Familienleben

Es gab kein glücklicheres Ehepaar in Hamburg und wohl viele Meilen weit umher, als Moses und sein schönes, gutes Blümchen. Jeder Tag ihrer nun schon viele Jahre dauernden Ehe war ein Tag des Friedens und des Glückes. Zwei gesunde, kräftige Knaben waren ihnen geboren, und der alt werdende Elias rühmte sich, ein Paar prächtige Enkel zu haben. Daneben war es Moses durch seine vielerprobte Ehrlichkeit und seinen rastlosen Fleiß gelungen, sein Geschäft eines Maklers blühend und einträglich zu machen, und so konnte er das Leben seiner Lieben behaglich und freundlich gestalten.

David Traub und seine Gattin lebten in einem großen Hause in glänzenden Verhältnissen, ihr Reichtum konnte ihnen Vieles gewähren — aber Zufriedenheit fehlte ihnen. Nur im Anfang ihrer Ehe hatte ein freundliches Verhältnis zwischen ihnen bestanden, dann hatte Lea bald die Haltlosigkeit ihres Mannes, die innere Dürftigkeit, die bloß äußere, bloß an Phrasen und Formen sich lehnende Bildung, die er besaß, seine Sucht, reicher und immer reicher zu werden, durchschaut. In den ersten Jahren ihrer Ehe nur gleichgültig gegen ihn, verachtete sie jetzt sein oberflächliches und kaltes Wesen. Sie hatte einen ihr ergebenen Liebhaber an sich zu fesseln gehofft und fand — eine entsetzliche Enttäuschung ihres Stolzes —, dass den Gatten nicht allein ihre Schönheit bezaubert hatte, sondern auch der Gedanke an die Geldkisten ihres Vaters. Und David hatte ein geheimes Grauen vor seiner Frau. Sie war so schön, er hatte sich in der ersten Zeit ihrer Ehe so glücklich gefühlt im Besitze dieser Schönheit — jetzt hatte ihre Schönheit etwas Demütigendes für ihn. Sie war so klug, aber ihre Klugheit gestaltete sich Tag für Tag mehr zu Hohn für ihn. Er liebte das Geld, und sie verschwendete viel leichthin, um sich mit Glanz zu umgeben; er wusste Manches, aber sie schätzte sein Wissen gering und war ihm auch auf diesen Gebieten überlegen. Und ihre Ehe war kinderlos, keine gemeinsame Liebe baute Brücken zwischen ihren Herzen. Nur in Einem waren sie einig: Beide flohen gern die glänzende Einsamkeit ihres Hauses, Beide suchten Zerstreuung auf Reisen, im Schauspielhaus, in Gesellschaften, auf Bällen.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Freitag-Abend