die wachsende Verteuerung der Dampferneubauten: heute kostet ein neuer Hochseefischdampfer von der jetzt gangbaren Größe schon etwa drei Millionen Mark, das heißt so viel, dass bei den jetzigen Fischpreisen kaum eine Rentabilität zu erzielen ist. Hier können nur Überteuerungszuschüsse aus der Reichskasse helfen. Das andere, noch schlimmere Hindernis ist der Kohlenmangel. In diesem Jahre ist die Zahl der Fangreisen schon mindestens um ein Viertel verringert worden, weil die Kohlen fehlten. Dabei könnte die deutsche Bevölkerung einen möglichst großen Zuschuss an Fischkost so dringend brauchen. Die Hungerblockade, die uns England während des Krieges auferlegte, dauert auch noch nach Friedenschluss an — nur in anderen Formen.

Beim Aussortieren und Kehlen.
Signalisieren.
Das Netz wird geöffnet.
Gründliches Abspülen.

Fischer, Beim Aussortieren und Kehlen

Fischer, Beim Aussortieren und Kehlen

Fischer, Das Netz wird geöffnet

Fischer, Das Netz wird geöffnet

Fischer, Signalisieren

Fischer, Signalisieren