FRITZLAR. RB Cassel Kreisstadt.

Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler, Bd.1, Mitteldeutschland
Autor: Dehio, Georg (1850-1932), Erscheinungsjahr: 1914
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FRITZLAR. RB Cassel Kreisstadt.

Stifts-K. S. Peter.. Gegr. 732 vom hl. Bonifazius. Von dem durch Brand 1078 zerstörten Bau (sicher nicht dem ersten) haben sich die unteren Teile des heutigen Stiftschors erhalten; sie deuten auf eine 1sch. Anlage. Von der um 1100 errichteten größeren Basilika das Wesentliche des bestehenden kreuzf. Gr., die schwachen Qsch.-Mauern, die Krypta, die 4 unteren Turmgeschosse. Ganze L. (ohne Apsis) 57 m. Umgestaltung als Gwb.Bau im 1. Drittel 13. Jh. So nach den Stilformen. Nachrichten fehlen. Welche Rolle die bei der Erstürmung der Stadt 1232 auch der K. zugefügten »Dampna gravia» gespielt haben, wäre noch zu untersuchen. Seitdem nicht mehr wesentlich verändert.

Krypta. Hauptraum unter Vierung und Chorquadrum [pg 131] in 3 Sch. zu 6 Jochen, grätige, gurtenlose Kreuzgwbb. auf Sll. mit gerippten Würfelkaptt. und steilen Basen mit Ecksporen; zu 1. Viertel 12. Jh. passend. Das östl. Ende zugleich mit der Hauptchorapsis A. 13. Jh. erneuert. — Die nördl. Nebenkrypta zerfällt in 2 Abschnitte; der im O, quadr. mit breitem Apsidenschluß, wird als Chor der 1078 zerstörten K. gedeutet; der vordere Abschnitt (unter dem Martinschor, d. i. NFlügel des Qsch.) ist mit der Hauptkrypta gleichzeitig. — Die Nebenräume der SSeite bilden die untere Sakristei und die alte Schatzkammer (»Falkenberger Kap.«).

Oberkirche. Umbau des 13. Jh. in wesentlich gleichartigen Formen ohne größere Bauunterbrechung. Die alten Mauern des Qsch. an den Ecken verstärkt. Chor quadr. mit polyg. (5/10) Apsis. Die Aufteilung des Lhs. in 3 Doppeljoche nicht regelmäßig: erstes Joch, (östl.) quadr., zweites überquadr. (8,8 : 10,8 m), drittes noch mehr (8,4 : 11,2). Hauptpfll. und Zwischenpfll. stark kontrastiert, jene längsrck. mit vielfach abgetreppten Vorlagen, diese schlank quadr. mit 1/3 Säull. Arkaden-Öffnungen unterspitz, durch eine Blende mit Kielbogenspitze zusammengefaßt, Schildbgg. der Hochwand 1/2kr., die GwbRippen ohne genaue Beziehung zur Pfl.-Gliederung, derbrck., kein Schlußstein, Scheitel stark steigend (3,7 m über den Scheitelpunkt der Quer- und Schildgurten). Fenster in den Achsen der Arkaden. Das Kapt. der Bündelpfll. aus gequetschtem Pfühl und hoher vielgliedriger Deckplatte (woraufhin Abhängigkeit vom Wormser Dom behauptet wird; die betr. Form ist aber am ganzen Oberrhein verbreitet). — Das südl. Ssch. A. 14. Jh. verdoppelt. — Die schlanken WDoppeltürme in 6 Geschossen, davon die 4 ersten, fensterlosen, mit Lisenen und Bgfriesen gegliederten vom Bau des 12. Jh., die beiden letzten, jederseits mit 2 Doppelarkaden geöffneten, aus 13. Jh., zu gleicher Zeit die Erhöhung des Zwischenbaues, Giebel und Helme 1873. Die zwischen den Türmen liegende Erdgeschoßhalle mit Empore, gegen das Sch. in 3 Arkaden geöffnet, 12. Jh. Das Paradies um M. 13. Jh. ausgebaut, 2 Joche tief, links von der rundbg. Mittelöffnung 2 spitzbgg., rechts nur 1, im ganzen also 4 Sch. Obergeschoß: 18. Jh. — Die Langseiten klar und zierlich mit fein profilierten Lisenen und Bgfriesen. An der Hauptapsis fällt der Mangel aller Zwischengesimse auf. Oberer Abschluß durch Zwerggalerie. — Reiche bar. Altarausstattung E. 17. Jh. bis A. 18. Jh. Pfarraltar 1724. Daneben das turmartige Sakramentshaus aus 2. H. 15. Jh. Lettner abgebrochen. Reste von spgot. Schnitzaltären unbedeutend. Verstümmelter Celebrantenstuhl 14. Jh. [pg 132] Kanzel 1696. Etwa gleichzeitig das Gestühl im Sch. mit geschnitzten Wangen. — In der Krypta schlichte got. Tumba des hl. Wigbert; von 1340 daneben an einer Säule sein Bild, sitzend, Hochrelief.

Die Stiftsgebäude bilden mit der K. eine malerische Gruppe. Der große 8achsige Kreuzgang beg. nach 1300; geschlossene Wände mit Fenstern. Im Obergeschoß des Ost-Flügels »Musikzimmer« mit spätgot. ornamentaler Wanddekoration. Im Keller des SFlügels sehr bmkw. überlebensgroßes Hochrelief des hl. Petrus, sitzend, wohl spätestes 12. Jh.

Grabdenkmäler. Ihre Zahl sehr reduziert. Die ältesten (M. 14. Jh.) in der Falkenberger Kap. Was aus späteren Zeiten stammt, ist durchweg von geringer Qualität.

Schatzkammer. Sie enthält mehrere wichtige Stücke. Altarkreuz um 1000, dicht mit Edelsteinen besetzt und daher ornamentlos, Gravierung der Rückseite und Fuß um 1200. — Tragaltärchen mit den Halbfigg. der Apostel, braunes Email, um 1200. Pontifikalkelch, Kuppa A. 13. Jh., Fuß und Nodus um 1400. Merkwürdiges frrom. Reliquiar in 1/3kr. Scheibenform, in Elfenbein geschnitzt.

Evang. Pfarr-K. (ehem. Minoriten). Unsymmetrisch 2sch. Hallenkirche aus 1. H. 14. Jh. Schiff und Langchor von je 4 Fenstern, polyg. Schluß.

Ursulinerinnen-K. Schlichter 1sch. Bau aus 14. Jh.

Frauenmünster-K. vor der Stadt. Got., klein und unbedeutend.

Rathaus. Got., dem ehem. Casseler ähnlich, durch Umbau im 19. Jh. gänzlich entwertet.

Hochzeitshaus. 1580-90. Fachwerkbau in reicher Renss. Steinernes Erdgeschoß.

Wohnhäuser. Haus A. 14. Jh., vormalige Stiftskurie ca. 1420. Mehrere Fachwerkbauten. Im »Hessischen Hof« schöner spgot. Kamin.

Marktbrunnen mit Rittersäule 1564.

Ringmauern und Tore, ferner 6 an der Gemarkungsgrenze verteilte Warttürme, schlecht erhalten.