Großmächte und Kriegsgefahr

Aber Russland hat angefangen. Es wäre besser ausgedrückt: Russland hat den Krieg veranlasst durch ein übermütiges Auftreten und Frankreich hat ihn gewollt. Französisch oder kosakisch! -

Und wie wäre es, wenn Russland den Krieg hätte beginnen müssen, wenn ihn Frankreich hätte wollen müssen?


Es geht leicht über die Zunge, zu sagen: Der Zar hat sich über die Stimmung in Europa und über die Widerstandskraft der Türken getäuscht.

Beides ist möglich; er mag nicht an eine Allianz Frankreichs und Englands, er mag an eine größere Willfährigkeit Österreichs und Preußens geglaubt, er mag sich in der Form des Napoleonischen Ehrgeizes versehen haben; er mag vor der feigen Politik der Besiegenden keinen Respekt gehabt haben; er kann auch mehr von den Männern erwartet haben, welche in Deutschland russischer sind, als die Russen und an die konservative Natur des Zarenreichs glauben.
Es wäre ein Irrtum gewesen, den er mit vielen Staatsmännern teilte; und ein Irrtum ließe sich redressieren.

Wie aber, wenn er sich nicht täuschte, wenn er den Krieg doch hätte anfangen müssen?

Vielleicht braucht Russland auch in seiner Weise ein Jahr 1848, welches der Zar dulden muss, wenn er es auch nicht will. Wie die Deutschen von Zeit zu Zeit eine Reformation oder eine Rebellion machen müssen, muss der Russe von Zeit zu Zeit nach Konstantinopel ziehen; als Nation fühlt sich der Russe nur im Ausland und im Kampf mit dem Ausland.

Wie? wenn Russland gezwungen wäre, den Kampf anzufangen, wenn Frankreich gezwungen wäre, ihn zu wollen, um der Stimmung des eigenen Landes willen, um der Konsolidierung des neuen Imperatorentums ?
Die falschen politischen Strömungen, die Faktionen, die Zusammenhangslosigkeit hören auf, wenn Krieg ist, wenn wirkliche Opfer gebracht werden müssen.

Ist dies der Fall, so ist der Frieden nur zu erhalten durch den Krieg. Und wir glauben es.

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Was haben bei diesem Zustand die Kabinette der vereinigten deutschen Großmacht, was haben die deutschen Völker zu tun?
Die vereinigte deutsche Großmacht muss die Europäische Allianz gegen Russland zurückweisen und eine dritte Partei bilden, mit einem festen Programm. Keine deutsche Macht, auch Österreich und Preußen nicht, darf für sich allein unterhandeln, oder wenn es zum Kriege kommt, für sich allein Krieg führen oder Frieden schließen.

Die vereinigte deutsche Großmacht erklärt sich für neutral, aber nur so lange die Integrität des türkischen Reiches und die volle Ruhe des eignen deutschen und nicht deutschen Gebietes besteht.

Eine Machtvergrößerung Russlands an der Donau oder die Bildung eines Afterreiches aus Stücken der Türkei ist Kriegsfall gegen jeden Staat, welcher eine solche neue Staatenbildung unterstützen würde. Die vereinigte deutsche Großmacht garantiert sich ihre Besitzungen gegenseitig und drückt gemeinsam alle etwaigen Bewegungen in Italien oder in andern nicht deutschen Besitzungen nieder. Eine Macht, welche solche Bewegungen unterstützen würde, ist Feind des ganzen Bundes.

Um ihre Absichten sogleich selbst kund zu tun, stellt die vereinigte deutsche Großmacht eine Armee an der Donau auf und besetzt Serbien in dem Falle, dass die Rebellion der türkischen Untertanen um sich greifen sollte. Diese Bundesarmee an der Donau besteht der Mehrzahl nach aus Österreichischen Truppen, die jedoch durch ein halbes preußisches und halbes deutsches Armeekorps verstärkt werden.

Der Schutz der türkischen Regierung gegen ihre aufständischen Untertanen geschieht teils aus Freundschaftsdienst gegen die Pforte, teils zur eigenen Sicherung. Sie impliziert noch keinen Kriegsfall gegen Russland, denn es kann nicht angenommen werden, dass sich Russland mit der Rebellion verbinden wolle; und vertrüge sich nicht mit dem Begriff der Neutralität, wenn die vereinigte deutsche Großmacht einen der kriegführenden Teile in der Kriegführung selbst unterstützen wollte. Eine ähnliche Armee der vereinigten deutschen Großmacht wird an der preußisch- russischen Grenze aufgestellt, und ebenso in Italien wie an diesen Grenzen ungewöhnliche Truppenzusammenziehungen Russlands und Frankreichs stattfinden.

Bei einem etwaigen Friedensvertrage konkurriert die deutsche Großmacht als solche, sowohl in vermittelnder Weise, als zur Wahrung eigener Interessen. Dahin gehören zwei Punkte, dass der Zustand der christlichen Untertanen jeder Konfession im türkischen Reiche unter Konkurrenz aller Europäischen Mächte definitiv festgestellt werde; dass die bestehenden aber nicht redlich eingehaltenen Verträge mit Russland in Bezug auf die freie Schifffahrt auf der Donau bis in das Schwarze Meer aufrechterhalten und uns umstößlich reguliert werden.