Die Brautleute

Wenige Wochen später waren die Liebenden ein glückliches Brautpaar; der Vater Blümchens hatte gern auf die Werbung des Rabbi Elias von Wilna die Hand seiner Tochter in die Hand seines jungen Gastfreundes gelegt, den er als einen sehr tüchtigen und zuverlässigen Geschäftsmann kannte. Er wollte ihn mit einer Summe Geldes und mit dem ganzen Einflusse seines Kredits bei der Begründung eines eigenen Geschäftes unterstützen. — Auch Herr Aaron Königsberger versprach, die langjährigen und treuen Dienste, welche Moses seinem Hause geleistet, gern dadurch zu vergelten, dass er ihn, wenn er sich in Hamburg selbstständig niederlasse, in seinem Geschäfte, soweit er es vermöge, unterstützen wolle.

Da Lea durch ihren Vater erfuhr, dass Moses sich verlobt habe, erklärt sie dem alten Manne, sie wolle den Werbungen Traubs auch nicht länger widerstehen, sie glaube, dass er sie herzlich liebe, und so wolle sie gern seine Gattin werden. Ihr Vater war hoch erfreut. Du gibst mir einen Sohn wieder, meine gute Tochter! rief er freudig, statt meines Simon, dem die gierige Nordsee das Leben ausgesogen hat. Als Davids Vater und ich, zwei Junggesellen, zusammen bei Mendoza in Amsterdam auf dessen Schreibstube waren, versprachen wir uns oft beim Glase Wein: wenn wir beide verheiratet wären, und der eine hätte einen Sohn, der Andere eine Tochter, so sollten sie sich verheiraten. Was wir einander im Scherze versprochen haben, geht jetzt im Ernste in Erfüllung. Ich habe es immer gehofft, du und der David, Ihr würdet ein Paar werden. Ich habe ihn deshalb von Berlin kommen lassen. Und als ob du meine Wünsche erraten hättest, mein gutes Kind, wählst du gerade ihn. Es ist der einzige frohe Tag, den ich habe, seit mein Simon tot ist; Gott lasse ihn in Frieden ruhen!


Im Vorzimmer begegnete Lea, als sie eben ihren Vater verlassen hatte, Moses. Wir müssen uns gegenseitig Glück wünschen, Herr Moses, Ihr seid Bräutigam, ich bin Braut. David Traub, wie Ihr wisst, mein, eifriger Anbeter, erhält meine Hand. Wie heißt denn Eure Braut?

Blümchen, die Tochter des Ezechiel von Dorum.

Also war es nicht der Anfangsbuchstabe meines Namens, sagte sie vor sich hin, als sie allein auf ihrem Zimmer war, den er an jenem Tage, da ich ihn belauschte, wieder und immer wieder in die Erde grub! So hat sich mein scharfer Blick getäuscht... Sei’s darum, auch David wird mir Alles verdanken, auch seine Herrin werde ich sein.

Es war ein schöner Frühlingstag, als die Familie Ezechiels von Dorum abfuhr, um die Hochzeit der Tochter in Hamburg festlich zu begehen. Mit Tränen schied das junge Mädchen von dem Orte, wo sie geboren war, von den Genossinnen ihrer Jugend. In diese Gegend, welche deutschen Schiffen ihre beste Mannschaft liefert, hat die Furie, Glaubenshass, nie ihren blutigen Weg gefunden, es wohnt dort ein biederes, wohlgesinntes Geschlecht, das in dem Menschen den Menschen ehrt. Dieser Stamm so voll Ehrgefühl, dass der alte Chronist ihm nachrühmt, seine Männer erduldeten lieber den Tod, als den Schlag der Peitsche, hasste von jeher die Knechtschaft, die Knechtschaft, wo der Junker den unumschränkten Herrn spielt, die schlimmere Knechtschaft, wo der Heuchler Menschen gegen ihre Mitmenschen hetzt. So hatte Ezechiel von Dorum so viele Freunde, als Bauern im Orte waren, seine Tochter so viele Freundinnen, als junge Mädchen heranblühten. Ihren Wagen hatten sie mit Blumen geschmückt, junge Bursche begleiteten auf stattlichen Pferden die scheidende Braut, und auf der Grenze ihrer Feldmark riefen sie ihr ein schallendes Lebewohl zu.

Liebte ich ihn nicht so unendlich, sagte sie unter Tränen vor sich hin, ich, möchte diese braven Menschen nie verlassen.

In der deutsch-jüdischen Gemeinde in Hamburg wurden zwei Hochzeiten an einem Tage gefeiert. Die eine war die von David Traub mit Lea, die andere die von Moses und Blümchen. Die Hochzeit des Schwiegersohnes des reichen Handelsherrn wurde mit großem Aufwande gefeiert. Freude und Überfluss herrschte auf diesem Feste; nur Einer hatte Tränen für einen Toten — es war der alte Aaron, der auch, wenn er sich freute, des Sohnes gedenken musste.

Die Hochzeit des anderen Paares war still und einfach. Elias von Wilna ließ es sich nicht nehmen, seinen Pflegesohn zu trauen Der Mann war fast ein Greis geworden, sein Haar ergraut. Mit wie ganz andern Gefühlen stand er diesmal unter dem Trauhimmel, als damals vor so vielen Jahren, wo er mit männlicher Selbstüberwindung seine Geliebte einem Andern zusprach und für den glücklichen Nebenbuhler den Segen des Himmels herabflehte! Und der jetzt vor ihm stand, ein stattlicher Mann seine Züge verklärt von dem Glücke, ein so schönes Mädchen sein nennen zu dürfen, war jener polnische Knabe, den er für ein menschliches, würdiges Leben gerettet, welcher der Sohn seines Herzens geworden war.

Als die Zeremonie der Trauung zu Ende war, trat Elias zu dem jungen Ehemanne und reichte ihm einen Dukaten, der das polnische Wappen trug. Er ist von Peter Mickloff, dem Wundarzte, dem Freunde deines Vaters, der in Frieden ruhen möge. Ich habe den Wundarzt nur wenige Stunden gekannt, aber ich darf sagen, er ist auch mein Freund geworden. So nimm dieses Goldstück und gedenke stets dabei des edlen Mannes, der seine ganze Habe für dich hingegeben hat. Dir selbst aber will ich ein altes jüdisches Sprichwort mit in deinen Ehestand geben: Selbst der arme Weber ist ein Fürst in seinem Hause. So freue dich auch ohne Glanz und Gold deiner Liebe, deines Hauses wie ein Fürst. Ist auch Israel wohl einem Weber zu vergleichen: hat es doch zuerst an dem ewigen Teppich der Gottes-Erkenntnis gewebt!
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Freitag-Abend