Huginn und Muninn, Raben, Nachtrabe, Krähenzug, Eulenfüße, Zauberzeichen, Drudenfuß, Todesmahnung.

Der König der Vögel ist bekanntlich der Adler. Daher sah man vor Othin’s Wohnung über dem Wolfe einen Adler schweben. Bei uns ist das Thier zu selten, weshalb ich auch keine Sage von ihm kenne.

Bekannter sind Othin’s heilige Raben, Huginn und Muninn (die Denkkraft und die Erinnerung), die klugen Boten des Gottes, welche ihm nicht nur alle Ereignisse berichten, sondern auch seine Beschlüsse verkünden. Ihr Flug über dem kämpfenden Heere brachte hier Sieg, dort Niederlage und Tod. Auch Baldr’s Tod ward durch Othin’s Raben geweissagt. Daher kündet der Ruf des Raben über eine menschliche Wohnung noch jetzt einen Todesfall an. Nach hannoverschen Sagen führt der Nachtrabe das wilde Heer, ja selbst den Wagen des Gottes am Himmel (K. und Schw., S. 199 - 200). Zu dem Geschlechte der Raben gehören aber auch die diebischen Elstern und Dohlen, deren dämonische Natur vielfach durchblickt. Krähenzüge bedeuten Krieg. Mehre Giftpflanzen sind nach ihnen benannt; auch die giftige Brechnuß heißt bekanntlich Krähenauge, und eine unleserliche Schrift vergleicht man mit Krähen- und Eulenfüßen, welche Bezeichnung sich ursprünglich gewiß auf geheimnißvolle Zauberzeichen bezieht, wie der Drudenfuß.


Die hier mit der Krähe zusammengestellte Eule, der nächtliche Raubvogel, von welchem die Sage vielerlei zu erzählen weiß, steht auch darin dem Raben nahe, daß auch ihr unheimlicher Ruf als Todesmahnung gilt, wobei sie gleichsam als der Tod selbst erscheint, der sein Opfer auffordert, ihm zu folgen (Kumm mit!). Auch sonst ist ihre Erscheinung Unheil bringend, wie die Sprichwörter bezeugen: „Dar hätt ên Ul seten“, von dem Fehlschlagen der Hoffnung, und „Hê iß mit Ulensat besei’t“, von dem Unglücksvogel, dem Nichts gelingt. - Zweifelhaft ist die Stellung des Kukuks mit der räthselhaften Doppelnatur. Als Frühlingsvogel gehört er einem durchaus andern Mythenkreise an, aber der Glaube, daß er im Winter zum Raubvogel (Havk, d. h. Habicht) werde, ist auch hier allgemein. Er ist weissagend: auf die Frage: „Kukuk vom Heven) wo lang’ sall ick noch leven?“ giebt sein Ruf die Zahl der noch zu hoffenden Lebensjahre an, und in Holstein verkündet er auf eine ähnliche Frage den Mädchen, wie lange sie noch ledig bleiben müssen. Sein Lachen ist Unglück bringend, sein Speichel verkündet Regen. Bei der Verwünschung zum Kukuk vertritt er den Teufel. Auch in der Fabel, daß er sein Ei in das Nest der Grasmücke lege, und der junge Wechselbalg demnächst der Pflegemutter zum Danke den Kopf abbeiße, tritt seine dämonische Natur deutlich hervor. Die Sage, daß er ein verzauberter Bäcker sei, ist hier gleichfalls bekannt, von der Versetzung seiner frommen Frau und Töchter an den Himmel als Siebengestirn ist dagegen nur noch das Sprichwort von uneinigen Eheleuten übrig, die einander gerne aus dem Wege gehen: „se leben aß Kukuk unn Sävenstiern“, welches Gestirn nicht sichtbar ist, so lange der Kukuk ruft. Der Wiedehopf ist unsern Landleuten nur unter dem Namen Kukuksköster bekannt; ich kenne aber keine Sage, die dies Verhältniß erklärte. Auch mehrere Pflanzen werden nach ihm benannt. - Die mythische Bedeutung des Schwanes in der nordischen Göttersage ist bekannt. Zwei Schwäne schwammen auf Urda’s Brunnen an Yggdrasils Esche. Die Walkyrien, welche die gefallenen Helden von der Wahlstatt zu Othin führten, erschienen nach Anlegung ihres Schwanhemdes in Gestalt eines Schwanes, und sind die Schwanjungfrauen der deutschen Sage. Der Gesang des sonst stummen Vogels ist sein eigener Todesgesang. In Meklenburg hält sich dies heilige Thier nur selten auf, um so auffallender ist es aber, unter den verhältnißmäßig wenigen deutschen Ortsnamen des Landes 2 Schwansee, 1 Schwanheide und 1 Schwanbek zu finden. Auch mehre kleine Gewässer führen den Namen Schwanensee, und eine Waldung in der Gegend von Penzlin und Gr.-Vielen heißt in älteren Acten die Schwanheide, ein daran stoßender See aber noch jetzt der Wodens-See. - Dem Schwane zunächst verwandt ist die zahme Gans. Sie ist nach christlicher Mythe dem Heil. Martin geweih’t, den wir oben als Stellvertreter Wodan’s fanden. Aus der Farbe ihres Brustknochens erkennt man die Strenge des Winters. Feen und Elbe erscheinen öfter mit Gänsefüßen. - Von dem Kornopfer, welches den Sperlingen zur Julzeit und in der Ernte gebracht wird, war oben die Rede. Ebenso ist bemerkt, daß er die Entweihung des Festes Wodan’s rächt, indem er vorzugsweise den an ihm gestreuten Samen stiehlt. Er gehört zu den wenigen Vögeln, welche den Winter über bei uns bleiben.

Hätten wir genauere Kunde über die mythische Naturgeschichte der Alten, wir würden auch unter den Fischen und Amphibien zahlreiche Wodan’s-Thiere finden. Unter jenen ist zunächst an den Hecht zu denken, das scharfzahnige Raubthier der Gewässer. Merkwürdig ist daher die Sage von dem zauberhaften einäugigen Hechte welche früher auch in der Gegend von Parchim erzählt ward. Auch von weissagenden Hechten berichtet die Sage 1). - Unter den Amphibien gehörte sicher die giftige Kröte hieher, die neben der Schlange bei allen Hexentränken die Hauptrolle spielte. Othin selbst ward in Schlangengestalt verehrt. Zwerge und verwünschte Prinzessinnen treten oft in Krötengestalt auf, und wer die Gebote der Zwölften übertritt, zieht sich Kröten und Frösche ins Haus oder Läuse in den Pelz. Von einem einsam sinnend umherschleichenden Menschen sagt man: „hê geit, aß de Pogg’ in den Mânschien“.




1) K. u. Schw., S. 28 und 29, vgl. mit S. 155 und 56 und 472. Jetzt ist die Sage dort nicht mehr bekannt.