Kalifornien — China.

24. August 1868. An Bord des „Japan“ (Stiller Ozean)
Im Frühjahr 1868 in Kalifornien hatte ich zuerst den Plan einer geologischen Landesaufnahme des Chinesischen Reiches gefasst und den Gegenstand vielfach mit Prof. Whitney*) und später auch mit Mr. B., dem Gesandten Chinas bei den Vertragsmächten, während dessen Anwesenheit in San Francisco besprochen. Whitney war für den Plan begeistert, B. begünstigte ihn, ohne jedoch, wegen seiner Stellung, etwas dafür tun zu können.

*) Bedeutender amerikanischer Geologe, seit 1861 Leiter der geologischen Staatsanstalt für Kalifornien.


Die Ausführung scheint mit Schwierigkeiten verbunden, denn ich rechne nicht darauf, vor einem Jahre substantiellen Beistand von der Chinesischen Regierung zu erhalten, wenn mein Plan überhaupt gelingt. Ich muss daher für mindestens ein Jahr auf eigenen und zwar sehr freien Füßen stehen, um mich unbeschränkter bewegen und auf mein Ziel hinarbeiten zu können. Die praktische Bedeutung wissenschaftlicher Forschungsreisen in China leuchtete immerhin sogar kalifornischen Kapitalisten ein, und die Bank von Kalifornien übernahm die Kosten einer Expedition. Diese Abhängigkeit, die es mir zur Pflicht macht, praktische Gesichtspunkte zunächst in den Vordergrund zu stellen, beeinträchtigt etwas die Freiheit meiner Bewegungen, ist aber ein billiger Preis für die Darbietung der Gelegenheit, die Ausführung eines großen Planes anzubahnen.

Erst am 30. Juli stand mein Entschluss fest. Es gab noch vieles abzuwickeln und zu ordnen, und ich war in den letzten Tagen sehr beschäftigt; ich hatte kaum Zeit, von meinen Freunden und Bekannten Abschied zu nehmen. Am 3. August um 12 Uhr mittags wurden die Anker gelichtet. Ich sagte Kalifornien Lebewohl! — mit leichtem Herzen, denn nach Jahren zweckloser Arbeit sah ich vor mir wieder einmal die Gelegenheit, etwas Großes zu leisten.

Es blies ein kalter San Francisco-Wind, der Himmel war leicht bezogen. Noch am Abend desselben Tages verschwand in der Ferne die Küste von Kalifornien. Am 22. August 1862 hatte ich sie zum ersten Mal in freudiger Hoffnung begrüßt.

Die Fahrt war günstig. Das Wetter trug dazu bei, sie zur angenehmsten Seereise zu machen, die ich ausgeführt habe. Wir verließen San Francisco bei frischer Nordwestbrise. Am 19. und 20. kam starke Dünung von SW, zugleich wurde der Wind stärker. In der Nacht zum 21. sprang der Wind über S nach SO um. Um 6 Uhr früh wehte eine mäßige SO-Brise, warm und feucht, sehr erschlaffend. Der Himmel hing einförmig grau auf das Schiff herunter, und es regnete. Das Meer nahm mehr und mehr eine blaugrüne Färbung an. Das Barometer zeigte um 6 h. 29.51 engl. Zoll (749,5 mm), um 8 h. 29.39 engl. Zoll (746,5 mm). Seegang hoch, Wind von Ost, Schwüle zunehmend, Taifun unzweifelhaft.

                                    Im Taifun

Um 10.30 waren wir offenbar dem Zentrum des Taifuns am nächsten. Der Seegang war hoch, aber unregelmäßig, und die Bewegungen des langen Schiffes waren nicht unangenehm. Niemand wurde seekrank, während schwache Dünung oft einen merklichen Einfluss ausgeübt hatte. Schon um 2 Uhr brach sich das Gewölk, und es folgte ein Wechsel zwischen heiterem und schwerbezogenem Himmel. Die Wolken zogen in vielen verschiedenen Schichten, die untersten tief, dem Winde folgend. Die Richtung der oberen ließ sich nicht erkennen.

Wir kreuzten den Drehsturm in sehr glücklicher Weise. Er war offenbar rückläufig, mit SW — NO Bahn. Wir kamen von O, trafen ihn mit SO Wind und machten die Drehung bis NNW mit. Dass die Windänderungen erst schnell und dann immer langsamer waren, ist natürlich, da beide Bahnen erst konvergierten und dann divergierten. Daher kommt auch das plötzliche Auftreten des Taifuns. Auffallend ist es, dass der Wind nicht stärker blies, da das Barometer sehr tief stand. Dies dürfte der rückläufigen Bahn zuzuschreiben sein, da die Biegung wohl den mechanischen Effekt haben sollte, die Windstärke auf der rechten Seite zu vermehren, auf der linken zu vermindern.

Am 22., 23. und 24. setzte die am 15. begonnene zweite (von San Francisco gerechnet) Winddrehung fort, als ob keine Unterbrechung stattgefunden hätte, bei beständigem langsamem Steigen des Barometers und fast heiterem Himmel. Stets einige Cumuli und Cirri, und gegen N ziehen Regenböen vorüber. Der Wind bleibt schwach, das Meer ruhig, und wir haben gute Aussichten zu einer glücklichen Fahrt bis Yokohama. Ungefähr am 22. finden Stromversetzungen von hinreichender Stärke statt, um anzunehmen, dass wir im Kuroschiwo sind. Das Wasser, bisher tiefblau, ist jetzt beinahe schwarz, und zugleich zeigen sich am 24. Meeresleuchten, fliegende Fische und eine höhere Wassertemperatur.

                                    Yokohama 26. August

Wir erreichten früh um 5 Uhr Cape King und warfen um 10 Uhr Anker vor Yokohama. Wolkiges Wetter erlaubte nur zum Teil freie Aussicht auf die Umgebung der Bai, die nach der langen Seereise eine angenehme Abwechslung für das Auge bildete. Ich verbrachte die meiste Zeit bei Brandt,*) der jetzt als Chargé d'affaires den anderen Gesandten im Range gleichgestellt ist, aber immer noch Preußen allein, nicht den Norddeutschen Bund vertritt. Die preußische Gesandtschaft ist ein einfaches, aber sehr hübsches Gebäude mit großen hohen Räumen, in einem Garten am Wasser, mit kleinen Nebengebäuden. Man gewinnt von dort einen schönen Überblick des Hafens. Sie liegt am Nordrande der japanischen Stadt zusammen mit der französischen und italienischen Gesandtschaft. Die englische und die amerikanische Gesandtschaft sind am Südrande der europäischen Stadt.

Das letzte politische Ereignis ist, dass gestern Brandts Betto (Pferdeknecht) von des ersteren Wagen auf offner Straße in Yokohama von dem Gefolge des Ministers des Auswärtigen heruntergerissen wurde. Da in Japan nur Leute über dem Rang eines Yakunins fahren dürfen, keiner aber außer dem Mikado reiten darf, so ist das Reiten und Fahren von Bettos den Japanern natürlich sehr anstößig. Der gegenwärtige Fall wird aber die Frage dieses nationalen Vorurteils und seiner Anwendung für die Bedienten der Fremden für immer entscheiden. Die Gesandten haben dem Minister des Auswärtigen erklärt, dass sie eine auf morgen mit ihm festgesetzte Konferenz nicht besuchen und ihn überhaupt nicht empfangen würden, ehe er für diese allen fremden Vertretern angetane Insulte Abbitte getan haben würde. Auch muss er Plakate anschlagen, in denen er dies anzeigt.

Der politische Zustand in Japan ist so rätselhaft, wie er immer gewesen ist. Einen Taikun**) gibt es nicht, seitdem Hitotsubaschi vom Hause Mito von den Truppen des Mikado geschlagen worden ist und abgedankt hat. Mit dem jetzigen Mikado gehen Satsuma, Tosa, Chosiu und einige andere; gegen ihn sind Aidzu, Kaoza, Mutsu und viele andere. Man behauptet, dass ein Gegenmikado existiert, der Onkel des jetzigen, der sich in einem Kloster im Norden dos Reiches festgesetzt habe.Brandt vermutet, dass das Land in einen Norden und Süden geteilt worden wird, mit einigen unabhängigen Fürsten in der Mitte.

*) Max August Scipio von Brandt, Mitglied der Preußischen Expedition unter Graf Eulenburg (1860/61), mit der Richthofen als Naturforscher nach Ostasien kam; 1862 — 72 Geschäftsträger Preußens, dann des Norddeutschen Bundes, dann des Deutschen Reichs in Japan; 1875 — 93 deutscher Gesandter in Peking.
**) „Großer Herr", Bezeichnung für den „Schogun", der neben dem Mikado die faktische Regierung ausübte, bis das Schogunat (1867) aufgehoben wurde.


                                    Yokohama

Yokohama hat sich sehr verändert, aber nicht zum Vorteil. Aus den wenigen Häusern im Winter 1860/61, wo alles frei und offen und das Land noch ungestraft war durch die Segnungen der Zivilisation, hat rieh eine beträchtliche europäische Stadt entwickelt. Aber nie sah ich eine neue Stadt so schlecht angelegt und gebaut. Die Straßen sind eng und krumm und vereinigen sich unter allen möglichen Winkeln. Einige Häuser im Bund sind elegant gebaut, aus Stein (Tuffstein) mit Säulenhallen, aber die meisten sind schwerfällig, ohne architektonische Schönheit und ohne den freundlichen Anblick, der in deren Abwesenheit immerhin erreicht werden kann.

Es war heute übermäßig heiß, und die engen Straßen erlaubten gar keinen Luftzug. Der Gesamteindruck ist drückend und ungemütlich. Die Gegend ist durch eine Straße nach Mississippi-Bay aufgeschlossen worden. Aber der natürliche, ursprüngliche Charakter früherer Zeiten ist gewichen, übertüncht durch die Bildung von Matrosen, amerikanischen Seeoffizieren und Clerks. Kaufläden sind spärlich, schlecht versorgt und sehr teuer: vier „drinks" kosten 4 Dollars; Eis ist nicht zu haben. Gärten existieren kaum.

27. August. Ich hatte das Vergnügen, die Gesellschaft in den japanischen Stadtteilen herumzuführen, wo der neue Anblick manches Wort des Staunens hervorrief. Es ist interessant, den Eindruck zu beobachten, den gewisse Dinge auf andere machen, wenn wir uns desjenigen bewusst sind, den sie früher auf uns selbst gemacht haben. Der Charakter spiegelt sich in der Art, in der wir das Neue auffassen. Bei einem weiblichen Mitgliede der Gesellschaft z. B. überwog der Eindruck der Messingknöpfe auf einem amerikanischen Kriegsschiff weitaus Alles, was das Neue des japanischen Lebens bot, und von diesem fasst jeder besondere Seiten vorwaltend ins Auge.

28. August. Bisher an Bord des herrlichen Dampfers „Japan", siedelten wir heute auf die „Costarica" über, die uns nach Schanghai nehmen sollte. Es ist ein alter Dampfer, eng, ohne Komfort, schmutzig und schlecht gehalten, ohne jede Ordnung. Ich machte einen Besuch an Bord einer amerikanischen Korvette mit Kommodore F., der vor Kurzem mit diesem Schiff in Korea gewesen ist. Er rühmt Land und Leute und bestimmt B. zu dem Plan, einen Vertrag mit Korea zu machen, was mir die Aussicht gibt, in seiner Begleitung im Frühjahr nächsten Jahres dorthin zu gehen.

Wir verließen Yokohama um 6 Uhr abends. Das Wetter war heiter, der Himmel nur leicht bewölkt; der Fusiyama zeigt zum ersten Mal sein Haupt frei über den Wolken. Wir saßen bei Mondschein und warmer Luft bis spät in die Nacht an Deck. Es war herrliches Meerleuchten von smaragdgrüner Farbe, wie ich es nie gesehen habe. Oft waren alle Gegenstände im Widerschein grün gefärbt.

29. August. Als wir heute früh um 5 Uhr auf Deck kamen, hatten wir Kap Idzu bereits passiert. Der Fusiyama sah über eine Wolkendecke hoch hinaus und blieb lange in mattem Licht sichtbar. Um 6 Uhr machten wir Kap Tutomi. Von hier bis zum Kap Irakosaki bilden Sanddünen das Ufer. Darüber erhebt sich eine Gebirgsreihe von 2 — 400 m mit steilen Böschungen, aber nirgends von wilden Formen, bedeckt von Strauchvegetation mit Nadelholzgruppen. Sehr viele nackte Stellen zeigen einen rötlichen aufgelösten Boden, der sehr unfruchtbar sein muss. Die ganzen Hügel erhalten dadurch ein rötliches ödes Aussehen. Zwischen den Dünen und den Hügeln ist gewöhnlich eine 30 — 50 m hohe tafelförmige Vorlage, die gegen die Dünen einen fortlaufenden Abbruch mit festungsartigen Vorsprüngen und einspringenden Winkeln bildet und aus vollkommen horizontal geschichteten dunkelroten Schichten besteht. Diese Stufe trägt Wald und Dörfer und scheint sehr kultiviert zu sein. Waldige Schluchten ziehen sich in der Mauer gegen das Meer herab.

                                    Ab Yokohama.

Zahllose Fischerboote waren in unserer Nähe, oft mit 12 bis 20 Mann, die sämtlich angelten. Auf den Dünen lagen ganze Reihen von Booten. Auch die Bevölkerung von den Dörfern kam an den Strand, um das Schiff zu sehen.

Wir haben an Bord ungefähr 800 Japaner, von einem Daimio*) mit Familie herab bis zum niedersten Rang, darunter sehr viele Frauen und Kinder und hübsche Mädchen. Sie sind teils Verwandte von Soldaten, teils Familien vom Daimio-Anhang, die Yeddo für immer verlassen. Der Daimio hat 360 Tons Gepäck, da er seine Häuser und Hausgerät in Gestalt von Matten, Schiebern, Fenstern usw. mit sich nimmt. Alle scheinen von der Mikado-Partei zu sein. Sie benehmen sich vortrefflich, sind ruhig und reinlich, gut aufgelegt, zanken nicht und freuen sich ihres Schicksals an Bord, wo sie wie Heringe zusammengedrängt liegen. Europäer und Japaner fraternisieren und finden Gefallen aneinander; besondere Gegenstände ihrer Bewunderung sind das Baby und der 3jährige Tommy von B.'s.

*) Die Daimios waren Vasallenfürsten in Japan, die z. T. bedeutende Macht besaßen. Ihre Stellung, seit dem Sturz des Schogunats erschüttert, wurde 1871 abgeschafft.

Wir liefen Mittags in Toba ein, westlich vom Eingang in die weite Bai von Owari. Hier treten die Gebirge unmittelbar an das Meer mit zahlreichen Buchten. Es sind Mittelgebirge von 250 — 600 m Höhe; weiter im Lande werden höher ansteigende Berge sichtbar, mit Gebüsch und wenigen Bäumen, darunter besonders Kryptogamen, in allen Schluchten und Rillen und an allen flachen Stellen die Abhänge terrassenförmig angebaut. Ein gewundener, vielfach zwischen Inseln und Vorsprüngen verzweigter Meeresarm von ziemlicher Wassertiefe führt zwischen den Hügeln bei den Dörfern vorbei nach Toba, einem kleinen Handelsplatz. Die Landschaft ist anmutig: Häuser unter Gruppen hoher Bäume, reiche Vegetation ringsum, große und kleine Boote in Mengen auf dem Wasser, die Bevölkerung heiter und glücklich. Der Ort mag für den Handel der Bai von Owari Wichtigkeit haben. Schiffe mit bedeutendem Tiefgang können unmittelbar am Ufer liegen.

Wir fahren weiter an der Küste hin, gegen das Südkap von Japan. Alles ist gebirgig mit buchtenreicher Küste. Kamm steigt hinter Kamm auf, wie es scheint, mit tiefen Tälern dazwischen. Weiter südlich nimmt die Höhe ab, und die Küste wird flacher.

30. August. Wir fuhren in der Nacht um Kii und sahen das Westkap von Idsumi am Morgen; von hier nach Kobe. Die Gebirge im Osten sind sehr wild und steil und steigen gegen Yamato höher an. Aber die wildesten Gegenden sind bewohnt und angebaut, soviel es einem fleißigen und bedürfnislosen Volke möglich ist. Alle Dörfer machen einen angenehmen Eindruck durch die Bauart der Häuser, hohe Bäume, grüne Felder, Tempelhaine mit tori's, Mauern gegen die See usw. Awadsi ist eine gebirgige Insel. Wir fuhren dicht bei einem Fort mit vielen Kanonen vorüber. Weiter hinauf gegen Osaka wird die Ostseite des Landes allmählich flach, aber im Norden zeigen sich Gebirge.

Kobe liegt an einer flachen Bucht, die fast ungeschützt ist, ungefähr 30 km westlich von Osaka. 3 km westlich von Kobe liegt Hiogo mit einem viel besser geschützten Hafen. Hier waren die ersten Ansiedlungen. Dann wurde Kobe als Platz für die Fremden bestimmt. Dies scheint kein sehr geschickter diplomatischer Zug gewesen zu sein. Jetzt soll auch Osaka geöffnet werden, doch können große Schiffe nicht hingelangen, und Kobe wird der Seehafen werden. Bis jetzt ist die Ansiedlung klein, und die Europäer wohnen noch in japanischen Häusern. In einigen Tagen ist Auktion von Grundstücken auf einem besonders dazu hergerichteten Platz, dann sind europäische Häuser zu erwarten. Der Handel ist bis jetzt unbedeutend, der Aufschwung steht aber anscheinend bevor. Das Verhältnis von Eingeborenen und Fremden ist friedlich. Es sind nur wenige Belästigungen vorgefallen. — Kobe hat eine schöne Lage. Das Gebirge scheint reich an romantischer Szenerie zu sein, mit Abfällen, engen Schluchten, Wasserfällen usw. Alles ist bis hoch hinauf bewachsen. Das saftigste Grün, Baumgruppen, Tempel, zerstreute Dörfer geben Abwechslung und machen zusammen ein ungemein liebliches Bild aus. Ich unternahm einen langen Spaziergang durch die Stadt und in die Umgegend. Für meine Begleiter war alles neu, da sie zum ersten Mal eine japanische Stadt und Tempel und Szenerie sahen. Es ist merkwürdig, wie wenig noch die Fremden diese Gegend kennen. Nur die Wege nach Osaka und nach einem 5 km entfernten Wasserfall sind ihnen bekannt, für weitere geographische Erforschung haben sie keinen Sinn.

31. August. Wir brachen früh von Kobe auf und hatten einen schönen klaren Tag mit westlichem Wind. Die Fahrt in der Binnensee ist herrlich. Die Szenerie wechselt fortdauernd: tiefverzweigte Meeresbuchten, Vorsprünge und Landzungen, Inseln ohne Zahl, alles gebirgig und vielgestaltig. Im Norden walten die rötlichen Gebirge vor; im Süden ragen hohe steile Gebirge aus dem Meer auf, meist langgezogene Rücken, die sich in das Meer verzweigen. Die Vegetation der Gebirge besteht meist aus niederen Sträuchern à la Coast Range von Kalifornien, Felsen blicken daraus hervor. Gruppen höherer Bäume, teils Nadelhölzer, teils Laubbäume, unterbrechen die Einförmigkeit der Strauchvegetation. Alle Felsen, die sichtbar sind, besonders am Fuß der Inseln, scheinen Granit zu sein, doch sind auf Sikoku Kegel sichtbar, die vulkanisch zu sein scheinen, einige bis zu 750 m hoch. Einzelne Gebirgsformen sind sehr pittoresk. Pyramiden mit 60° Steigung der Seiten, Haifischzahnformen mit geschwungenen Linien, gerundete Kegel von Granit sind häufig. Im Hintergrund auf Sikoku sind die Umrisse sehr hoher Gebirge sichtbar; sie müssen 1.200 — 1.500 m hoch sein. — Wo immer ein Stück ebenes Land ist, besonders am Ausgang von Schluchten, sind Dörfer, oft mit einer großen Zahl von Häusern, Bäumen, Tempeln usw., und das Land ist terrassenförmig bebaut. Man sieht mehr Mais- als Reisfelder.

Fortdauernd kommen neue Inseln. Unaufhörlich wechselt die Szenerie. Hinter jedem Vorsprung entwickeln sich neue Bilder. Zahllose Fischerboote schwärmen in diesen Gewässern, daneben auch große japanische Handelsdschunken. Die Passage ist ausgezeichnet, keine Bänke und Klippen, nur Inseln und tiefes Meer dazwischen.

Wir liefen um Mittag auf die Reede von Tomo ein, wo wir einen der Daimios an Land zu setzen hatten, der mit Familie und großem Gefolge von Yeddo auswanderte, um wieder in seinem Heimatsitz zu wohnen. Wir gingen an Land und hatten großes Gefolge, da die meisten Leute noch nie einen Europäer gesehen hatten. Die Stadt ist reinlich und gut gebaut, viel besser als andere kleine Städte, die ich gesehen habe.

1. September. Nun beginnt die schönste Strecke der Binnensee; zahlreiche größere und kleinere Inseln lassen nur ein enges Fahrwasser zwischen sich, daher hat man für etwa 80 km stets Land zu beiden Seiten mit herrlichem Gebirge von den verschiedensten Formen. Die Vegetation war saftig grün bis auf die Gipfel. Alles ist bergig, flache Talausgänge sind selten und dann allemal mit großen Orten besetzt. Diese sehen recht wohlhabend aus. Bemerkenswert sind die vielen Flutmauern, die jedes Dorf schützen und oft sehr lang sind, stets von großen Steinen zyklopenartig gebaut; oft dienen sie auch als Schutzwall für Reisfelder, die durch Auffüllung bis zur Höhe der Mauer angelegt werden. Feldbau geht hoch an den Abhängen hinauf, wo immer sie nicht zu steil sind, oft sogar noch bis auf flache Gipfel. Eine anmutigere Szenerie auf großen Strecken existiert vielleicht nirgends in der Welt. Die Gegend wird einst als eine der reizvollsten der Erde einen hohen Ruf haben und große Anziehungskraft ausüben: allenthalben Leben und Treiben und die Zeichen von Glück und Wohlstand. Ein Paradies ist hier geschaffen worden, wo viele andere Nationen überhaupt keinen Raum zur Ansiedlung finden würden. Möchte dieser Zustand, der sich so lange erhalten hat, noch lange fortdauern! Sein größter Feind ist die Zivilisation und das Verlangen nach vorher ungekannten Bedürfnissen. Fleiß und Ordnung sind hier zu Hause, Seeräuberei existiert nicht; das Volk ist zufrieden, denn der Boden und das Meer gibt ihm, was es braucht. Möge das Schicksal günstiger über diesen Inseln walten, als es mit den griechischen Inseln verfahren ist, die viel Analogie bieten. Ich konnte mich an den Schönheiten nicht satt sehen. Fortdauernd erregten neue Entdeckungen meine Bewunderung.

                                    Nach Nagasaki.

2. September. Am frühen Morgen waren wir am Eingang in die Straße von Schimonoseki; bei Vollmondschein waren wir die Nacht hindurch gefahren, was sonst gefährlich wäre. Hier herrschte eine heftige Gegenströmung von 6 — 7 Knoten in der Stunde. Die Fahrt in der Straße ist wie auf einem großen Fluss. In ihrem gewundenen Lauf behält sie ungefähr gleiche Breite zwischen anmutigen Ufern. Hier sind keine hohen und steilen Berge, sondern nur niedere Hügel mit rundlichen Formen und gut bewachsen. Schimonoseki zieht sich lang am Ufer hin. Dann kommt man zwischen Inseln aus der Straße heraus.

Auch die Fahrt von hier bis Nagasaki bietet viel Sehenswürdiges. Man fährt fortdauernd an Inseln vorbei. Iki ist flachhügelig und sehr stark bis ganz auf die Hügel hinauf angebaut. Die östlichen Inseln sind ebenfalls nur aus niederen Hügeln zusammengesetzt, aber es wechseln steilere und felsige Formen mit bebauten flachen Gehängen. Mehrere vulkanische Kegel sind auf Kiusiu sichtbar. Auf den Inseln sah ich keine Vulkane, aber viele vulkanische Gesteine, die gegen Nagasaki mehr und mehr zunehmen. Besonders bestehen daraus einzelne grotesk gestaltete Felsen, die aus dem Meere aufragen. Das feste vulkanische Gestein zeigt viel Säulenzerklüftung. Daneben sind vulkanische Sedimente vorhanden. Krystallinische Schiefer scheinen vorzukommen, und zwar in bedeutender Ausdehnung, aber sie bilden wohl nicht solche Züge für sich wie im Südwesten von Nagasaki, vielmehr besonders die Grundlage für die vulkanische Bedeckung. Wir fuhren bei herrlichem Wetter in die Bai von Nagasaki ein.

3. September. Das Ziel eines Spazierganges in Nagasaki war der Begräbnisplatz, von dem aus ich wieder die herrliche Aussicht bewunderte, die mir schon früher als eine der schönsten in Japan gegolten hatte. Ein Fortschritt in Nagasaki ist nur in der Fremdenstadt zu bemerken, die sich recht hübsch entwickelt hat.