5. Der Kampf auf dem Berg Brgat.

Mit fieberhafter Eile befestigte nun General Lauriston sein Lager auf dem steilen und uneinnehmbaren Berge Brgat. Dieser Gipfel beherrschte vollständig Ragusa nebst der ganzen Umgebung, wie auch den Hafen Gravosa. Von keiner Seite konnte das französische Heer überrascht werden. Die Linie vom Meer bis zur türkischen Grenze hatten die Franzosen besetzt. Diese Linie war sehr gut. Weil sie kurz war, konnte sie desto besser und stärker befestigt werden. Der rechte Flügel der Armee erstreckte sich bis zum Meer und der linke bis zur herzegovinischen Grenze, welche von der verbündeten Armee nicht überschritten werden durfte. Von hinten konnten die Franzosen keineswegs angegriffen werden; ebenso nicht von rechts und links. Und vor ihnen befanden sich steile und unzugängliche Abhänge. Günstigere Lage konnte man sich nicht denken.

Während dieser ganzen Zeit weilte Admiral Senjavin mit der Flotte in Triest. Erst nach dem Kampf von Zavtat erhielt er die Kunde, dass die Franzosen ihm zuvorgekommen seien und Ragusa bereits eingenommen hätten. Rasch kehrte er nach Cattaro zurück, von dort zog er dann weiter und traf am 12. Juni vor Ragusa ein.


Sofort suchte Senjavin den Vladika auf, um sich über den Stand der Dinge zu erkundigen. Die Montenegriner hatten sich nämlich nicht von den Franzosen abgekehrt; sie nahmen vielmehr Aufstellung am südöstlichen Fusse des Brgat, wohin sich der Feind zurückgezogen hatte. Mit ihnen waren auch die Russen, etwa 1200 Mann, unter dem Major Sabjelin. Die Zahl der Montenegriner samt den Bokelen belief sich auf 3500 Mann. Vladika Peter war der Meinung, man müsse den Feind so schnell wie möglich angreifen, bevor er seine Befestigung beendet und Verstärkung aus dem Norden erhalten hätte. Der Admiral war damit einverstanden. Der Angriff sollte schon am nächsten Tage ausgeführt werden. Den Oberbefehl über das reguläre russische Heer übernahm Fürst Vjasemski, der gerade von Korfu gekommen war.

Am 17. Juni in aller Frühe entsandte der Vladika eine Abteilung Montenegriner, damit sie sich, wenn möglich, wenigstens des vordersten französischen Postens bemächtige. Der Feind war nämlich in vier Gefechtsabteilungen gegliedert. Die Montenegriner stürzten leidenschaftlich auf den ersten Posten los, zersprengten ihn und drangen sofort gegen den zweiten vor. Die Franzosen wollten sie offenbar etwas mehr in ihre unmittelbare Nähe locken. Vladika und Vjasemski sahen ein, dass die Lage dieser tapferen Abteilung jetzt sehr gefährlich, fast verzweifelt war. Sie sandten derselben einen Trupp Jäger zu Hilfe. Diese gerieten aber bald in dieselbe gefährliche Lage. Ein türkischer Offizier benachrichtigte den Vladika von dem Nahen einer Verstärkung für die Franzosen. Die Verbündeten sahen, dass sie keine Stunde mehr säumen dürften. Blitzartig bestieg Vladika den eroberten Posten. Die vorgerückten Montenegriner sahen ihren Vladika ihnen zu Hilfe kommen und fassten neuen Mut.[29] Der linke Flügel wurde angegriffen. Lauriston erwartete keineswegs den Angriff von dieser Seite. Er rückte seine Truppen nach links. Französische Batterien feuerten unaufhörlich. Nur ein Schritt zurück hätte für die Slaven Vernichtung bedeutet. Sie mussten also vorwärtsklettern. An einen Rückzug konnte man nicht im geringsten denken. Die Situation war also für die Slaven äusserst schwierig. Inzwischen aber erschien das übrige russische reguläre Heer auf dem Berg. Ein donnerndes «Hurra» erscholl hinter den Montenegrinern und Bokelen. Die Franzosen waren überrascht und erstaunt, doch nicht verworren. In guter Ordnung kämpften sie immer noch tapfer. Mit Schrecken aber sahen sie, wie das unreguläre Heer tollkühn ihrer Festung nahte. Es dauerte nicht lange, und sie erblickten es in unmittelbarer Nähe ihrer Schanze. Nur einen Augenblick zögerten die Montenegriner, bis sich das ganze verbündete Heer gesammelt hatte; dann aber wurde mit einem Schlag die französische Redoute, die mit 10 Kanonen bewaffnet war, erstürmt.[30] Die Franzosen zogen sich zurück und liessen ihre drei Positionen im Stich. Es blieb ihnen nur noch eine vierte am Fusse des Berges, gerade oberhalb von Ragusa. Unterdessen vereinigte sich mit ihnen die gerade angekommene Verstärkungstruppe. Daher fassten sie allen Mut zusammen und griffen die Slaven an, wurden aber wieder bis zu ihrer vierten Position zurückgeschlagen, wo sie haltmachten, doch ohne jede Hoffnung verloren zu haben. Nicht mehr als eine Viertelstunde vermochten sie von da aus Widerstand zu leisten. Die vierte Position wurde erstürmt, die Franzosen auseinandergetrieben. Ungeordnet und verwirrt flohen sie der Stadt zu. Viele Montenegriner kamen ihnen zuvor und legten sich an der Strasse in den Hinterhalt, um ihnen den Einzug in die Stadt zu verwehren. Unter zahlreichen Verlusten bemächtigten sich die Franzosen dennoch gegen 7 Uhr abends Ragusas.

Es herrschte eine unerträgliche Hitze an jenem Tage, was in dieser Gegend nicht selten ist. Gleichwohl dauerte der Kampf unaufhörlich vom Morgen bis zum Abend fort. Die französischen Verluste waren gross. 800 Tote und Verwundete hatten sie (die Ragusaner mitgerechnet), unter welchen 18 Offiziere sich befanden; zu diesen zählte auch General Delgogne. 90 wurden gefangen genommen. Die Russen verloren 16 Gemeine und einen Offizier, zudem zählten sie 33 Verwundete. Die Montenegriner und Bokelen büssten etwa 120 Mann ein.

So endete dieser blutige Kampf vom 17. Juni, dessen furchtbares Ende Lauriston an dem Vorabend nicht vermuten konnte: Er und seine ganze Armee war von allen Seiten eingeschlossen. Diese Belagerung soll uns im Folgenden beschäftigen.