Fahrendes Volk vor dem Kaiser Tiberius

Aus: Das Buch für Alle. Illustrierte Familienschrift. Zeitbilder. Heft 1. 1921
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Fahrendes Volk, Gaukler, Artisten, Possenreißer, Zirkus, Volksbelustigung, Rom,
Asiatische Gaukler waren auf den Feldzügen der Griechen seit dem zweiten Jahrhundert v. Chr. mit diesen in Berührung gekommen und traten bald danach auch in Rom öffentlich und bei Festlichkeiten und Mahlzeiten in Privathäusern zur Unterhaltung der Gäste auf. Ihre Kunststücke wirkten im Abendlands derart verblüffend, dass den Gauklern wie in ihrer Heimat übernatürliche Kräfte zugeschrieben wurden. Das von ihnen im Umherziehen betriebene Geschäft war recht einträglich, und bald bildeten sich auch aus entlaufenen und freigelassenen Sklaven und Gladiatoren Trupps, die ihre Künste sehen ließen.

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Die einen traten als Fechtkünstler und Akrobaten auf, andere ließen abgerichtete Tiere Kunststücke vollführen. Die Messerwerfer, Ventilatores genannt, zeigten ihre gefährlich scheinenden Künste, Taschenspieler, die Saecularii oder Praestigiatores hießen, führten die Leute an der Nase herum, Seiltänzer liefen mit hohen Kothurnen über dünne Stricke, und Possenreißer trugen Pantomimen, Schwänke und derbe Späße vor. Andere wieder bliesen die Flöte, spielten die Kithara oder schlugen das Tamburin, und Ballspielerinnen, Paukenschlägerinnen und Tänzerinnen boten sich in bunten Gewändern oder auch unbekleidet dem Publikum dar. Das fahrende Volk zeigte sich besonders bei den Säkularischen Spielen in Rom, zog aber auch von Dorf zu Dorf, von Stadt zu Stadt. Während des Aufenthaltes des römischen Kaisers Tiberius, der vom Jahre 14 bis zum Jahre 37 n. Chr. ein strenges Regiment führte, auf Capri nahm sich beispielsweise ein Schauspieler heraus, auf den Lebenswandel des „alten Bocks“ eine Anspielung zu machen, wofür ihm vom Publikum mit lautem Beifall gedankt wurde.

Tiberius suchte bei jeder Gelegenheit das Auftreten der Possenreißer einzuschränken. Auch veranstaltete er niemals dem Volke zu Gefallen öffentliche Spiele. Umso lieber war ihm eine Gesellschaft der lustigen Leute, wenn sie in seinen Gemächern auftraten, um ihm und einem Kreis froher Weiblichkeit ihre Künste vorzuführen. Wir sehen ihn auf unserem Bilde in seinem Palast zu Capri angeregt dem Spiele einer Truppe Zuschauen, während im Hintergrund ein Staatsmann und ein Priester warten müssen, bis er sich wichtigerer Beschäftigung widmet.

Fahrendes Volk vor dem Kaiser Tiberius

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