Hamburger Maskenbälle

Es war im Winter von 1778 auf 1779, als der Direktor des Hamburger Theaters, jener berühmte Schröder, der nicht nur ein großer Künstler, sondern auch ein kluger und umsichtiger Geschäftsmann war, glänzende Maskenbälle in seinem Schauspielhause veranstaltete. Das Gebäude war in eine Reihe schöner, geschmackvoll dekorierter Säle umgeschaffen; gut besetzte Musikchöre forderten die Tanzlust der Jugend heraus; durch Maskenscherze, die der gewandte Schröder ohne jeden Schein von Absichtlichkeit durch die besten seiner Schauspieler ausführen ließ, wurde das Publikum zu ähnlichen Scherzen angeregt, und auf diesen Festen herrschte ein heiterer, ungezwungener Ton.

Traub und seine Frau versäumten keinen dieser Maskenbälle. Er führte sie hin, dann trennten sie sich, und dicht verhüllt mischte Jeder von ihnen sich in das bunteste Gewühl. Leas Mann war nicht eifersüchtig; er brauchte es auch nicht zu sein: denn wie sehr auch der Stolz seiner Frau, ihre Lust an Glanz und Schimmer, ihre Rücksichtslosigkeit gegen alle, die minder reich als sie, ihr Feinde gemacht und böse Zungen gegen sie gereizt hatten, ihren Ruf hatte Keiner anzutasten gewagt.


Die letzte Maskerade war die glänzendste; es kamen Szenen vor, die an italienische Karnevale erinnerten. Schröder selbst als Polonius aus Hamlet, lächerlich in Weiß gekleidet und einem wandelnden Schneemann? nicht unähnlich, sprudelte von Witz und Laune.

Maske, ich kenne dich, flüsterte ein in schwarzen Samt gekleideter weiblicher Domino einem männlichen Domino zu, der in nachlässiger Haltung an eine Säule der untersten Logenreihe gelehnt stand und das bunte Gewühl sah.

Mich zu kennen, ist leicht. Auf dem Maskenballe wie im Leben habe ich mich nie anders geben mögen, nicht besser, nicht schlechter, nicht geschmeidiger, nicht schroffer, als ich wirklich bin.

Das ist eine stolze Antwort.

Es ist wahr, einer so herrlichen Gestalt wie der deinen gegenüber sollte ich bescheidener sein; da sollte ich mich nicht geben, wie ich bin, nein, da sollte ich schmeichlerisch nach deiner Gunst streben.

Hast du noch nie geliebt, aufrichtige, Maske?

Ich habe geliebt, und ich liebe noch; ich liebe mit der Glut des Jünglings, mit der Treue des Mannes — die Naturwissenschaften.

Du bist ein Sonderling — und doch, ich habe dich, es sind beinahe vier Jahre her, im Theater von Celle gesehen. Da schienen dich ein Paar dunkle Augen und ein gar hässliches Gesicht mehr zu beschäftigen, als die Naturwissenschaften.

Ja, die Dame interessierte mich; sie steht noch immer vor meiner Phantasie, die schlanke, schöne Unbekannte. Ich fragte nach jenem Theaterabende Schröder, wer die Dame sei, die er vorher gegrüßt hatte; er war aber durch eine, Taktlosigkeit, die er durch die Wahl des Stückes begangen hatte, so außer Fassung gekommen, dass er sich nicht mehr darauf besinnen konnte. Es war ein eigener Zug in dem Gesichte jener Dame, ein Zug von Missmut, Unzufriedenheit; sie schien nicht glücklich.

Nicht glücklich, wiederholte die weibliche Maske.

Dann habe ich, sprach der männliche Domino lebhaft weiter, sie einige Male hier in Hamburg auf der Promenade gesehen, und auf dem vorletzten Maskenbälle streifte sie dicht an mir vorüber. Ich wollte ihr nach, aber zwei Senatoren fingen mich auf und banden mich durch ein Gespräch über einen Rechtsstreit fest, den ich zu meines Qual führen muss. Ich wünschte die beiden Mitglieder eines hochehrbaren Rates in eine recht entfernte Gegend, etwa dahin, wo der Pfeffer wächst. Ich hätte die unbekannte Dame gar zu gern wiedergesehen, gar zu gern gewusst, wer sie ist, wie sie heißt, wo sie wohnt, ob sie verheiratet ist, ob frei.

Die Naturwissenschaften, meine ernsthafte Maske, scheinen doch nicht deine einzige Liebe zu sein.

Höre, Domino, höre, du Schwarze, die wohl weiß, wie die dunkle Farbe ihre schlanke, edle Gestalt hebt, bist du jene Unbekannte aus dem Theater in Celle? Dann flehe ich dich an, folge mir in ein Nebenzimmer, dann entdecke dich mir, dann lass mich wissen, was diese Wolke von Missmut und Unzufriedenheit bedeutet, die damals einen Schleier auf die Rosen deiner Wangen warf. Und bist du noch heute unzufrieden, unglücklich, so rechne auf mich, wie auf einen felsenfesten Freund ... Und wenn du frei bist ... Ich bitte dich. Maske, folge mir!

Nicht hier, nicht heute. Wann hat der Doktor Helfert seine Sprechstunden?

Für dich immer, für dich in dieser Stunde.

Nein, morgen, Herr Doktor, erwarten Sie mich, morgen Mittag, während die Börse unsere Handelswelt zusammenruft.

Mit einem flüchtigen Gruße wandte sich die Dame ab und verlor sich, ehe der junge Mann sie zurückhalten konnte, in einem Schwarm von Masken, den eine Zigeunerin, die aus den Linien der Hand wahrsagte, um sich versammelt hatte.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Freitag-Abend