Wasserschieling, Wodendung, Wuthschierling, Wütherich, Wuthkrankheit, Teufelsbeere, Wolfskirsche.

Ich komme endlich, mit Uebergehung der Insecten und Würmer, über die ich Nichts beizubringen weiß, zu den Pflanzen, unter welchen die giftigste von allen, der große Wasserschierling (cicuta virosa) Wodan’s Namen trägt. Die Wurzel dieses Gewächses heißt nämlich in Meklenburg, zugleich mit Rücksicht auf ihre Gestalt, der Wodendung 1). In andern Gegenden wird dasselbe der Wuthschierling, der Wütherich genannt, ein Wort, dessen Beziehung auf Wodan und sein wüthendes Heer Grimm nachweis’t (S. 95). Auch die Wuthkrankheit der Wölfe und Hunde erinnert an ihn. Eben diese Bezeichnung findet sich nun auch bei mehren Giftpflanzen, deren Namen in andern Gegenden von dem Wolfe oder dem Teufel selbst entlehnt sind, und grade diese Wechselbeziehung ist ungemein wichtig. Man vergleiche nur folgende, meistens auch in Meklenburg gebräuchliche Namen von Giftpflanzen:

Die Teufelsbeere, Wolfskirsche, Wuthbeere (Atropa belladonna), soll zugleich Heilmittel gegen die Hundswuth sein; aus der Wurzel der A. mandragora machte man das auch bei uns bekannte Alrünken, Alraune, eine Puppe, der man die stärkste Zauberkraft zuschrieb; - das Teufelsauge, Bilsenkraut (Hyosciamus niger), woraus eine berühmte Hexensalbe gemacht ward; - die Teufelskirsche, Hundskirsche, Hundsbeere (Lonicera xylosteum), eine Art Geisblatt oder Albranke; - die Teufelswurz, Wolfswurz, Wolfskraut (Aconitum napellum und lycoctonum), der Sturmhut, Eisenhut, altnordisch Tyrhjalm, dänisch troldhat, englisch Libbardban, zugleich zauberkräftig; - die Teufelskirsche, Teufelsbeere, Judenkirsche (Physalis alkekengi); - die Teufelsmilch, Wolfsmilch, Hundsmilch (Euphorbium); - die Wolfsbeere, Fuchsbeere, Einbeere, Sternkraut (Paris quadrifolia); - das Wuthkraut, der Gauchheil (Anagallis phoenicea und arvensis), zugleich Heilmittel gegen die Wuthkrankheit - Für den Nachtschatten (Nachtschaden? englisch nightshade, Solanum nigrum und dulcamera) kenne ich nur die Namen Albranke und Schlafbeere, keinen Teufels- oder Wolfsnamen, und für den giftigen Lolch (Lolium tremulentum) nur ein Tollkorn, kein Wuthkorn. - Nicht giftig, aber gewiß zauberkräftig ist die Teufelsklaue, Wolfsklaue, Drudenfuß (Lycopodium), dessen feiner Saamenstaub Hexenpulver oder Blitzpulver hieß 2). Aus dieser Zusammenstellung folgt unabweislich, daß die Wörter Teufel, Wolf und Wuth hier vollkommen gleichbedeutend gebraucht sind, woraus zugleich, selbst ohne Rücksicht auf jenen Wodendung, klar wird, daß dieser Wolf nur der mythische sein kann, und daß dieser Teufel kein anderer ist, als Wodan. Weniger entscheidend sind die von andern Wodansthieren entlehnten Pflanzennamen, z. B. das Katzenkraut (Teucrum marum) und Katzenmünze (Nepeta cataria); das Krötenkraut (Senecio vulgaris), früher modelgeer (madelgêr) genannt und zu Liebeszauberei gebraucht (Gr., p. CLXI); der Raben - oder Krähenfuß (plantago major und plantago aquatica, Wegerich), aus dessen Blättern die sogenannten Heckemännchen gemacht wurden, von denen man glaubte, daß sie im Spiele Glück brächten; die Krähenzehe und die Krähenbeere; desgleichen die Kukuksblume (bei uns orchis maculata, in andern Gegenden Lychnis flos cuculi), der Kukukssalat oder das Kukuksbrod (oxalis acetosella) und der Gauchheil (anagallis arvensis und veronica anagallis) u. s. w. Wichtig ist auch, daß fast alle diese Wodanskräuter zugleich Zauber- und Hexenkräuter sind; hieher gehören aber auch sonst noch, schon dem Namen nach, das Hexenkraut (Lutea circaea) und der Hexenbaum (Vogelkirsche und Ahlkirsche). Von andern größeren Gewächsen erscheinen besonders der Flieder (Sambucus nigra), die Haselstaude und der Schwarzdorn in vielen Sagen als zauberhaft. Der Flieder spielt in unsern Hexengeschichten und abergläubischen Curen eine große Rolle und steht in holsteinischen Sagen in directer Verbindung mit dem wilden Jäger (Müllenhoff, S. 378 - 80). Aus der Haselstaude wird die Wünschelruthe geschnitten, deren Bezug auf Wodan, der selbst als personificirter Wunsch erscheint, Grimm ausführt (Gr., S. 99). Sie verträgt sich nicht mit der Eiche, wie der Schwarzdorn mit dem Weißdorn feindlich ist. Wenn der erstere blüht, giebt es einen Nachwinter; zugleich aber schützt er vorzugsweise gegen alle Zauberkünste.





1) Wredow, tabellarische Uebersicht der in Meklenburg wild wachsenden Pflanzen. S. 289 und in Acten des 17. Jahrhunderts.
2) Die Wolfsbohne (Lupinus) hieß schon bei den Römern lupinum, und Wolfsgesicht, dänisch ulvetjaes, ist Uebersetzung des griechischen ????????, Wolfsrachen aber ist von der Gestalt der Blume entlehnt, ohne mythische Beziehung. Einige andere Wolfskräuter weiß ich nicht näher zu bestimmen.