Erziehung zur Anmut

Aus: Das Buch für Alle. Illustrierte Familienschrift. Zeitbilder. Heft 1. 1927
Autor: A. Gneist, Erscheinungsjahr: 1927

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Themenbereiche
Enthaltene Themen: Kinder, Erziehung, Familie, Schule, Gesichtsausdruck, Anmut, Kinderstube,
Wohl alle Eltern haben den berechtigten Wunsch, dass ihre Kinder mit einem recht angenehmen Äußern ausgestattet sein möchten, da es als eine Art Freibrief gilt, der den Lebensweg erleichtert. Um zu diesem Ziel zu gelangen, bemüht man sich eifrig, den äußeren Menschen durch die Kleidung dem Auge wohlgefällig zu gestalten. Das gelingt aber nur zum Teil, wenn nicht auch noch eine ganze Anzahl ebenso wichtiger Gesichtspunkte berücksichtigt werden. Selbst die Regelmäßigkeit und Formenschönheit eines Gesichts sind es nicht, die uns anmuten. Nur die Anmut des Wesens verleiht ein wirklich sympathisches Äußeres, das den Weg zu den Herzen der Menschen erschließt. Ungemein viel kann schon in der Kinderstube dazu beigetragen werden, um an der Hand von geeigneten Maßnahmen dem Kinde diese köstliche Mitgabe fürs Leben zu verleihen.

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Wenn man sich klarmacht, dass nicht die schöne Form, sondern der Ausdruck ein Gesicht sympathisch oder absprechend erscheinen lässt, so ist bereits ein Fingerzeig gegeben, dass auf die Pflege des Gesichtsausdrucks schon von klein auf das Augenmerk gerichtet werden muss, eine Aufgabe, die in das seelische Gebiet fällt. An einem Beispiel lässt sich die Richtigkeit dieser Behauptung sofort beweisen. So wirkt ein Kind, dass zwar ein hübsches Gesichtchen, aber mürrische Launen aufweist, in nicht zu ferner Zeit abstoßend, da sein unfreundliches Wesen nach und nach unschöne Züge im Gesicht hinterlässt. Es ist bekannt, dass das Äußere der Spiegel der Seele ist, folglich ergibt sich von selbst, dass die Pflege des Äußeren in erster Linie von innen heraus zu erfolgen hat. So ist es wohl möglich, dass sich bei einem Kind, das eine neidische, missgünstige Veranlagung hat, im Gesicht ein scheeler, feindseliger Zug einnistet. Auch hochmütige Sinnesart, Zorn, Wut, Verschlagenheit, Dreistigkeit beeinflussen den Gesichtsausdruck. Bleiben diese Eigenschaften bestehen, so zeichnen sie sich von Jahr zu Jahr schärfer im Antlitz ab, ja, sie geben dem Wesen das Gepräge. Der richtigste und erfolgreichste Weg, um zu verhüten, dass etwaige unschöne Charaktereigenschaften, von denen schließlich niemand ganz frei ist, ihre Spuren im Gesicht eines Menschen hinterlassen, ist der, dass man von frühester Jugend an kein „Sichgehenlassen“ duldet. Schon ein Kind kann es begreifen, dass sich ein gesitteter Mensch äußerlich durch seine von innen heraus gepflegte Erscheinung von dem unbeherrschten, ungezügelten Rohmenschen unterscheidet, und man kann es dem Kinde unschwer klarmachen, welch ein himmelweiter Unterschied zwischen einem Kinde besteht, das gelernt hat, unschöne Regungen niederzukämpfen und dementsprechend seinen Gesichtsausdruck zu meistern, und einem vernachlässigten Kinde, das sich gehen lässt, dem man „eine schlechte Kinderstube“ ansieht. Kinder zur Menschenfreundlichkeit erziehen, heißt, liebenswürdige Kinder heranbilden, und Liebenswürdigkeit ist Anmut.

Jedoch nicht minder groß ist die Rolle, die das körperliche Moment bei der Erziehung zur Anmut spielt. Duldet man, dass ein Kind durch den Mund atmet, womöglich gar noch mit vorgelegter Zunge, so erhält das Gesicht einen blöden Ausdruck. Sind Nasen- und Rachenkrankheiten die Ursache, so muss schleunigst durch hygienische Maßnahmen auf deren Beseitigung hingearbeitet werden, bevor der blöde Ausdruck festgewurzelt ist. Häufiges Verziehen der Gesichtsmuskulatur, wie Hochziehen der Augenbrauen, Zornfalten, Zusammenkneifen der Augen, sind üble Angewohnheiten, die bekämpft werden können, bevor sie ihre Runen im Antlitz eingegraben haben. Unschöner, plumper Gang, eine unmanierliche Sprechweise sind ebenfalls Feinde der Anmut, selbst vorlautes, unbescheidenes Wesen, unfreundliche Mienen würden ein Hinderungsgrund sein. „Fröhliche Herzen, anmutige Mienen ziehen die Menschenherzen an wie die Blumen die Bienen!“

Ringelreihen Rosenkranz.../Scherenschnitt von Rostás

Familie, Kinder, Schwesterchen

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Ringelreihen Rosenkranz

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