Kriegsgott, Jagdgott, Drei Könige, Festzeit, Wode, Zwälften, Doppelgänger, Fastelabend, Woor, Goor, Polter-Geist.

Völlig unverkappt treibt aber der alte Kriegs- und Jagdgott und sein weiblicher Doppelgänger in den auf den heiligen Abend folgenden und während der ganzen alten Festzeit bis zu dem Tage der heiligen Drei Könige, welche Zeit man bekanntlich schlechthin die Zwölften nennt, sein unheimliches Wesen. Es ist dies nämlich die Zeit der wilden Jagd des Wode und der Fru Woden; zwar kommt diese Erscheinung den ganzen Winter hindurch vor (niemals im Sommer), vorzugsweise jedoch fiel das Jagdfest des Gottes in die heiligen Zwölften, weshalb ich hier zusammenstelle, was die Sage darüber berichtet. Den allgemeinen Glauben an diese wilde Jagd bezeugt schon der oben angeführte Bericht über den auf dem Lande herrschenden Aberglauben aus dem Ende des 16. Jahrhunderts, wo versichert wird, daß „der Bauren bericht nach mehr gemeldter Wode, oder vielmehr der Teuffel selbst, sich oftmals zur Winterzeit des Nachts gleich einem Jäger mit einem Geschrei und hunden auffm Felde hören und sehen lasse“. Ganz ähnlich spricht sich Nicol. Gryse a. a. O. darüber aus. Johann Peter Schmidt, Professor in Rostock 1), bemerkt gleichfalls, indem er von Wodan spricht, daß noch viele Leute, besonders aber die Jäger den Wahn hegten, „als wenn um Weihnachten und Fastelabend aus der sogenannte Woor, die Goor, der wilde Jäger ziehe, das ist: der Teuffel mit einem Hauffen Polter-Geister eine Jagd anstelle“. Auch Franck (a. a. O. S. 55 und 56) kennt diese Wodensjagd namentlich in den Zwölften und versichert, daß man in allen Ostseeländern Vieles davon zu erzählen wisse, wie der Wode hier über den Hof, dort über die Küche gejagt. Er meint aber, daß die Fabel in Meklenburg ziemlich vergessen sei, nachdem durch Einführung der Glashütten die mehrsten Hölzungen des Adels sehr dünne gemacht worden. Wie sehr er darin irrte, beweisen die Berichte des Professors Flörke (über den Aberglauben, a. a. O.) und des verstorbenen Pogge auf Zierzow 2) u. a., welche übereinstimmend versichern, daß der Glaube an diese Jagdzüge noch jetzt unerschüttert und allgemein verbreitet ist. Eine genauere Schilderung der Jagd giebt Mussäus (a. a. O. S. 133). Nach ihm reitet der wilde Jäger, gewöhnlich „Waud“, an der Elbe Fruh Wod genannt, auf einem Schimmel mit vielen bellenden Hunden an einer Kette und vielen Kutschen über und neben einander, zuweilen auch (an der Elbe) in Gestalt eines Heuschobers, und wird von Einigen für einen alten Edelmann gehalten. Er thut denen nichts, die mitten im Wege bleiben; daher sein Zuruf an den Wanderer: „midden in den Weg!“ Aehnlich erschien er einem Bauern in Ganschow bei Güstrow. Auch ihn warnte der Führer des Zuges durch den Zuruf: „Hol den Mittelweg, unn min Hunnen dôn di nicks!“ 3) Er befolgt den Rath, und kliff, klaff, kliff, klaff geht es über ihn hinweg „aß ên grote Klugenball“ (d. h. als eine verwirrte Masse von Weberknäueln und Spulen). Auch einer Büdnerfrau aus Gutow, welche mit einem Mädchen von Bolkow nach Rosin ging, begegnete der unsichtbare Zug, welcher das Mädchen festbannte, daß sie durchaus nicht über den Bach kommen konnte, während ihr Hund furchtbar heulte und die Pferde, aus einer nahen Koppel ausbrechend, spornstreichs davon jagten, „Dat wier ok de Wor’.“ Noch schlimmer erging es Anderen, ja es fehlt nicht an Beispielen, daß die wilde Hetze den ihr begegnenden Wanderer förmlich zerriß und sich in seine Gliedern theilte. Auch saus’t der unheimliche Zug mitunter mit Pferd und Wagen unter furchtbarem Lärm mitten durch menschliche Wohnungen; so geschah es z. B. auf dem Weitendorfer Hofe, man sagt, zur Strafe des grausamen Gutsherrn.

Dieser wilde Jäger wird nun in andern Gegenden Meklenburgs abermals durch ein weibliches Wesen, die Frau Woden oder Goden, vertreten, über welche uns von dem Pastor Günther im achten Jahrgange dieser Schrift (S. 202 ff.), sowie in den norddeutschen Sagen (S. 2 - 3) aus den Aemtern Eldena und Grabow, Wredenhagen und Mirow sehr interessante Erzählungen mitgetheilt wurden. Nach der Eldenaer Sage war sie menschlicher Herkunft, eine reiche Frau, welche einst zur Strafe frevelnder Jagdlust mit ihren 24, nun in Hunde verwandelten Töchtern in die Wolken versetzt und zu der wüsten Gespensterjagd verdammt ward, durch welche der Wanderer in den dunkeln Winternächten der Zwölften, vorzüglich in der Christnacht und der Altjahrsnacht so oft in Schrecken gesetzt wird und die selbst durch die menschlichen Wohnungen hindurch braus’t, wenn die Bewohner unvorsichtig genug sind, an solchen Abenden die Thüren (oder Luken) offen zu lassen. Grade so erzählt die Sage in andern Gegenden Deutschlands die Geschichte Hackelbernds und anderer männlicher wilder Jäger, deren Identität mit Wodan Grimm (S. 515 ff.) überzeugend nachweis’t - Auch die einzelnen Züge in der Erscheinung unserer Fru Goden finden sich ganz ähnlich bei jenen wieder, so z. B. die Art und Weise, wie dieselbe sich rächt, als der Bauer zu Zirtow in das Gejuche der über sein Haus ziehenden Jagd mit einstimmt. Wie Fru Goden diesem ein Menschenbein, woran noch der Strumpf saß, mit den Worten ins Fenster warf: „Hestu mit jucht, möst ok mit freten“, so ward der Schneider in Münsterland zur Strafe für denselben Frevel durch einen Pferdefuß vom Tische geschlagen, wobei ihm mit fürchterlicher Stimme zu gerufen ward: „willst du mit jagen, mußt du mit knagen“ (Gr. S. 521). Auch in den zahlreichen Holsteinischen Sagen vom Wode und seinen Stellvertretern kommt dieser Pferdeschinken ganz in derselben Weise mehrmals vor (Müllenhoff, S. 369, 371 - 584). Eben so finden wir das auf dem Heerde zurückbleibende klagende Hündchen aus dem Jagdgefolge der Fru Goden in der Eldenaer und Mirower Sage, auch bei dem Helljäger der Wesergegend (K. u. Schw., S. 275 und 276), sowie bei dem westfälischen Hackelberend (Gr., S. 517) wieder; ja selbst die Verwandlung desselben in Stein wird dort, wie hier, mit geringer Abweichung erzählt. Auch stimmt die Mirower Sage mit jener darin überein, daß der Hund sich im folgenden Jahre der Jagd freiwillig wieder anschließt, nur ist ihr der auf seiner Lagerstelle zurückbleibende Goldklumpen eigen, wogegen der Hund in Semmerin nur durch das zauberhafte Brauen des Biers durch den Eierdopp gebannt werden konnte. Dies letzte Ereigniß erzählt aber auch eine andere einheimische Sage in Ueberinstimmung mit denen anderer Länder von den Zwergen bei Peccatel 4). Eigenthümlich scheinen der Eldenaer Sage die 24 Töchter, welche man vielleicht auf Othins Walkyrien beziehen darf, was abermals für die Zurückführung der Fru Goden oder Woden auf einen Herr Wodan sprechen würde.


In andern Zügen ist Fru Goden dagegen, wie schon oben bemerkt ward, völlig identisch mit der bekannteren Frau Holle (welche übrigens hie und da gleichfalls an die Spitze der wilden Jagd gestellt wird). Wie jene, hält namentlich auch diese ihren Umzug zu Wagen, niemals zu Pferde, und beschenkt diejenigen, welche ihr einen Dienst geleistet haben, mit den abfallenden Spänen und andern werthlosen oder unsauberen Dingen, die sich aber in der Hand des gläubig Empfangenden in reines Gold verwandeln. Ganz eigenthümlich ist aber wieder der Gesang im Kreise tanzender Kinder zu Gorlosen:
  Fru Goden hett mi’n Lämmken geven,
  darmit sall ick in Freuden leven.

Außer dem Wode und Fru Woden sind in den heiligen Zwölften aber auch alle übrigen bösen Geister in lebhafter Bewegung, und zu keiner Zeit des Jahres haben sie so große Gewalt über die Menschen, als namentlich in der Christ- und Neujahrsnacht 5), wo sie die Brunnen verunreinigen, das Vieh verderben, z. B. dasselbe hinkend machen und mit Läusen besetzen und überhaupt den Menschen in jeglicher Weise zu schaden suchen. Auch die Hexerei und alle Zauberkünste gelingen zu keiner Zeit des Jahres so leicht, als in den gedachten Nächten, weshalb um diese Zeit in Stadt und Land noch heute zahllose abergläubische Gebräuche geübt werden, namentlich zur Erforschung der Zukunft 6).




1) Fastelabendssammlungen, oder geschichtsmäßige Untersuchung der Fastelabends-Gebräuche in Meklenburg Rostock 1742, S. 76, in der Note.
2) Beobachtungen über die wilde Jagd, im Freimüthigen Abendblatt 1832, Nr.121, Beil. Pogge erklärt die Naturerscheinung, welche zu der Sage Veranlassung gegeben habe, durch die oft sehr zahlreichen Züge wilder Gänse, welche im Winter gegen Süden ziehen und ein in der That sehr unheimliches Geräusch und Geschnatter verursachten. Der alte Franck dagegen erinnert für frühere Zeiten daran, daß die Begattungszeit der Wölfe ungefähr in die Zwölften falle, wobei diese Thiere die Nacht mit furchtbarem Geheule erfüllten.
3) Nach einer Holsteinischen Sage lautete der Ruf, im großen Mardelweg zu bleiben. Müllenhoff S. 584. (Mardel statt Mirrdêl-Mitteltheil?)
4) Gr., 2te Ausgabe, S. 437. - - Jahrbücher IX, S. 371.
5) Die ähnliche Bewegung der bösen Winter-Geister im Frühjahre, welche jedoch eine ganz andere Veranlassung hat, kann ihre Erklärung erst bei Besprechung der Frühlingsfeste, welche ich auf Thor beziehe, finden, weshalb ich zur Vermeidung von Wiederholungen auf den 2ten Theil dieser Abhandlung verweisen muß.
6) Der Herzog Gustav Adolph erließ daher unterm 14. October 1683 zur Abstellung des abergläubischen Wesens in den Zwölften gleichfalls ein besonderes Edict, worin namentlich die bei der Jagd in dieser Zeit üblichen abergläubischen Gebräuche verboten wurden, die man wohl kennen möchte. Vergl. übrigens Herm. Christ. Engelken’s und Mantzel’s Weihnachtsprogramme, wo viele abergläubische Gebräuche in den Zwölften, namentlich am Weihmachts- und Neujahrsabend, angeführt werden. Ferner Jahrbücher IX, S. 219, Nr. 43 - 44.