September 1806. - Marsch an die Elbe. - Berlin. - Bei Wittenberg über die Elbe. - Marsch nach Leipzig und Nauenburg. - Durch die Ebene vor Lützen. - Der Schwedenstein, das Todtenmahl Gustav Adolf's. - Der Generalstab zu Bamberg. - Krieg oder Frieden.

Es war in der Mitte des Septembers 1806. als das Regiment, bei welchem ich damals stand, seinen bisherigen Aufenthalt verließ, um den Marsch nach der Elbe anzutreten. Am 19. trafen wir in Berlin ein. Ueberall, vorzüglich in der Hauptstadt, sah man Zurüstungen und Durchmärsche von Truppen. Jedermann sprach vom Kriege, jeder hielt ihn für nothwendig und unvermeidlich. - Aber werden wir wirklich Krieg haben mit Frankreich, oder nicht? Noch immer weis man öffentlich nichts bestimmtes darüber; aber eine große Wahrscheinlichkeit spricht für den Ausbruch des Kriegs. Die gemeinen Soldaten freuen sich darauf, und die jungen Officiere sprechen von einer leichten Arbeit, denn sie kennen den Feind nicht, mit dem sie schlagen wollen; nur die Generale und älteren Officiere wünschen gröstentheils die Erhaltung des goldenen Friedens, um ihr reichliches Einkommen noch recht lange in Ruhe genießen zu können. Auf was für Resultate führen diese Beobachtungen? welche Hoffnungen lassen sich darauf gründen? Immer ist dieser Krieg, wenn er wirklich ausbricht, auf Seiten Preußens ein furchtbarer Schritt von nicht zu berechnenden Folgen.

Bei Wittenberg gingen wir über die Elbe das war der dritte Uebergang über diesen Strom, in einem Zeitraum von zehn Monathen; und wer weis, wie oft wir ihn noch wiederhohlen! Jenseit der Elbe verändert sich die Fisionomie des Landes; der Boden wird fetter und fruchtbarer, das Ansehn der Dörfer wohlhabender, und der Schlag der Menschen und Pferde stärker und schöner.


Ohne einen andern Aufenthalt, als die gewöhnlichen Ruhetage, sezten wir unsern Marsch über Leipzig nach Nauenburg fort. Einen tiefen erschütternden Eindruck auf mich, machte der Anblick der schönen und berühmten Ebene vor Lüzzen. Mit Ehrfurchtsvollem Schauer betrat ich die heilige Erde, wo ein edler Fürst, mitten in der Glorie des Siegs, sein Heldenleben beschloß; und hinter Leichenhügeln das Morgenlicht der Denkfreyheit und Aufklärung am Horizonte Teutschlands freundlich hervorging. Der sogenannte Schwedenstein, links an der Chaussee, da wo ein kleiner Feldweg abgeht, das Todtenmahl Gustaf Adolf’s, ist jetzt mit acht Lombardischen Pappeln umpflanzt.

Naumburg, diese durch das so oft bewunderte und verspottete, beweinte und belachte Kunstwerk der tragikomischen Muse Kotzebue’s, meinen Berlinschen Landsleuten so merkwürdig gewordene Stadt, von der sie wohl nie geglaubt hätten, daß die südlichen Umgebungen der selben einst die Büchse der Pandora für sie werden würden, - war voll kriegerischen Getümmels. Wir fanden dort das Hauptquartier des Königs, wo eben der berühmte Kapellmeister H . . aus Berlin angelangt war. Er hatte auf sein dringendes Ansuchen vom Könige die Erlaubnis zur Beiwohnung des bevorstehenden Feldzuges erhalten; wahrscheinlich um gleich einem zweiten Tirtäus, vor dem Preußischen Phalanx einher zu ziehen und durch sein Saitenspiel die Krieger zum Kampfe zu begeistern, oder durch Triumpfgesänge ihre künftigen Thaten zu feiern.

Immer mehr verschwand jetzt die Hoffnung des Friedens, immer schwärzer und näher rückte die Wolke des Kriegs. Alle Straßen nach Thüringen sind mit Preußischen Regimentern und Geschützzügen, und mit unermeßlichen Transporten von Kriegsbedürfnissen bedeckt. Durch einen Parolebefehl ward der Armee aller Briefwechsel nach dem linken Rheinufer, alle Unterhaltung mit Franzosen über militärische Gegenstände, alle Gemeinschaft der beiderseitigen Vorposten auf das strengste untersagt; und der Reiterey ward aufgegeben, ihre Schwerter zu schärfen. Die französischen Truppen strömten indeß aus allen Gegenden Südteutschlands, aus Holland, Italien und Frankreich, mit reißender Schnelligkeit nach Franken, die Garden eilten von Paris auf Wagen dahin, und der Kaiser selbst soll bereits in den ersten Tagen des Octobers mit seinem Generalstab zu Bamberg eingetroffen seyn.