Mecklenburg-Strelitz, den 2. Januar 1826

Binnen kurzem haben sich in unserem Großherzogtum verschiedene merkwürdige Vorfälle ereignet, worunter leider auch einige Selbstmorde begriffen sind. Aus dem letzteren ist jedoch im allgemeinen keine erhebliche Schlussfolge zu ziehen, da die Veranlassungen dazu einen verschiedenartigen Ursprung haben. Wer könnte den Hinterbliebenen Angehörigen wohl die herzlichste Teilnahme versagen, und wer so unchristlich sein, die unglücklichen Opfer, die sich selbst die große irdische Strafe auferlege und demnächst sich freiwillig dem höchsten Richter überliefern, mit Verwünschungen und Entehrungen zu belasten!

Einen neuen Beweis, dass man hienieden keinen vor dem Tode glücklich preisen soll, gibt uns das nachstehende Beispiel. Ein bekannter unterer Staatsdiener, der sich seines Diensteifers und unbescholtenen Lebenswandels wegen die allgemeine Achtung und besonders das Zutrauen seiner Oberen zu verschaffen gewusst, hatte sich zugleich den Namen eines Glückskindes in der Lotterie dadurch erworben, dass ihm seit mehreren Jahren einige bedeutende Gewinne zugefallen, die man auf 40.000 Rthlr. anschlug. Dass er viele Lose gespielt, wusste man wohl, indessen ließen sich von den Zinsen der gewonnenen Kapitalien, die er ins Spiel zu stecken vorgab, auch bedeutende Lose bestreiten. Jetzt, da dieses so beneidete Glückskind plötzlich den Schauplatz verlassen, ergibt sich bei der Abnahme seines Nachlasses ein so bedeutendes Defizit — das sich beiläufig weit über 100.000 Rthlr. belaufen soll (?) — dessen Ursprung wahrscheinlich größtenteils vom Lotteriespiel herrührt. Zu bewundern ist hierbei, wie sich nach Befinden selbst die vorsichtigsten Leute beeilt haben, diesem Manne ihre Kapitalien, sogar Kindergelder anzuvertrauen, da derselbe durchaus keine anderweitige reelle Sicherheit, als die ihm höheren Ortes und vermöge seines Dienstes anvertrauten Fonds darzustellen im Stande war, was doch eher Verdacht hätte erregen müssen. — So lange unsere landschaftlichen und städtischen Hypothekenbücher noch nicht in Ordnung sind, lebt manche Witwe und Waise, (anderer nicht zu gedenken) in Gefahr, das Ihrige zu verlieren, und manches Kapital wanden ins Ausland, oder ins Blaue hinein, weil es im Lande an Gelegenheit fehlt, es sicher unterzubringen.


Auch eine andere Begebenheit erregt Interesse. Ein sich seit Jahren hier aufhallender Ökonom, aus Berlin gebürtig, gibt in Neubrandenburg einen Brief mit angeblich 7.500 Rthlr. in preußischen Staatsschuldscheinen auf die Post. Zufällig befindet sich der Absender des anderen Tagen in Neustrelitz und zwar im Hause des dortigen Postmeisters, wo solcher als Hausfreund zu verkehren pflegt und hilft dessen Sekretär sogar die Post expedieren, bei welcher Gelegenheit ihm sein Brief unversehrt in die Augen fällt. Beim Öffnen des Briefbeutels in Berlin wird der gedachte inhaltschwere Brief aber vermisst und der Vorfall schleunigst zurückberichtet. Sowohl der Postmeister in Neustrelitz als der Absender befinden sich in der größten Bestürzung. Den letzteren hat man scharf ins Gebet genommen und konnte derselbe weder die Nummer der Staatsschuldscheine namhaft machen, noch Rechnungen der Verkäufer derselben aufweisen; demohngeachtet hat er sich auf alle sonst erdenkliche Art von dem Verdachte irgend einer ihm hierbei zur last fallenden Unredlichkeit zu entledigen bemüht. Um ferner wertige Beweismittel seiner reinen Sache aufzutreiben, hat man ihn abreisen lassen, und steht nun das Weitere zu erwarten.

Eben erfährt man, dass dieser Mann sich freiwillig in Arrest begeben und selbst auf die strengste Untersuchung um Aufhellung der Sache etc. dringe.