Eugen, Friedrich Karl Paul Ludwig, Herzog von Württemberg (1788-1857) kaiserlich russischer General der Infanterie. Biographie

Allgemeine Deutsche Biographie Bd 48 (1904)
Autor: Ilwof, Franz (1831-1916) deutscher Historiker., Erscheinungsjahr: 1904
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Russland, Herzog von Württemberg, Peter I. Zar von Russland, Militärdienst, Katharina II., Zar Alexander I., Befreiungskriege
Eugen Friedrich Karl Paul Ludwig, Herzog von Württemberg; kaiserlich russischer General der Infanterie, wurde am 8. Januar 1788 zu Oels in Schlesien geboren; er war der Sohn des Herzogs Eugen Friedrich Heinrich von Württemberg, preußischen Generals der Kavallerie. Kurz nachher erwarb dieser die Standesherrschaft Karlsruh in Schlesien und hier wurde Eugen die für einen Prinzen damals übliche Erziehung zu Teil. Seines Vaters Schwester war mit Zar Paul I. von Russland vermählt, durch deren Einfluss der junge Eugen im Alter von acht Jahren zum russischen Oberst und in dem von 10 Jahren zum Generalmajor ernannt wurde. Im Eugen 1801 wurde er an den Hof von St. Petersburg berufen, wo ihm Generalmajor Baron Diebitsch, der Vater des Siegers von 1828/29 als Gouverneur zugeteilt wurde. Eugen wurde in das Kadettenkorps aufgenommen und schildert seinen Eintritt in dasselbe mit folgenden ergötzlichen Worten: „Als ich am ersten Kadettenhause auf Wassilij-Ostrow anlangte, empfingen mich eine Menge reich mit Silber beblechter Offiziere und viele Dienerschaft mit Lichtern. Gleich darauf erschien ein mit vielen Sternen bedeckter General, ebenfalls in der Uniform des Kadettencorps und gab sich als dessen ersten Chef, den Fürsten Plato Subow zu erkennen. Dieser vornehme und unter Katharinens Regierung nicht wenig einflussreiche und mächtige Mann versicherte mich von Hause aus seiner Untertänigkeit und verlangte meine Befehle. Ich hatte zwar nicht übel Lust, ihm die Hand zu küssen, aber General Diebitsch hielt mich nicht nur davon ab, sondern raunte mir auch, infolge meiner ersten Anrede, ins Ohr: man nennt den Kerl nicht Durchlaucht!“ Kaum hatte der Fürst den Rücken gewendet, als Diebitsch in seinen Expectorationen fortfuhr: "Wissen Sie auch, was das für ein Mann ist? Einer von den berüchtigten Courmachern der Kaiserin Katharina, die jetzt alle bei Hofe auf der Neige stehen. Dem machen Sie nur ja nicht zu viele Kratzfüße. Ich versicherte, für Hofkabalen noch ein Bauernjunge zu sein“.

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Bei Zar Paul stand Eugen in der höchsten Gunst; er trug sich mit dem Plane den jungen Fürsten mit seiner Tochter, der Großfürstin Katharina, zu vermählen, ja am Hofe verbreitete sich sogar das Gerücht, Paul, der mit seiner Familie auf sehr gespanntem Fuße stand, habe die Absicht, dem Ukas Zar Peter’s I., das dem jeweiligen Kaiser das Recht zustehe, seinen Nachfolger zu ernennen, entsprechend, den jungen Eugen als solchen zu bestimmen. Diese Hofintrigen, von denen der 13jährige Eugen nicht die leiseste Ahnung hatte, mögen die Ursache gewesen sein, weshalb er später von Kaiser Alexander und den Seinen auffallend zurückgesetzt wurde und die hohen Verdienste, die er sich erwarb, nie gebührend anerkannt wurden.

Nach der Ermordung Kaiser Paul’s I. und nachdem infolge dessen die Kaiserin-Witwe, tief erschüttert, sich nicht mehr die Kraft zutraute, ihren Liebling Eugen gegen die vielleicht über ihr ganzes Haus hereinbrechenden Stürme schützen zu können, sandte sie ihn nach Karlsruh zu seinen Eltern. Dort genoss der Jüngling unter der Leitung des preußischen Secondlieutenants Baron Ludwig von Wolzogen, Bruder von Schiller’s Schwager, eine ausgezeichnete Erziehung und Bildung. Militärische Fächer waren der Hauptinhalt seiner Studien. Nachdem er noch Kollegien auf der Universität zu Erlangen besucht und kleinere und größere Reisen gemacht hatte, trat er 18 Jahre alt im Herbst des Jahres 1806 in den aktiven Dienst der russischen Armee. Bald darnach überreichte er dem Kaiser Alexander I. eine Denkschrift, in der er darlegte, dass der einzig richtige Weg der Verteidigung Russlands gegen einen von Westen einbrechenden Feind der sei, alle nicht haltbaren Stellungen preiszugeben und sich so weit als möglich zurückzuziehen. Eugen war also der erste, welcher die Grundidee des Feldzugsplanes von 1812, der einige Jahre später nicht bloß Russland rettete, sondern auch Napoleon’s Macht den ersten Stoß versetzte, gefasst und ausgesprochen hatte.

Schon in dem Winterfeldzuge von 1806–7, den Preußen und Russen gegen die Franzosen führten, zeichnete sich Eugen bei Pultusk unter Bennigsen und in anderen Treffen und Schlachten durch Tapferkeit, Besonnenheit und entschiedenes Handeln aus, so dass er im November 1807 zum Brigadekommandeur befördert wurde. Damals schon genoss er die höchste Verehrung von Seite seiner Truppen; der Heldenmut, den er allenthalben an den Tag legte, die Ruhe, mit der er im heftigsten Kampfesgewühle befehligte, die Gerechtigkeitsliebe, die ihn immerdar beseelte, die Aufopferung, mit der er alle Strapazen mit seinen Soldaten teilte, und die Fürsorge, die er für sie stets betätigte, erwarben ihm die dankbare Anerkennung und hingebende Liebe aller seiner Untergebenen. Auch an dem Feldzuge in der Türkei (1810) nahm er Teil.

Als 1812 der furchtbare russisch-französische Krieg ausbrach, war Eugen Kommandeur der 4. Division beim 2. Corps der ersten Westarmee. In der Schlacht bei Smolensk (17. August) hatten die siegreich vordringenden Franzosen bereits mehrere Vorstädte genommen; da erbat sich Eugen von dem Oberbefehlshaber Barclay de Tolly die Erlaubnis, die Feinde angreifen und daraus vertreiben zu dürfen; der Angriff gelang, die Franzosen wurden aus den Vorstädten geworfen, diese so lange behauptet, bis vom Oberbefehlshaber der Befehl zur Räumung kam; der Rückzug eines großen Teils des russischen Heeres wurde durch diese Heldentat gesichert. Zwei Tage später warf Eugen als Kommandant der Arrièregarde bei Gedeonowo den Ansturm der Feinde zurück und rettete dadurch Barclay’s Armee vor sicherer Vernichtung. Der Wladimirorden zweiter Classe und die Beförderung zum Generalleutnant waren der Lohn für diese Taten. – In der Schlacht bei Borodino (7. September 1812) wurden ihm fünf Pferde unter dem Leibe erschossen, er selbst blieb im heftigsten Kugelregen unversehrt. – Nach der Räumung Moskaus durch die Franzosen nahm an dem Überfall bei Tarutino (18. Oktober) Teil; und am 24. Oktober warf er sich bei Malo-Jaroslawecz trotz Kutusow’s Gegenbefehl und Rückzug dem gesamten Heere Napoleons entgegen, als dasselbe auf der bequemen und hilfsmittelreichen südlichen Straße von dem eingeäscherten Moskau her zurückzuziehen beabsichtigte. Eugens Angriff und Widerstand nötigten Napoleon, die nördliche, ausgeplünderte und dem harten Winter ausgesetzte Straße über Smolensk zu wählen, auf welcher das ganze französische Heer zu Grunde ging. Ebenso kämpfte er bei jedem der Treffen von Wjäsma (3.), Rjawka (15.), Merlino (16.), Larionowo (17.), Luschitza (18. November 1812) und bei Kalisch (14. Februar 1813) mit und tat sich durch seine glänzenden Eigenschaften hervor.

Nach den Katastrophen von Moskau und an der Beresina war Russland von den Feinden geräumt und der Kampf fand seine Fortsetzung auf Deutschlands Boden. Preußen und Russland schlossen das Bündnis vom 27. Februar 1813 und Napoleon war eilends nach Frankreich zurückgekehrt, um neue Armeen aus dem Boden zu stampfen. Der erste Zusammenstoß der Verbündeten mit Napoleon erfolgte bei Groß-Görschen (Lützen), 2. Mai 1813. Eugen befehligte das Fußvolk im Corps Wintzingerode’s, der während der Schlacht so untätig geblieben war, daß er am andern Tage des Kommandos entsetzt wurde; nur das Fußvolk unter Eugen, das vom linken auf den rechten Flügel gezogen wurde, hatte sich tapfer geschlagen und die von den Franzosen bereits besetzten Dörfer Görschen, Rahna und Kaja mit stürmender Hand im Angesichte der Preußen wiedergenommen. Da jagte der junge General Eugen an den Reihen der Preußen vorüber. „Welcher General kommandiert hier?“ lautete seine Frage. Man deutete auf York, ohne ihn zu nennen. „Herr General“, ruft jener mit militärischem Gruße, „jetzt haben Sie ihre Dörfer wieder und stehen mir für ihre Behauptung! Ich ziehe dem Feinde rechts entgegen“ und fort reitet er in gestrecktem Galopp. „Wer ist der russische Windbeutel?“ fragt York den Chef seines Generalstabs. „Es ist der Generalleutnant Prinz von Württemberg!“ York stutzt und ruft: „Ein Teufelskerl, Ihr Prinz, der den Feldherrn wohl mit der Muttermilch eingesogen hat“. – Wenige Worte, aber ein großes Lob aus dem Munde des schweigsamen verbitterten Helden. Die Schlacht bei Groß-Görschen war durch Fehler, die der Höchstkommandierende, Fürst Wittgenstein, begangen, von den Verbündeten verloren worden; daß sie auf ihrem Rückzug nicht größere Verluste erlitten, war das Verdienst Eugen’s, der bei Eisdorf bis in die sinkende Nacht hinein einen mörderischen Kampf gegen überlegene feindliche Kräfte bestand.

Der Rückzug der Alliierten ging hinter die Elbe; bei Bautzen hielten sie an, um Napoleons weiterem Vordringen entgegenzutreten. Für eine Verteidigungsschlacht bot diese Stellung mancherlei Vorteile; der linke Flügel der Alliierten hatte die Abhänge des Lausitzer Gebirges besetzt, der rechte breitete sich in der Ebene eine Stunde hinter der Spree aus. Sie war aber zu ausgedehnt und es musste dem Oberfeldherrn beinahe unmöglich werden, einem bedrohten Punkte rechtzeitig Hilfe zu leisten. Vor dem linken Flügel, der von den Russen unter Miloradowitsch gebildet war, hatte das Corps des Grafen St. Priest und eine Division vom Corps des Herzogs Eugen die Höhen von Doberschau und Sinkwitz besetzt, um die Übergänge über die Spree zu beobachten, die ebenso wie die Hügel auf dem rechten Ufer von Oudinot forcirt wurden; da (20. Mai) Miloradowitsch den Angriffen der Franzosen nicht entschieden entgegentrat und ohne ernstliches Gefecht sich zurückzog, so konnte Eugen hier nichts leisten. Am zweiten Schlachttage (21. Mai) nahm Eugen an dem energischen Vorrücken des linken Flügels, der Oudinot weit zurückwarf, Teil, wodurch jedoch der für die Franzosen siegreiche Ausgang der Schlacht, da Napoleon inzwischen den rechten Flügel umgangen und zum Rückzuge gezwungen hatte, nicht aufgehalten werden konnte. Der Rückmarsch der Verbündeten ging nach Schlesien, der Oder zu; Napoleon folgte ihnen; eine Reihe von Gefechten, welche Russen und Preußen den Franzosen lieferten, zeugte von dem trotz zweier verlorener Schlachten ungebrochenen Mute der Alliierten. Das bedeutendste dieser Rückzugsgefechte war das bei Reichenbach (22. Mai). Eugen und Yermoloff hatten die südlich von der Stadt gelegenen Höhen, den Töpferberg und den Windmühlenberg, in umsichtig gewählter Stellung mit zahlreichem Geschütz derart besetzt, dass sie nur mit großem Verlust zu nehmen waren. Napoleon, über den zähen Widerstand der geschlagenen und rückziehenden Gegner erbittert, war nicht gewillt, auch nur einen Augenblick von der Verfolgung abzulassen. Er schritt sogleich mit Übermacht zum Angriff. Es kam zu einem blutigen Kampfe. Die Stadt wurde von zwei sächsischen Bataillonen genommen; der übrige größere Teil des sächsischen Fußvolks umging den Töpferberg und nötigte die russischen Jäger, sich auf die Höhen zurückzuziehen; die französische Reiterei griff den linken Flügel der russischen Stellung an, erlitt zwar schwere Verluste an Toten, Verwundeten und Gefangenen, aber Eugen und Yermoloff konnten sich der Übermacht gegenüber in ihren Stellungen nicht halten und zogen sich bis hinter Markersdorf zurück. Napoleon nahm Besitz von der Stellung der Verbündeten, deren Eroberung ihm schwere Verluste gekostet hatte, ohne dass es ihm gelungen war, Gefangene oder Geschütz abzuschneiden. Er wollte aber so große Anstrengungen nicht vergeblich gemacht haben und gab Befehl zum weiteren Vorgehen. Er selbst leitete den Angriff auf Markersdorf, indem er drei starke Kolonnen bildete, welche gegen die Russen vorgingen. Nach heftigem Kampfe wichen diese der Übermacht, setzten sich aber noch einmal auf der Anhöhe gegen Rauschwalde, dem höchsten Punkte vor Görlitz, fest. Der Kanonendonner und das Kleingewehrfeuer dauerten bis zum Einbruch der Nacht, doch endete hier die weitere Verfolgung für diesen Tag. An einem langen Sommertage hatte Napoleon von früh um 5 Uhr bis zum Abend, 14 Stunden lang alle Hilfsmittel seines außerordentlichen Feldherrntalents und seiner jetzt noch überlegenen Streitkräfte mit Hintansetzung seiner eigenen Person erschöpft und gegen den Russen Yermoloff und den deutschen Fürsten keine entscheidenden Vorteile errungen. Die große Vergeudung der Kräfte an diesem Tage hatte nichts gefruchtet, als dass er drei Meilen vorwärts gekommen war. Und dazu noch der Verlust dreier Generale, welche in diesem Kampfe gefallen waren, des Divisionsgenerals Bruyères, des Ingenieurgenerals Kirchner und des Großmarschalls seines Palastes Duroc, Herzogs von Friaul, seines Freundes, des einzigen vielleicht, den er in der Welt hatte.

Die Heldentaten, welche die Russen bei Reichenbach und Markersdorf unter ihren Führern, einem ihrer Landsleute und einem Deutschen vollführt hatten, machten es den Heeren der Verbündeten möglich, ungefährdet die vielen Flüsse und Bäche zu überschreiten, welche von den Bergen der Oder zuströmen.

Am 4. Juni fand der Abschluss des Waffenstillstandes zwischen Napoleon und den Verbündeten zu Poischwitz statt, der bis zum 20. Juli dauern sollte, jedoch bis zum 10. August verlängert wurde. Am 27. Juni war Österreich der Allianz zwischen Preußen und Russland beigetreten. Nach dem Kriegsplane von Trachenberg stellten die Alliierten drei Heere auf, das böhmische, das schlesische und das Nordheer. Eugen erhielt den Befehl über das zweite russische Infanteriecorps im böhmischen Heere.

Am 22. August führte Feldmarschall Fürst Schwarzenberg, Generalissimus der verbündeten Heere, den Hauptteil der böhmischen Armee, der sich, 125,000 Österreicher, 61,000 Russen, 38 000 Preußen, an der Eger gesammelt hatte, in vier großen Heersäulen über das Erzgebirge nach Sachsen und wandte sich am 24. mit seiner ganzen Macht gegen Dresden. Um sicher vorrücken zu können, hatte er dem Befehlshaber seines rechten Flügels, dem russischen Heerführer Barclay de Tolly den Auftrag erteilt, ein Armeecorps zur Blockade des Königsteins und Beobachtung der Elbübergänge zurückzulassen. Mit dieser Aufgabe wurde Eugen, der nur 8000 Mann zu seiner Verfügung hatte, betraut. Fast zur selben Zeit, als am Morgen des 26. die Verbündeten vor Dresden erschienen, brachen vier französische Bataillone vom Königstein hervor und drückten, vom Geschützfeuer der Festung unterstützt, die Vorposten des Prinzen von Württemberg zurück. Einige Gefangene, welche die Russen gemacht, sagten aus: Vandamme sei mit 50,000 Mann über die Elbe im Anmarsch. Infolge dessen zog Eugen das Gros seiner Truppen zusammen und nahm eine vorteilhafte Stellung zwischen den Dörfern Krietzschwitz und Struppen, Front gegen Königstein, Rücken gegen Pirna, also hart vor dem Punkte, von dem aus der Feind seine zahlreichen Streitkräfte entwickeln konnte, ein. Um 4 Uhr Nachmittags begann Vandamme mit Übermacht den Angriff auf Eugens Stellungen. Dieser war in einem einzeln stehenden Hause nächst Krietzschwitz noch mit einigen Anordnungen beschäftigt, als der Generalleutnant Alexander Ivanowitsch Ostermann-Tolstoi, nur von einem Adjutanten begleitet, eintrat und dem Prinzen ein Billet überreichte des Inhalts: „Angesichts dessen wollen Sie nicht mehr an mich, sondern an den Grafen Ostermann, dem das Commando des rechten Flügels übertragen ist, referieren. Wittgenstein“. Eugen überflog das Papier; er war Herr der Gefechtslage, in die sich der Ankömmling erst einfinden mußte; zudem brachte Ostermann keine neuen Truppen; Eugen sagte daher: „Graf Wittgenstein hat mir mein Corps nicht gegeben und kann es mir ohne Befehl des Kaisers nicht nehmen. Sie sind älterer Generallieutenant als ich und Graf Wittgenstein schickt Sie her, wo ich selbst kaum den dritten Teil meines Corps beisammen habe, was sollen Sie also hier?“ „Mein Prinz“, entgegnete Ostermann, „es ist der Wille Sr. Majestät unseres Herrn, der, wie Sie wissen, nicht zu scherzen liebt“, übrigens möge der Prinz, wenn es ihm nicht gefalle, sich der höheren Weisung zu fügen, unbesorgt sein, daß man es darauf angelegt habe, ihm seinen Ruhm zu schmälern; alle Ehren des Tages sollen ihm allein gehören, er, Ostermann, wolle sich bescheiden, die Gefahr zu teilen. „Er gab hierauf allerdings das Versprechen, sich in nichts zu mischen, hielt es aber nicht“ (Eugen in seinen Memoiren III, 116). Inzwischen hatte der Kampf begonnen. Eugens Corps behauptete, trotz schwerer Verluste, auf dem rechten Flügel Krietzschwitz, auf dem linken Struppen und auch die Angriffe der Franzosen auf das Zentrum wurden durch eine Kürassierattacke abgeschlagen. Die Russen behaupteten ihre Stellung, als die Nacht dem Kampfe ein Ende machte. Dieses Gefecht bei Krietzschwitz war von unabsehbarer Wichtigkeit für die Unternehmung gegen Dresden. Vandamme hatte von Napoleon den Befehl erhalten, gegen Pirna vorzudringen und die Pässe von Berggießhübel und Hellendorf zu besetzen, um der verbündeten Armee den Rückzug auf der kürzesten Linie nach Böhmen abzuschneiden. Gelang ihm das, so war der Ausgang des Kampfes vor Dresden schon am ersten Tage entschieden; dass es ihm nicht gelungen, war die Folge des mutvollen Ausdauerns bei Krieschwitz und das unbestreitbare Verdienst Eugens.

Nach dem glücklichen Ausgange des Gefechtes stellte Ostermann abermals an Eugen die Frage: „Eh bien, Altesse, qui est-ce qui commande?“ Und Eugen erwiderte in edler Bescheidenheit: „Votre Excellence! Votre Excellence!“

Der Angriff der Verbündeten auf Dresden war gescheitert, die Schlacht vor den Mauern der Stadt verloren gegangen, ihr großes Heer musste den Rückzug über das Erzgebirge antreten und da trat jetzt an das russische Korps Eugens, welches nunmehr von Ostermann und durch die Gardedivision Yermoloff’s verstärkt wurde, die Aufgabe heran, den linken Flügel der großen Armee zu decken und die Hauptstraße von Sachsen nach Böhmen gegen Vandamme, der ebenfalls Verstärkungen an sich gezogen hatte, zu behaupten. Ostermann erhielt von Barclay den Befehl, den Weg nicht auf der Teplitzer Hauptstraße, sondern über Maxen und Dippoldiswalde zu nehmen und von da der Hauptarmee zu folgen. Dieser Befehl Barclay’s widersprach augenfällig der Kriegsraison, Vandamme nicht den entscheidenden Vorsprung auf der nächsten Verbindungslinie mit Teplitz gewinnen zu lassen, er stand auch der ausdrücklichen Mahnung Radetzky’s, des Generalstabschefs Schwarzenberg’s, entgegen, die Verbindung nach Böhmen um jeden Preis zu erhalten. Da traten am 28. die drei Generale Ostermann, Eugen und Yermoloff zum Kriegsrate zusammen und insbesondere infolge der Entschiedenheit, mit welcher sich der deutsche Prinz aussprach, wurde beschlossen, dem Befehle Barclay’s entgegen die Teplitzer Hauptstraße zu halten und dadurch den linken Flügel der Hauptarmee zu decken. Ostermann und Eugen stellten sich nördlich und südlich von Zehista auf, Front gegen die Elbe mit 20,000 Mann gegen die 40,000 Vandamme’s. Er nahm Pirna, ohne jedoch entschieden weiter vorzudringen. Unablässig kämpfend zogen sich die Russen zurück; Dörfer und Anhöhen wurden von den Franzosen genommen, ihnen entrissen und wieder genommen. Am Abend des 28. stand Vandamme bei Hellendorf und das russische Korps in und um Peterswalde. Am 29. August brach Vandamme von Hellendorf gegen Peterswalde auf. Unter blutigen Kämpfen zogen sich die Russen den Nollendorfer Berg herunter; Eugen mit seinen bedeutend zusammengeschmolzenen und nun schon den vierten Tag fast unausgesetzt marschierenden und kämpfenden Truppen hielt Nollendorf, Vorder-Tellnitz und Kulm so lange als möglich, um den vordringenden Feind aufzuhalten. Ostermann schien nur darauf bedacht zu sein, die ihm anvertrauten Garden zur Hauptarmee zu bringen; alle seine Marschdispositionen hatten einzig die Garden im Auge und die Truppen Eugen’s schienen nur da zu sein, um jene zu decken und zu schützen. Die Garden waren fast unversehrt im Thalkessel von Teplitz angelangt, während Eugen’s Regimenter an Todten und Verwundeten, an Gefangenen und Versprengten fast die Hälfte ihrer Leute verloren hatten. Im Laufe des Vormittags erhielt Ostermann ein eigenhändiges Schreiben des Königs Friedrich Wilhelm’s III. von Preußen des Inhalts, er möge sich nach Möglichkeit halten, um dem verbündeten Heere, das noch in den Schluchten des Erzgebirges mit den größten Hindernissen zu kämpfen habe, den Rückzug zu sichern, ja dem Kaiser Alexander selbst, der sich noch im Gebirge befinde, die Rückkehr nicht zu gefährden.

Dieser Schritt des Königs von Preußen wirkte entscheidend auf Ostermann, der sich nun entschloss, gegen Vandamme Front zu machen und mit Aufbietung aller Kräfte dessen weiterem Vordringen Schranken zu setzen. Den Mittelpunkt bildete das Dorf Priesten, wo Eugen mit den 5500 Streitfähigen, die ihm noch geblieben, stand; rechts davon stellte Ostermann die Hauptmacht seiner Artillerie auf; eine vor dem Dorfe Straden vorspringende Höhe hatte General Bistrom besetzt; am rechten Flügel hielt die Kavallerie und hinter Priesten die Gardeinfanterie. Vandamme ließ vom Horkaberge aus seine Kanonen wirken und brach etwa um 10 Uhr mit seinen Kolonnen aus Kulm hervor. Zuerst wurde Bistrom’s Stellung angegriffen, jedoch behauptet. Bald wogte der Kampf auf der ganzen Linie vom Gebirge bis an die Straße mit abwechselndem Glück aber mit gleicher Heftigkeit auf beiden Seiten; am heftigsten bei der Eggenmühle am linken Flügel, um Priesten und die zwischen beiden gelegene Juchtencapelle. Vandamme’s Hauptansicht ging dahin, die Russen vom Erzgebirge abzudrängen, und immer frische Bataillone führte er zum Angriff vor. Priesten wurde von den Franzosen genommen, von den Russen wieder erstürmt. Jetzt ließ Eugen links von Priesten Kanonen auffahren, deren Feuer furchtbare Verheerungen in den Massen der Franzosen verursachte. Doch diese sammelten sich wieder, rückten von neuem vor, trieben die Russen in gewaltigem Andrang von der Juchtencapelle zurück, ja drohten die Batterien selbst in ihre Gewalt zu bekommen. Von der Gardeinfanterie standen nur noch zwei Bataillone und ein halbes in Reserve. Da sendete Eugen seinen Adjutanten Baron Helldorf zu Ostermann und erbat dringend zwei Bataillone, ohne deren Hülfe die Stellung bei der Juchtencapelle nicht zu halten und selbst das Geschütz nicht zu retten sei. Allein Yermoloff widersetzte sich dem Begehren: „Der Prinz ist allzu verschwenderisch mit dem Blute der kaiserlichen Garden“ und zu Ostermann gewendet: „Eure Excellenz, es ist meine Pflicht Ihnen zu sagen, daß ich es nicht bei dem Kaiser verantworten kann, wenn die ganze Garde hier vernichtet wird. Der Prinz von Württemberg scheint der Meinung zu sein, heute noch nicht genug aufgeopfert zu haben. Er weiß noch einige Bataillone und will auch die noch. Sind aber diese weg, dann hat der Kaiser keine erste Gardedivision mehr“. Helldorf wollte erwidern, doch Yermoloff ließ ihn nicht zu Wort kommen: „Ihr Prinz ist ein Deutscher und schert sich den Teufel darum, ob wir Russen Garden übrig behalten oder nicht; meine Pflicht ist es aber, dem Kaiser etwas von seiner Garde zu erhalten.“

Helldorf mußte unverrichteter Dinge abreiten. Da sprengte Eugen selbst zu Ostermann, stellte ihm die dringende Gefahr und die Größe der Verantwortung vor und Ostermann gab dem Regimente Ismailoff den Befehl vorzurücken.

Das entschied. Die frischen Bataillone drangen im Sturmschritt vor und warfen, allerdings unter den schwersten Verlusten, den Feind zurück, der sich in voller Flucht auflöste. Nun entstand im Zentrum eine Gefechtspause, während an den beiden Flügeln ohne Entscheidung fortgekämpft wurde; die Geschütze jedoch donnerten ohne Unterlass; Ostermann ritt die Reihen seiner Colonnen entlang, da zerschmetterte ihm eine Kanonenkugel den linken Arm, er sank vom Pferde und wurde nach Teplitz gebracht.

Als ältester Generallieutenant übernahm Eugen auf dem Schlachtfelde den Oberbefehl. Eben, 5 Uhr Nachmittags, bereitete Vandamme einen neuen Angriff vor. Frische französische Bataillone nahmen abermals Priesten; da führte Eugen zwei vor kurzem angekommene Kürassierregimenter und die Garde-Ulanen dem Feind in die Flanke, der teils niedergeritten, teils niedergesäbelt und in wilder Flucht zurückgeworfen wurde. Die Franzosen wichen hinter den Stradenbach zurück und erneuten ihre Angriffe nicht mehr.

Der Sieg war erfochten, denn Siegen hieß hier Stand halten; mit Ausnahme eines vorgeschobenen Punktes vor Straden und eines Teiles von Karbitz hatten die Russen ihre ganze Aufstellung vom Morgen behauptet, jedoch mit furchtbaren Verlusten, die Garde hatte 2700, das Corps Eugen’s 2400 und die Reiterei 800 Mann verloren.

„Die Ehre des Tages vom 26. August bis in die Morgenstunden des 29. gebührt ohne Frage dem Prinzen Eugen von Württemberg. Die tapfere Gegenwehr in dem Gefechte bei Krieschwitz, der Marsch von Zehista über Berggießhübel und Hellendorf nach Peterswalde, der Wettkampf mit den vielfach überlegenen, von allen Seiten nachdringenden und hereinbrechenden Truppen Vandamme’s, wer dem andern voraus die große Hauptstraße nach Böhmen abgewinnen würde; der Mut, die Ausdauer, die Lebendigkeit, die Entschlossenheit, die Geistesgegenwart, womit der Prinz in einem fast drei Tage und drei Nächte hindurch unausgesetzten Marschieren und Schlagen zuletzt den großen Preis des Kampfes zu erringen wusste, alles das sichert dem jugendlichen Helden einen gefeierten Namen in der Geschichte jener ereignisreichen Tage“ (Helfert). Und der 29. August war erst recht der große Sieges- und Ehrentag für E. v. W. gewesen.

Am 30. August waren den Russen bedeutende Verstärkungen durch österreichische Corps zugekommen und der preußische General Kleist war mit einem Corps von Fürstenwalde aus im Anmarsche gegen den Rücken der französischen Aufstellung; das entschied, freilich erst nach schwerem blutigen Ringen den Sieg der Verbündeten, die vollständige Zersprengung der Armee Vandamme’s und dessen Gefangennehmung. An diesem Tage stand E. wieder mit dem Reste seiner Truppen bei Priesten; auch an diesem Kampfe nahm er heldenmütigen Anteil, rückte gegen die französischen Batterien vor und Vertrieb den Feind von den Höhen bei Kulm.

Als am folgenden Tage Barclay’s Armeebericht, der aller hervorragenden Verdienste rühmend gedachte, erschienen war, der Teilnahme des tapferen deutschen Prinzen nicht mit einer Silbe erwähnte, ritt Eugen nach Teplitz zu Kaiser Alexander, das Abschiedsgesuch in der Tasche. Dieser empfing ihn mit den Worten: „Ich weiß alles, was wir ihnen verdanken! Selbstverleugnung ist die schönste Tugend“ und verlieh ihm den Wladimirorden I. Classe. Der Prinz verzichtete auf den Abschied und kehrte zu seinen Truppen zurück. Die noch immer fortwirkende Erinnerung an die hohe Gunst, welche Eugen bei Kaiser Paul genossen hatte, die dem Vollblutrussen anerzogene Abneigung gegen den deutschen Prinzen in russischen Diensten, und das Gefühl beschämender Verstimmung, daß es Eugen mit seiner geringen Truppenmacht gelungen war, Vandamme auf der Peterswalder Straße zu überflügeln, woran sich Barclay mit seinem ganzen Armeecorps nicht gewagt hatte, mögen die Gründe für diese Zurücksetzung und Ungerechtigkeit und für die in russischen Kreisen festgehaltene Tradition gewesen sein, Ostermann als den Sieger des Schlachttages vom 29. August zu erklären. Aber noch mehr als das. Als am 29. September 1835 in Gegenwart der drei Monarchen von Österreich, Russland und Preußen bei Priesten der Grundstein zu dem russischen Siegesdenkmale gelegt ward, wurde in den Reden, in den Urkunden und in den Inschriften nur Ostermann als der Sieger verherrlicht und Eugen’s nicht mit einem Worte gedacht. Mit Recht schreibt Eugen in seinen Memoiren: „Überaus empörend ist die neue Erfahrung, welche ich 22 Jahre später erprobte und von der folgende Dokumente ein Zeugnis reden, vor dem die Nachwelt im Namen der Teilnehmer zu erröten haben wird. Ich weiß in der Tat unter diesen Umständen nicht, was ich neuerdings für bemerkenswerter halten muss, die Größe des erkämpften Resultats oder die beispiellose Undankbarkeit der Zeitgenossen“. Nachdem sich das böhmische Heer von den Strapazen, welche es auf dem Marsche nach und von Sachsen und von den Erschütterungen durch die Schlachten von Dresden und Kulm einigermaßen erholt und wieder geordnet hatte, wurde im Hauptquartier beschlossen, langsam vorzurücken und behutsam die Höhen des Erzgebirge zu ersteigen. In den Gefechten, welche sich hierbei entspannen, tat sich Eugen abermals hervor; er vertrieb (5. September) den Feind aus dem Dorfe Oelsa, besetzte (6. September) Liebstadt und (7. September) Cotta.

Napoleon hatte den verwegenen Plan, mit seiner Hauptmacht über das Erzgebirge zu steigen und in Böhmen die Verbündeten anzugreifen, als unausführbar erkannt und aufgegeben; daher erfolgte der schon im Kriegsplane von Trachenberg vorgesehene Linksabmarsch des böhmischen Heeres über Chemnitz in die sächsischen Ebenen. Wieder war Eugen in der Vorhut; über 9,000 Mann stark marschirte er (13. September) nach Zuckmantel, hatte von Knienitz aus den Nollendorfer Berg erstiegen und trieb den Feind mit Gewalt nach Hellendorf.

Der Vormarsch der böhmischen Armee über das Erzgebirge und Blücher’s kühnes Vordringen über die Elbe nötigten Napoleon, die Zentralstellung von Dresden aufzugeben und Leipzig zum Mittelpunkte seiner Operationen zu machen. Und dahin ging nun auch der konzentrische Marsch der drei Heere der Verbündeten, des böhmischen, des schlesischen und des Nordheeres. In der dreitägigen Völkerschlacht bei Leipzig war es Eugen abermals beschieden, neue Lorbeeren zu sammeln. Am ersten Schlachttage (16. Oktober) befehligte er die zweite große Angriffssäule, welche gegen Wachau, das feindliche Zentrum, gerichtet war. Eugen eröffnete das Gefecht mit 24 Geschützen, denen er russisches und preußisches Fußvolk folgen ließ. Unerwartet fand man zuerst wenig Widerstand; doch das währte nicht lange. Mit starken Kräften und überlegenem Geschütz wurden Eugen’s Bataillone angegriffen und in und bei Wachau kam es zum blutigsten Kampfe; Napoleon, der dieses Dorf zum Zentrum seiner Südstellung genommen, stand hier Eugen unmittelbar gegenüber. Der französischen Übermacht, den 150 Geschützen gegenüber, die Napoleon hier hatte auffahren lassen, war jeder Widerstand unmöglich. Wachau ging verloren und Eugen sah sich genötigt, nachdem er die Hälfte seiner Mannschaft eingebüßt, sich nach Güldengossa zurückzuziehen. – Als, etwa um 1 Uhr Nachmittags die ganze Linie der Alliierten zurückwich, beschloß Napoleon, ihr Zentrum durch einen großartigen Reiterangriff zu sprengen. Er sammelte 8,000–10,000 Reiter unter Murat zwischen Wachau und Liebertwolkwitz. Es war gegen 2 Uhr, als wie auf ein gegebenes Zeichen plötzlich die französischen Geschütze im Zentrum schwiegen und das dumpfe Getöse von vielen tausend Hufschlägen und rasselnden Säbelscheiden wie ein heranziehendes schweres Hagelwetter erscholl. Der Stoß dieser Reitermasse hätte für die böhmische Armee sehr verhängnisvoll werden können. Ihr erster Stoß richtete sich gegen das Korps des Prinzen Eugen; so furchtbar dieses mitgenommen war, so wehrte es doch dem Einbruch und blieb taktisch unversehrt. Die Reitermasse stürmte weiter nach rechts und links, stieß aber bald auf russische Reserven, die vorgezogen worden. Die Reiterei erlahmte, wankte und begab sich etwa um 4 Uhr auf den Rückweg. Der Stoß der großen Reitermasse hatte sein Ende erreicht, die Gefahr war überstanden. Eugen hatte dadurch, daß er dem ersten Ansturm glorreichen Widerstand entgegen gesetzt, in erster Reihe zur Abwehr des Reiterangriffes beigetragen.

Am dritten Schlachttage (18. Oktober) erhielt Prinz August von Preußen mit zwei Brigaden und Eugen mit seinem Corps den Befehl, Probstheida zu nehmen. Trotz aller Tapferkeit misslang der Angriff der Preußen. Jetzt versuchte Eugen den Besitz des Dorfes zu erzwingen; es gelang ihm mit dem östlichen Teile. Napoleon aber erkannte die ganze Wichtigkeit dieses Stützpunktes und setzte die Reste zweier Korps und selbst einen Teil der alten Garde an die Festhaltung des Dorfes daran. Die Russen wurden von den immer neu anstürmenden Massen überwältigt, das Dorf ging verloren und die Alliierten mußten über Berge von Todten den Rückzug suchen. Es stand zu befürchten, daß der Feind noch weiter vordringen werde, allein er war selbst zu sehr erschüttert und begnügte sich, Probstheida zu behaupten.

Das Kriegsjahr 1814 gab Eugen neuerliche Veranlassung, sich auf dem Felde der Ehre glänzend hervorzutun. So in der Schlacht bei Bar-sur-Aube (27. Februar), in der er durch kühnes Vordringen auf dem rechten Flügel wesentlich zur Niederlage Marschall Oudinot’s beitrug. – In der Schlacht vor Paris (30. März) stand E. mit seinem 2. russischen Infanteriecorps im Zentrum des Schwarzenberg’schen Heeres. Sein Armeecorps hatte die ganze Wucht des Angriffes zu übernehmen, ihm also fiel auch hier, wie so manchen Tag vorher die schwerste Arbeit zu. Seinem Armeecorps stand ein heißer Tag bevor, es sah indessen mit um so größerem Vertrauen auf die oft bewährte Umsicht und Tapferkeit seines Chefs (Helldorf III, 49). Am frühen Morgen begann Eugen den Angriff gegen die Dörfer Pantin und Romainville, welche nach schweren Kämpfen genommen und heldenmütig gehalten wurden. Dies war von ausschlaggebender Bedeutung. Wären diese Dörfer von den Franzosen zurückerobert worden, dann hätte an diesem Tage die Schlacht nicht ausgekämpft werden können, Napoleon konnte in der Nacht nach Paris zurückkommen und er hätte durch seine persönliche Gegenwart den Widerstand verdoppelt. Eugen hielt die Dörfer fest und Schwarzenberg sandte ihm Garden und Reserven zur Verstärkung, so daß er um Mittag sechs Divisionen unter seinem Befehl hatte. Jetzt, um 12 Uhr, mußte der Prinz den Kampf unterbrechen bis die Erfolge des schlesischen Heeres oder die Ankunft des Kronprinzen von Württemberg auf dem Schlachtfelde ihn berechtigten wieder vorzugehen. Als das Korps des Kronprinzen von Württemberg in die Schlachtlinie eingerückt war, erhielt Eugen von Barclay den Befehl zum Vorrücken; er ließ durch seine Bataillone die Höhe von Pré-St.-Gervais erklimmen und setzte sich darauf fest. Von den Höhen von Menil-Montant und Belleville blickte er jetzt, begrüßt von dem Hurrah der ihn vergötternden Soldaten, auf das zu seinen Füßen liegende Paris. Gleichzeitig kamen Nachrichten von dem glänzenden Fortschreiten Blücher’s im Norden, von den Erfolgen Yorck’s und Kleist’s und von dem Abschlusse eines Waffenstillstandes.

Trotz der herrlichen Leistungen vor Paris wurde in dem Armeeberichte von Barclay der Heldentaten des 6. Korps rühmlichst gedacht, des Prinzen Eugen Namen jedoch abermals mit Stillschweigen übergangen. Zwar sagte der Kaiser Alexander dem Prinzen an der Barrière Pantin sehr schmeichelhaft: „Sans vous, nous ne serions pas ici!“ und ernannte ihn zum General der Infanterie, stellte dadurch seine früheren Vorgesetzten unter seine Befehle, er hingegen - bat um seinen Abschied, welchen er jedoch nicht erhielt.

Die Ehre, als der Erste von dem gesammten Heere der Verbündeten in Paris einzurücken, ward Eugen zu Teil. Am 31. März 1814 8 Uhr Vormittags erhielt Eugen den Befehl mit 1000 Mann in Paris einzumarschieren und das Hôtel de Ville zu besetzen, was pünktlich vollzogen wurde, worauf die Alliierten ihren Einzug in des Feindes Hauptstadt nahmen.

Die Friedensjahre 1816 bis 1825 verbrachte Eugen teils in St. Petersburg, teils auf seinem Stammschlosse Karlsruh in Schlesien, teils auf Reisen, viel mit Studien und wissenschaftlichen Arbeiten beschäftigt. Als die Nachricht von dem Tode Kaiser Alexander’s I. zu Taganrog in St. Petersburg anlangte, befand sich Eugen in eben dieser Hauptstadt, um wieder um seinen Abschied zu bitten. „Die Verhältnisse waren jetzt so kritisch, daß kein treuer Anhänger solch’ einen Zeitpunkt zum Rücktritt aus der Aktivität mit Ehren wählen konnte. Dann zeigte sich auch Nicolaus I. am 26. Dezember 1825, wo er durch seinen persönlichen Mut, seine Entschlossenheit und Geistesgegenwart das russische Reich aus der größten Gefahr rettete, in einer mich bezaubernden Seelengröße. Ich hatte den Tag in der Nähe des Kaisers viele Gefahren glücklich überstanden und dem Monarchen meine Anhänglichkeit bewiesen, war aber viel zu wenig in die gerade vorherrschenden Verhältnisse eingeweiht worden und hatte auch wenig Ermächtigung zum Selbsthandeln erhalten, um irgend einen wesentlichen Dienst leisten zu können.“ Eugen war an diesem Tage abwechselnd im Schlosse und abwechselnd auf dem Senatsplatze, wo die Meuterer sich unter den Augen des Kaisers versammelt hatten, in den entscheidendsten Augenblicken aber an letzterem Orte gegenwärtig. Einige Tage später sagte ihm Nicolaus: „Ich begreife nicht, wie man mir und Dir nicht vor den Kopf geschossen hat!“ (Memoiren III, 313–315).

Im russisch-türkischen Kriege von 1828 erhielt Eugen das Commando des 7. Armeekorpes, „das übrigens ganz zerstückelt war. Deshalb blieb mir denn auch kein besonders erheblicher Wirkungskreis beschieden und nur die mannigfaltigen höheren Anordnungen verwickelten mich in einige Gefechte in der Umgegend von Schumla, welche zum Teil blutiger waren, als die Umstände rechtfertigen konnten. In eine spätere bedeutende Operation mischten sich dagegen so viele Intrigen, daß es fast an das Wunderbare grenzte, wie ich aus dem mir bereiteten Labyrinthe noch so glücklich herauskommen konnte, obgleich dabei recht viele nutzlose Menschenopfer zu beklagen blieben“ (Memoiren III, 329.

Den Winter 1828/29 brachte er in Karlsruh in Schlesien zu. Da erhielt er durch Kaiser Nicolaus selbst, begleitet von einem ungemein schmeichelhaften Schreiben, welches hohe Anerkennung ausdrückte, die Insignien des Andreasordens in Brillanten. Es ist in Russland allgemein üblich, sogar dienstgemäß, daß dergleichen Rescripte sofort vollinhaltlich veröffentlicht werden. Das kaiserliche Handschreiben an Eugen wurde aber bei dieser Gelegenheit verfälscht und ihm ganz unbedeutende Worte untergeschoben, ein Beweis, daß die Missstimmung am Hofe, welche sich von 1801 her datiert, nicht erloschen war.

Nach Beendigung des russisch-türkischen Krieges zog sich Eugen auf sein Schloß Karlsruh in Schlesien zurück und nahm einige Jahre später seinen definitiven Abschied aus dem aktiven Dienste. Hier beschäftigte er sich mit Studien über Geschichte und Politik, über Staaten- und Militärorganisation, mit Abfassung seiner Memoiren und anderer Schriften, ja auch mit Komposition musikalischer Werke; hatte er doch schon 1808 eine Oper, „Die Geisterbraut“, komponiert, welche 1830 in Breslau 26 Mal zur Aufführung gelangte.

Eugen v. W. war zwei Mal vermählt, in erster Ehe (1817–1825) mit Mathilde, Tochter des Fürsten Georg von Waldeck, in zweiter Ehe mit Helene, Tochter des Fürsten Karl zu Hohenlohe-Langenburg (seit 1827), welche ihn überlebte. Der ersten Ehe entspross ein Sohn, Eugen, der zweiten ebenfalls ein Sohn, Wilhelm. Das Eugen nach den Erfahrungen, welche er in russischen Diensten gemacht, keinen seiner Söhne ähnlichen Bedrängnissen auszusetzen gesonnen war, ist erklärlich. Der junge Prinz Eugen (geb. 1820) trat in das preußische Heer und starb 1875 als General der Kavallerie. Herzog Wilhelm v. W. wurde österreichischer Offizier und starb 1896 als Feldzeugmeister (s. A.D.B. XLIII, 213 f.).

Prinz E. v. W. schied am 18. September 1857 zu Karlsruh in Schlesien aus dem Leben. Wo jemals von den Helden der Befreiungskriege von 1812 bis 1814 die Rede ist, da muss Prinz Eugen v. W. in erster Linie genannt werden. Und dies um so mehr, als die deutschen Geschichtsschreiber an ihm eine doppelt schwere Schuld zu sühnen haben; einmal ihre eigene, denn über keinen der deutschen Freiheitskämpfer hat man bisher so wenig berichtet; andererseits müssen wir Deutsche die wahrhaft empörende Art, wie alle russischen Militärberichte und Geschichtsschreiber die Leistungen Eugen’s herabgesetzt, verschwiegen und lügnerischer Weise auf andere Personen übertragen haben, immer und immer wieder ans Tageslicht ziehen und dafür sorgen, daß die Wahrheit nicht nur bei uns, sondern auch bei den Geschichtsschreibern anderer Völker zur Anerkennung komme.

Aus dem Leben des Kaiserlich Russischen Generals der Infanterie Prinzen Eugen von Württemberg aus dessen eigenhändigen Aufzeichnungen sowie aus dem schriftlichen Nachlass seiner Adjutanten gesammelt und hergegeben von Frhrn. zu Helldorf, General-Major z. D. 4 Teile. Berlin 1861–62. – Memoiren des Eugen von Württemberg. 2 Teile. Frankfurt a. O. 1862. – Erinnerungen aus dem Feldzuge des Jahres 1812 in Russland von dem Herzog Eugen von Württemberg. Breslau 1846. (Mit Ausnahme der Einleitung und der Nachträge, also von S. 22–185 wieder abgedruckt im 2. Bande der Memoiren.) – Die nachgelassene Korrespondenz zwischen dem Herzog Eugen v. W. und dem Chef seines Stabes während der Kriegsjahre von 1813 und 1814, dem damaligen Obersten in russischen und späterhin General in preußischen Diensten v. Hofmann, sowie ein skizziertes Lebensbild des Letzteren. Von Alfred v. Hofmann-Chappuis, kgl. preuß. Oberstleutnant a. D. Cannstadt 1883. – Beitzke, Geschichte der Deutschen Freiheitskriege in den Jahren 1813 und 1814. 3 Bände. Berlin 1859–60. – Helfert, Die Schlacht bei Kulm 1813. Wien 1863. – E. Burckhardt, Ein vergessener Held der Befreiungskriege (Gartenlaube 1868, Nr. 36 und 37).

Eugen, Friedrich Karl Paul Ludwig, Herzog von Württemberg (1788-1857) kaiserlich russischer General der Infanterie

Eugen, Friedrich Karl Paul Ludwig, Herzog von Württemberg (1788-1857) kaiserlich russischer General der Infanterie

Bildnis Napoleons von Pagnest 1813.

Bildnis Napoleons von Pagnest 1813.

Napoleon in Dresden 1812. Zeitgenössischer Stich von G.E. Opiz.

Napoleon in Dresden 1812. Zeitgenössischer Stich von G.E. Opiz.

Die Trümmer der französischen Armee bei ihrer Rückkehr ins Vaterland. 4

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Die Trümmer der französischen Armee bei ihrer Rückkehr ins Vaterland. 2

Die Trümmer der französischen Armee bei ihrer Rückkehr ins Vaterland. 2

Die Trümmer der französischen Armee bei ihrer Rückkehr ins Vaterland. 3

Die Trümmer der französischen Armee bei ihrer Rückkehr ins Vaterland. 3

Die Trümmer der französischen Armee bei ihrer Rückkehr ins Vaterland. 1

Die Trümmer der französischen Armee bei ihrer Rückkehr ins Vaterland. 1