Erinnerungen aus dem Kriegerleben eines 82jährigen Veteranen der österreichischen Armee

mit besonderer Bezugnahme auf die Feldzüge der Jahre 1805, 1809, 1813, 1814, 1815
Autor: Maximilian Ritter von Thielen, Erscheinungsjahr: 1863
Themenbereiche
Enthaltene Themen: maximilian ritter von thielen, Erzherzog Maximilian Franz, Österreicher, von Prokesch, Feldmarschall, Soldaten
Inhaltsverzeichnis
    Vorwort
    Zweiter Abschnitt: Das Jahr 1813
    Dritter Abschnitt: Das Jahr 1814
Vorwort

Indem ich es wage, hier in dem vorliegenden Werke die Erinnerungen eines langen Soldatenlebens der Oeffentlichkeit zu übergeben, in welchem ich bald 60 Jahre der österreichischen Armee angehöre, weiss ich mich sehr gut zu bescheiden, dass die Ereignisse, die sich für meine Person an dies Leben knüpfen, kaum auf nur gewöhnliches Interesse Anspruch machen können; allein die Zeit in der ich gelebt, die Begebenheiten, die sich mit ihr vermählten die Männer, die ich gesehen, die ich gekannt, mit denen ich gelebt, und mit, und unter denen ich gedient, sind es, deren Erwähnung in meiner Arbeit auf die Theilnahme der Leser wird rechnen dürfen.

Kein geborner Oesterreicher erblickte ich dennoch das Licht der Welt unter dem Scepter eines erlauchten Sprossen des erhabenen Stammes Habsburg, dem Erzherzog Maximilian Franz Churfürsten und Erzbischofe von Köln, Bruder des unvergesslichen Kaiser Joseph II, und schon von Kindesbeinen an ererbte ich von meinen Eltern die innigste Liebe für Oesterreich, die angeborne Anhänglichkeit an seinen durchlauchtigsten Herrscherstamm. Also durch und durch, mit Leib und Seele Oesterreicher, jetzt um so mehr, als mein allergnädigster Kaiser und Herr, kürzlich durch meine Erhebung in den Ritterstand des österreichischen Kaiserstaats diesem glühenden Gefühle allergnädigst die Weihe zu ertheilen geruhten, können sich meine Erinnerungen hauptsächlich nur auf mein gegenwärtiges theueres Vaterland, auf Personen beziehen, die ihm angehören; meine eigenen kleinen Erlebnisse dienen mir dann nur zum Faden, an denen sich die Begebenheiten einer denkwürdigen Zeit abspinnen.

Rechne ich dann die Zeit des Befreiungskrieges, die Jahre 1813 und 1814 als jene, welche die schönsten Erinnerungen meines militärischen Lebens in sich fasst, um so mehr als ich diese beiden Feldzüge in der nächsten Umgebung des Feldmarschalls Fürsten Schwarzenberg zu dienen, und des Fürsten besonderer Rücksicht mich zu erfreuen das Glück hatte, so würde es mir dennoch nicht in den Sinn gekommen sein, die unbedeutenden eigenen Erlebnisse der Oeffentlichkeit zu übergeben, wenn nicht der heisse Drang, jenen rücksichtslos perfiden Schriften, in so weit sie zu meiner Kenntniss gekommen, kühn entgegen zu treten, welche die Ehre Oesterreichs, seines Kaisers, seines Feldherrn und seines Heeres, auf eine nie dagewesene Weise angreifen, mir die Feder in die Hand gedrückt hätte, um Schriften zu antworten, die oft mit einer an Infamie grenzenden Unverschämtheit die Wahrheit, die Thatsachen entstellen, verdrehen, läugnen, und durch Lügen ersetzen wollen.

Habe ich früher schon als getreuer Unterthan meines Kaisers, als Mitglied der tapfern Armee in Zeitblättern das Amt des Vertheidigers von Recht und Wahrheit für mein Vaterland geübt, so gilt das freilich nur für die Zeitgenossen, unsere Nachkommen werden von diesen Blättern nicht erreicht werden; dagegen werden die in den perfiden selbstständigen Werken enthaltenen Lügen und Verläumdungen auch von unsern Nachkommen gelesen, und unwidersprochen als wirkliche Thatsachen angenommen werden.

Dies zu verhüten, so weit es in meinen schwachen Kräften steht, habe ich hier meine frühern Urtheile über jene Schriften, zu denen ich mich als Zeitgenosse, Augenzeuge und Mitkämpfer berechtigt, ja verpflichtet hielt, in ein eigenes Werk zusammen gestellt, das, wenn es auch der gewöhnlichen Anziehungskraft, des Scandals, der Verdächtigungen, Verläumdungen und Lügen entbehrt, der Wahrheit wegen, mit der es geschrieben, und der noch von Niemanden mit gerechtem Grunde widersprochen worden ist, an Dauer jenen perfiden Schriften gleich kommen dürfte, wobei vorauszusetzen, dass der gerechte Geschichtsforscher der Zukunft dasselbe nicht unbeachtet liegen lassen wird.

Dass ich in meiner Arbeit dem vielverläumdeten und meist verkannten Feldmarschall Fürst Schwarzenberg, als Hauptträger des Ganzen der beiden Feldzüge, und dem zumeist angegriffenen, eine ganz vorzügliche Rücksicht zu widmen mich verpflichtet fühlte, wird wohl Niemand beanstanden.

Sagt Herr von Prokesch in dem Vorworte zur neuen Ausgabe seiner Denkwürdigkeiten aus dem Leben des Feldmarschalls : „Es konnte wie natürlich, einem so hochgestellten und hervorleuchtenden Manne, an Missgunst grosser und kleiner Leute nicht fehlen; es musste nach der Macht und Glanzperiode der gemeinsamen Abwehr und des gemeinsamen Sieges, die Rückkehr Deutschlands zu seiner lockern Gestaltung und seinen Innern Gegensätzen, auch über den Feldherrn der grossen Epoche das Abbild und den Ausdruck finden; es mussten die Unwissenheit, die halbe Kenntniss, der Dünkel, die berechnende Lästerung, die politische Eifersucht und wie sie alle heissen mögen, die dem Menschen anklebenden Schwächen, sich gegen ihn breit machen. Das ist wohl zu beklagen, aber nicht zu hindern, noch durch Widerlegung wieder gut zu machen; es fällt im Laufe der Zeit von selbst wieder ab, wie Anwurf und Tünche;“ so erlaube ich mir damit nicht ganz einverstanden zu sein. Denn wenn in der Lüge und Verläumdung die Schriftsteller mehrerer Nationen sich vereinigen, vielleicht dadurch nur übereinstimmen, weil Einer den Andern abschreibt, so scheint es um so mehr geboten, noch bei Zeiten mit der Wahrheit ihnen entgegen zu treten.

Wenn nun nach der fernern Meinung des Herrn von Prokesch: „für das geschichtliche Verständniss und für die vollendete Darstellung des Innern Menschen, keine Quelle reiner und lauterer wäre, als die Briefe des Fürsten an seine Gemalin, einer der begabtesten und edelsten Frauen nicht blos unserer Zeiten;“ so muss ich es als eine Gunst des Geschickes ansehen, das meinem Streben in dieser Hinsicht zu Hilfe kommt, indem die Huld des ältesten Sohnes des Feldmarschalls, des Fürsten Friedrich zu Schwarzenberg, mir die unschätzbare Befugniss ertheilte, den Briefwechsel seines erlauchten Vaters mit seiner Gemalinn, von dem Zeitpunkte der Schlacht von Leipzig bis zum Marsche der alliirten Armeen nach Paris, in meine Arbeit aufzunehmen.

„Menschen und Ereignisse erscheinen in diesen Briefen“, sagt Herr von Prokesch, „in ihrer wirklichen wahren Gestalt; auf viele für die Geschichte dunkle Stellen fällt der sichere Strahl des Tages, alle geben gleichzeitig Zeugenschaft in Worten voll Seele von den schönsten Gefühlen, die ein menschliches Herz bewegen können.

Ist nun eigentlich die Vertheidigung des erlauchten Feldherrn gegen perfide Anmaassung fremdländischer Schriftsteller das Hauptziel dieser Arbeit, so möge die Kritik mir verzeihen, dass ich die grossen Ereignisse einer unvergesslichen Zeit hier mit den geringfügigen Erlebnissen eines einfachen Officiers in Verbindung bringe; als Augenzeuge und Mitstreiter in dem grossen Weltkampfe, habe ich die angenommene Form als die mir leichteste erkannt, und bin ihr deshalb gefolgt.

Mag dann das Urtheil über die Arbeit noch so streng ausfallen, so werde ich Beruhigung in dem Gedanken finden, dass die Idee zu derselben aus dem tiefen Gefühle für die Ehre Oesterreichs, für den Ruhm seiner tapfern Armee entsprungen ist.

Der Verfasser.
Maximilian Ritter von Thielen