Sage, Mecklenburg, Volksmundart, Schriftsteller, mecklenburger Aussprache, Landvolk, Prignitz, Lüneburg.

Die meklenburgische Sage kennt nun gleichfalls sowohl die männliche, als die weibliche Gottheit, aber beide nur unter dem ächten, alten Namen des Gottes Wode, unverkennbar eine bloße Verkürzung aus Wodan. Die neueren einheimischen Schriftsteller, welche dieser Erscheinung gedenken, schreiben den Namen nach der Volksmundart ihrer Gegend bald Wode oder Waud, bald Wôr oder Waur. Der Doppellaut au, oder genauer vielleicht ou, vertritt nämlich in der breiten Aussprache des Landvolkes, besonders im östlichen Meklenburg, bekanntlich die Stelle des ursprünglichen tiefen ô, und das auslautende d vor dem abgeworfenen e verwandelt sich nach allgemeiner meklenburgischer Aussprache in r, z. B. de Gor’ (Gaur’), statt Gode - der Gute, de Bôr’ (Baur’) statt de Bode - die Bude, de Rôr’ (Raur’) statt de Rôde - die Ruthe und der Rothe, u. s. w. Wode, Waud’, Wor’ und Waur’ sind also nur verschiedene Formen eines und desselben Namens. Mehr abweichend ist die Form Gode, welche bei uns jedoch nur von der weiblichen Erscheinung, der Fru Goden, in der südlichen Grenze des Landes, wie der benachbarten Prignitz, Lüneburg, Braunschweig u. s. w. gebraucht wird, aber durchaus nicht irre machen darf, da auch der Name des Gottes Gwodan, Godan geschrieben wird. Endlich findet sich noch die Form Wol statt Wor’ *), die ich zwar aus dem Munde des Volkes selbst nicht zu bestätigen vermag, die aber auch im Holsteinschen (Müllenhoff S. 371) und in der Gegend vom Steinhuder See im Hannoverschen (K. u. Sch. S. 395) vorkommt und sich dem Schaumburgischen Wold vergleicht (Gr. S. 105).

Die Weiblichkeit der Fru Woden oder Goden beruht übrigens vielleicht nur auf einem Mißverständnisse, denn das Fru könnte ursprünglich dem althochdeutschen frô, gothisch frauja, d. h. Herr entsprochen haben, da Ulfilas grade diesen Ausdruck vorzugsweise zur Bezeichnung Gottes gebraucht, und in der That scheint auch der Pastor Mussäus zu Boizenburg, ein scharfsinniger Beobachter der Sitten und Sagen des Volkes, in seiner Gegend einem männlichen Fru Wod begegnet zu sein **). Da indeß unsere Fru Woden zugleich der Frau Fricke, Holda, Bertha u. s. w. in andern Gegenden Deutschlands vollkommen entspricht, so ist doch auch möglich, daß sich die Sage ursprünglich auf eine weibliche Gottheit, nämlich die nordische Frigg, bezieht, auf die man nicht nur den Namen ihres Gatten übertrug, sondern beide auch dem Wesen nach mit einander vermischte. Daß aber für den Namen der weiblichen Erscheinung die Form Gode vorherrschend ward, hängt ohne Zweifel damit zusammen, daß man vorzugsweise die milderen Züge der Sage auf sie übertrug und dem gemäß ihren Namen durch die gute Frau erklärte. Diese Bezeichnung paßt indeß keineswegs auf das eigentliche Wesen der Erscheinung, weshalb in einigen Gegenden des Landes die Sage, ohne Zweifel in jüngerer Zeit, der Fru Goden noch eine Fru Bösen ***) entgegensetzt, grade wie die Frau Holde auch als Frau Unholde erscheint. Dagegen treten der männliche Wode und Fru Goden niemals neben einander auf, indem vielmehr in allen Gegenden, wo jener sein Wesen treibt, d. h. namentlich an der Seeküste und in der Mitte des Landes, diese völlig unbekannt ist, und umgekehrt.


Am bestimmtesten tritt nun die Identität dieser Erscheinungen mit den heidnischen Gottheiten in den abergläubischen Gebräuchen des Volkes zur Zeit der Ernte und in den sogenannten Zwölften, d. h. den 12 Tagen von Weihnacht bis H. drei Könige hervor, in welche Zeit die beiden Hauptopferfeste des Nordens fielen, an welche sich vorzugsweise die Verehrung Othins oder Wodans knüpfte. Das große Herbstopfer war zwar zunächst und hauptsächlich ein Dankopfer für den Erntesegen (til ars), aber es galt auch zugleich dem kommenden Winter (at fagna tha vetri, d. h. zum Empfange des Winters), und diese Bedeutung tritt auch auf dem Festlande in den Gebräuchen unsers Erntefestes bestimmt und unzweideutig hervor, indem man früher allgemein und theilweise noch jetzt beim Abmähen des Winterkorns auf jedem Felde einen Haufen stehen ließ und feierlich dem Wode weihete.




*) Ueber den Aberglauben, von dem verstorbenen Prof. Flörke zu Rostock, in dem Freimüthigen Abendblatt 1832, Nr. 698 ff.
**) Mussäus über die niedern Stände in Meklenburg, Jahrb. II, S. 130.
***) Im 16. und 17. Jahrhundert kommt auch der Familienname Frobose ziemlich häufig vor.