3. Peter I. und seine Beziehungen zu den Grossmächten.

Um zu erklären, warum der Vladika Peter in dieser Zeit ohne weiteres für den Kampf gegen die Franzosen energisch eintrat, muss man seine Beziehungen zu den Grossmächten kennen lernen. Peter Petrovic Njegosch übernahm die Staatsverwaltung nach dem Tode seines Vetters, des Vladika Javva 1782. Es war damals eine ungemein schwierige Zeit für Montenegro. Die Gefahr drohte von dem Ikadarsee her, von dem Vezir von Ikadar Mahmut-pascha Buschatlia..[14] Dieser war dem Sultan abtrünnig geworden und herrschte in der Ikadarprovinz nach eigener Willkür. Als ein Schreckbild und eine höllische Geissel wurde er von allen Nachbarn angesehen und gefürchtet. Die montenegrinische Grenze war nie ruhig und sicher vor seinen Banden.

Vladika Peter, angesichts der vom Pascha von Ikadar drohenden Gefahr, entschloss sich in Russland Hilfe zu suchen. Er hoffte viel für sein Land von Ekaterina II. Auf Befehl aber des launischen Fürsten Potemkin wurde er von Petersburg binnen 24 Stunden ausgewiesen, ohne die Kaiserin gesehen zu haben.


Als im Jahre 1788 Russland und Oesterreich mit der Türkei in Krieg gerieten, sandten beide Höfe, Petersburg und Wien, ihre Boten nach Montenegro, um den Vladika für den Krieg gegen den gemeinsamen Feind zu gewinnen. Joseph II. schrieb an den Vladika, dass er die Absicht habe, die unterjochten Christen zu befreien und sie zu Teilnehmern jener Vorteile zu machen, die seine Untertanen genössen; er bat den Vladika, an dem Krieg teilzunehmen[15]. Ekaterina sandte den General-Lieutnant Tutolmin zum Vladika, «damit er Euch,» wie sie schrieb,[16] «Unserer kaiserlichen Gnade und Unseres Wohlwollens versichert, und wenn der Glaube, den die Ungläubigen schänden, wenn die Freiheit, die sie bedrohen und unterdrücken ... Euch bewegen, mit uns an dem Krieg teilzunehmen gegen christliche Feinde, dann wird er (Tutolmin) mit Euch verabreden, was die Bewaffnung eines Heeres betrifft; Ihr sollt ihm Euer Vertrauen schenken und auch überzeugt sein, dass Wir Euch nie vergessen, sondern stets Sorge tragen werden um Eure Sicherheit.»

Vladika Peter mit seinem Volk erklärte sich bereit, dem Rufe zweier Höfe zu folgen. Er tat alles mögliche, um dem österreichischen General Vukasovic bei seinen Operationen gegen die Türken von Montenegro aus beizustehen. Mit seinen Truppen und mit allen Mitteln, die ihm zur Verfügung standen, unterstützte er die österreichische Armee. Für diesen Dienst gewann er aber weder während des Krieges noch nach dem Frieden in Jasch irgendwelchen Vorteil für sein Land, ausgenommen eine Masse von Kriegsmaterial, das ihm die Oesterreicher hinterliessen, und das er gut in späteren Kämpfen gegen die Türken brauchen konnte. Viel mehr Nachteile musste er erleiden. Er zog sich nämlich den Groll der Türken zu, die nun nach Rache gegen Montenegro trachteten, da es von Russen und Oesterreichern nach dem abgeschlossenen Frieden verlassen ward. Nach vierjährigen Kämpfen kam es schliesslich zu einer gewaltigen Schlacht zwischen Montenegrinern und Mahmut-pascha im Dorfe Krusse (1796), wo die Montenegriner den glänzendsten Sieg in ihrer ganzen Geschichte davontrugen. Es stritten 6000 Montenegriner gegen 30,000 Türken. Von diesen fielen in der Schlacht 3000, unter ihnen der Pascha selbst, dessen Kopf immer noch in Cetinje als Siegestrophäe aufbewahrt wird.

Seitdem liessen die Türken Montenegro in Ruhe. Selim III. erkannte selbst die Unabhängigkeit Montenegros an und bezeugte in seinem Schreiben: «Montenegro war nie unserer Hohen Pforte untertan.»[17]

Nach dieser berühmten Schlacht begann die militärische Tüchtigkeit und der Mut der Montenegriner auch die Aufmerksamkeit der Machthaber Europas auf sich zu ziehen. Die russische Diplomatie, die nach dem Frieden zu Jasch Montenegro vollständig sich selbst überlassen hatte—trotz der oben erwähnten Versicherung Ekatarinas—brachte jetzt alle Huldigungen den Montenegrinern und ihrem Vladika dar. So erliess der Zar Paul im Jahre 1798 ein Schreiben[18] an den Vladika, in dem er diesen und sein Volk seiner kaiserlichen Gunst versicherte. Derselbe Kaiser versprach dem Vladika in einem andern Schreiben[19] vom 23. Januar 1799, eine jährliche Subvention von 1000 Dukaten. «Wir haben», sagt Paul, «gnädigst befohlen, dass man Euch aus Unserer Kasse vom 1. Januar 1799 an, am Schlusse jedes Jahres, je 1000 Dukaten aushändigt, indem wir voraussetzen, dass das Geld zum gemeinsamen nationalen Nutzen gebraucht werden wird.» Dieses wurde auch von dem Kaiser Alexander I. bestätigt, kurz darauf aber suspendiert, da im Herbst 1803 der Vladika Peter bei dem Kaiser verleumdet wurde, dass er angeblich seine bischöfliche Pflicht ganz vernachlässigt habe und nun im Verein mit seinem Sekretär, dem katholischen Abbat Dolci (der ein dalmatinischer Serbe war), danach trachte, Montenegro an die Franzosen um 25,000 Dukaten auszuliefern. Alexander sandte sofort seinen Agenten nach Cetinje mit einem Schreiben[20] vom 7. November 1803, in dem es heisst: «Wir sind beunruhigt durch die glaubwürdige Nachricht, die zu Uns gekommen ist und Uns bezeugt hat, dass die herrschsüchtigen Fremden—die leider mitten in Montenegro die Unterstützung von manchen Leuten finden, die sich mit ruchlosen Absichten tragen—das montenegrinische Volk und seine Unabhängigkeit mit Vernichtung bedrohen ... Durch den Wunsch bewogen, diese Gefahr abzuwenden, haben wir nach Montenegro unsern Kommissär, den General-Lieutnant Graf Svelic mit dem Auftrag gesandt, die Montenegriner und Bergleute unseres unaufhörlichen Wohlwollens gegen sie zu versichern, die ihnen drohende Gefahr zu zeigen und den geeigneten Weg zu ihrem Nutzen und Ruhm zu weisen.»

Der russische heilige Synod glaubte in diese Angelegenheit selbst eingreifen zu müssen. Er erliess an den Vladika Peter ein unerhört vermessenes Schreiben,[21] in dem er dem Vladika Vorwürfe machte, die Gnade und den Grossmut der russischen Zaren und des Synods selbst vergessen, die vom Synod an Montenegro geschenkten Kirchengeräte und -gewänder veräussert, Klöster und Kirchen, Gottesdienst und Kirchenzeremonien vernachlässigt zu haben. «Darum ladet Euch der heilige Synod», heisst es dann, «durch diesen Brief vor sein Gericht, damit Ihr Euch rechtfertiget, wenn Ihr Euch unschuldig wisset, oder andernfalls Euch durch Busse reiniget. Falls Ihr diesen Befehl nicht befolget, wird der heilige Synod Euern Ungehorsam als Beweis Eurer Absichten gegen die Religion, gegen das Gesetz und gegen Euer Vaterland und als ein Zeichen Eurer Zuneigung zu dem feindlichen Volke ansehen. Und darum wird sich der heilige Synod gezwungen sehen, Euch als unwürdigen Sohn der heiligen Kirche und als Verräter Eures Vaterlandes zu betrachten, Euch Eures Amtes zu entheben und aus der Kirche zu exkommunizieren.»

Die montenegrinischen Volksgubernatoren entsandten eine in der Tat vornehme und ritterliche Antwort dem Kaiser wie auch dem Synod. Diese Briefe sind von unschätzbarem Wert, da sie am besten illustrieren, wie das montenegrinische Volk seine Beziehungen zu dem russischen Volke und zu der russischen Kirche auffasste. Wir gestatten uns hier nur folgenden Auszug aus der Antwort an den heiligen Synod. Nachdem der Synod an alle Misshelligkeiten und Misszustände in seiner eigenen Kirche erinnert worden ist, und nach einem köstlich sarkastischen Vergleich der russischen Bischöfe, die in «vergoldeten Wagen im Luxus und Prunk fahren», mit dem montenegrinischen Bischof, der «zu Fuss und im Schweisse seines Angesichtes die steilen Berge erklimmen muss, um das Volk zu trösten und zu belehren», wird folgendermassen fortgefahren: «Bis jetzt haben wir nicht gehört, dass der russische Synod ein Richterrecht hat über das xaveno-serbische Volk, das ausserhalb der russischen Grenzen lebt. Darum hat er auch kein Recht über uns. Denn wir, das Volk in Montenegro und den Bergen, sind nicht Untertanen des russischen Reiches, sondern wir stehen bloss in seinem moralischen Schutz, und zwar dieses nicht aus einem anderen Grunde, sondern nur aus Gleichheit des Glaubens und des Volksstammes. Sollte Russland uns von sich zurückstossen, was wir nicht hoffen, werden wir doch Russland treu bleiben, solange der orthodoxe Glaube dort herrschen würde, aber immer nur unter der Bedingung, dass wir nie und nimmer Russland Untertan sein sollen wie die anderen Völker seines Reiches. Wir sind bereit, unsere von unseren Vorahnen mühsam erhaltene Freiheit bis zum Tode zu verteidigen und lieber mit dem Schwert in der Hand zu sterben, als uns in schändliche Sklaverei irgend einer Macht der Welt zu begeben.» Und dann heisst es weiter: «Bis heute hat niemand unseren Bischof vor das Gericht des russischen Synods zu stellen vermocht. Dies werden wir auch jetzt nicht dulden. Hätte er in irgend etwas gefehlt—wie er bei Euch ungerechterweise verleumdet wurde—, so könnten wir selbst ihn richten, und zwar nicht als den Bischof, sondern als den einfachsten Bürger unter uns.»

Der inquisitorische Synod wagte nach dieser Antwort keine weiteren Schritte, obwohl er durch seinen Boten dem Vladika mündlich drohte, ihn nach Sibirien zu vertreiben.[22]

Der Kaiser war taktvoller und überlegener. Er befahl (nachdem er den Brief von dem Vladika erhalten hatte) seinem Konsul in Cattaro, Masurevski mit Namen, nach Cetinje zu gehen und den Vladika zu beruhigen.[23]

In der Tat hegte der Vladika zu dieser Zeit gewisse Hoffnung auf den ersten Konsul. Bonaparte war ganz gut unterrichtet von der militärischen Macht Montenegros. Im Jahre 1803 entsandte Bonaparte einen Offizier, Félix de Laprade, nach Montenegro, um mit dem Vladika ein Bündnis zu Werke zu bringen. Zu derselben Zeit waren die französischen Agenten, Berthier und Pouqueville, die im Auftrag Bonapartes mit Peter I. gewisse Verhandlungen anstellten, in Ragusa. Der lebendige Wunsch der Montenegriner, mit den Bokelen ein Staatswesen zu bilden, war Bonaparte bekannt. Diesen Wunsch legte er darum seinen Verhandlungen zugrunde. Er versprach, die Bocca Montenegro zu überlassen, und übertrug dem Vladika alle Ehren. Bonaparte beabsichtigte, mit Oesterreich und mit der Türkei nacheinander zu kämpfen. Im einen wie im anderen Falle konnten die Montenegriner ihm von unermesslichem Nutzen sein, sei es mit bewaffneter Macht, sei es mit dem Einfluss des Vladika in der Bocca wie in der Herzegovina.[24]

Die Unterhandlungen stockten. Der Vladika sandte einen Deputierten zu Bonaparte. Talleyrand empfing denselben freundlich, gab ihm aber keine entschiedene und klare Antwort, wie Peter erwartet hatte. Warum Bonaparte die Sache in die Länge zog, ist nicht sicher. Es war ein Moment der Spannung zwischen Montenegro und Russland. Er hatte die beste Gelegenheit, diesen Moment auszunützen. Das hatte er angefangen, aber nicht bis zum Ende durchgeführt. Sei dem wie es wolle, sicher aber ist, dass der Vladika, dem sich Bonaparte verschloss, von nun an die Franzosen als Feinde ansah und schon mit der Möglichkeit eines Zusammenstosses mit denselben in der Bocca rechnete.[25]

Auch zu Oesterreich hatte Vladika Peter keine klaren und ungetrübten Beziehungen. Seitdem er mit Mahmut-pascha fertig war, und seitdem Oesterreich die Bocca okkupiert hatte, gab es oft Grenzkonflikte zwischen Montenegrinern und Oesterreichern. Denn nachdem der Vladika sein Land vor den Türken gesichert hatte, richtete er sein Augenmerk ausschliesslich auf die Bocca. Die Bocca zu befreien und mit Montenegro zu vereinigen, war sein einziges Streben. Nur angesichts dieses Ideals ist verständlich, warum er Beziehungen mit Bonaparte mit Eifer unterhielt und warum er es zu Grenzkonflikten mit den Oesterreichern kommen liess. Den österreichischen Verwalter Dalmatiens, Bardy, kostete es viel Geschick und Mühe, den Ausbruch eines Krieges mit Montenegro zu verhindern oder zu verschieben.

So war am Anfang des Jahres 1805 für Russland immer noch die Möglichkeit gegeben, seine Beziehungen zu Montenegro wieder herzustellen. Alexander liess auch diesen Augenblick nicht unbenutzt. Bald nach der Versöhnungsmission Masurevskis nach Cetinje traf in der Hauptstadt Montenegros im März 1805 ein Gesandter aus Petersburg ein, der Staatsrat Stephan Sankovski, dessen Namen wir bereits erwähnt haben. Alexander eröffnete den Plan, Napoleon zu bekriegen und «Europa zu befreien». Er sandte Sankovski nach Cetinje, um Montenegro für die eventuelle Aktion für sich zu gewinnen.[26] Sankovskis besondere Mission bestand natürlich darin, den Vladika günstig gegen Russland zu stimmen. Sankovski brachte 3000 Dukaten mit sich, eine Summe, welche seit 1802 an Montenegro nicht bezahlt worden war.[27] In einem Schreiben, das Alexander an das Volk in Montenegro richtete, hiess es: «Immer bereit, euch Unsere Gunst zu bezeugen, haben Wir eurem Wunsche in bezug auf den Metropoliten gerne Folge geleistet, indem Wir demselben Bischof Unser kaiserliches Wohlwollen wieder geschenkt haben. Wir sind im übrigen überzeugt, dass Wir weder wegen seines Betragens noch dessen aller uns lieben Mitglieder des montenegrinischen Staatsrates nicht nur nicht irgend einen Anlass zum Verdacht oder zur Unzufriedenheit finden, sondern im Gegenteil, dass Wir immer in ihnen würdige Nachfolger jener Montenegriner erkennen werden, die Unseren Vorgängern die Beweise unverbrüchlicher Anhänglichkeit und Ergebenheit dem russischen Reich gegeben haben.»[28]

Die Mission Sankovskis war eine lange und schwierige, denn die Verstimmung des Vladika gegen Russland war gross. Seine Mission wurde aber erleichtert durch die Entwicklung der Ereignisse. Als die bokelische Deputation nach Cetinje kam, um um Hilfe zu bitten, war Sankovski seinem Ziele nahe. Der Vladika liebte die Bocca und die Bokelen und wollte ihnen nach besten Kräften helfen. Franzosen und Oesterreicher waren seine Feinde, also musste er nolens-volens wieder den Russen sich anschliessen.