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Unter den wilden Vögeln beziehe ich alle den Frühling und Sommer verkündenden Zugvögel, welche sämmtlich für heilig und unverletzlich, sowie für Glück bringend galten, aus Thor; unter allen aber voran den Storch. Er hat verschiedene Namen, unter welchen in Meklenburg Adebar der bekannteste ist, althochd. odebero, adebero, odebore, odeboro, otivaro, mittelhochd. adebar, niederdeutsch adebar, adebero, woraus in Hamburg durch Verkürzung äbêr, êber geworden ist. Auch in den Niederlanden heißt er odevare, hodevaro und ôyivâr, woraus man oude vader (alter Vater) gemacht hat. Auch bei uns wird er allgemein Adebar, Arebar, Arebare und in der Gegend von Dömitz Aettebär genannt. Das Wort ist sehr verschieden erklärt; mir scheint am nächsten zu liegen, die erste Sylbe auf den Stamm ôd, in dem allgemeinen Sinn von Glück (felicitas), zurückzuführen. Odebar oder adebar ist also wörtlich Glücksbringer, welches genau dem Heylebart entspricht, einem andern mittellhochdeutschen, noch jetzt in Lüneburg, Braunschweig und Hessen gebräuchlichen Namen desselben Vogels. In der Prignitz und einem kleinen Theile von Meklenburg heißt er Hainotte oder Hannotter, was ich nicht zu erklären weiß. Seine Verwandtschaft mit Thor ist aus vielen Zügen völlig klar. Sein Erscheinen ist im Allgemeinen Heil und Glück bringend, was nach dem Obigen schon sein Name sagt; man beobachtet aber, ob man den ersten Storch des Jahres fliegend, oder auf einem Neste sitzend gesehen hat; ersteres bedeutet zunehmenden Wohlstand, letzteres Eheglück. Vor allem aber bringt er dem Hause, worauf er nistet, seinen Segen und schützt es namentlich gegen Feuer, besonders gegen den Blitz; sollte dasselbe aber dennoch vom Feuer bedroht werden, so bringt der vorahnende Vogel seine Brut Tags zuvor in Sicherheit, weshalb schon Attila aus dem Abziehen der Störche von dem belagerten Ravenna auf den Untergang der Stadt schloß. Um ihn zum Nisten auf einem Hause zu bewegen, baut man ihm in einigen Gegenden ein Nest auf dem Feuerherde. Der Donnerkeil (Belemnit), den Thor mit dem Blitze auf die Erde schleudert, heißt in Dänemark Tordenkile, Tordensteen, aber auch Storksteen, und auch in einigen Gegenden Deutschlands Storchstein. Auch er schützt gegen das Einschlagen des Blitzes. Das wichtigste Geschäft des Storches aber, welches gleichfalls unzweideutig auf Thor, den Gott der Liebe und der Ehe, hinweis’t, ist bekanntlich nach allgemein verbreiteter Kindersage die Zutragung der Kinder, die er nach der gewöhnlichsten Vorstellung aus dem Sumpfe holt (Kindersoll), weshalb unsere Kinder noch fleißig singen: „Adebare Nester, bring mî ‚n lütte Swester! Adebare Roder (Rore) 1), bring mî ‚n lütten Broder (Brore)!“ Auch nach dem Storche werden verschiedene Pflanzen genannt. - Sollte die griechische Sage von dem Pelekan, der seine Brust öffnet, um seine Jungen mit dem eigenen Blute zu ätzen, in dem germanischen Alterthum etwa von dem Storche erzählt sein? Unter Pelekan soll der Baumspecht zu verstehen sein, obwohl es nicht dessen eigentlicher Name war 2). In mittelalterlichen Darstellungen jener Fabel erscheint aber der Pelekan unverkennbar als ein in seinem Neste stehender Storch, so namentlich auf dem Helme des Wappens der meklenburgischen Familie Swartepap aus dem 14. Jahrhundert (Jahrbücher XVII, S. 43). Das Fleisch des Storches, besonders aber die Galle, das Fett und der Magen wurden früher auch als Arzneimittel gebraucht, namentlich gegen die Pest, Epilepsie, Schwindel, Gicht, Nervenübel und Gelenkkrankheiten. - Nächst dem Storche ist die Schwalbe der am meisten geehrte Frühlingsvogel. In ihrem Zwitschern bei ihrer Ankunft hört das Volk die Klage; „aß ick hier vörrig Jahr was, dunn wüß hier Lôf unn Gras, die Jahr iß hier nix - nix - nix!“ Nach Grimm wird sie des lieben Hergotts Vogel genannt. Ueberall gilt sie für heilig und unverletzlich; wenn man eine Schwalbe tödtet, soll es vier Wochen regnen; ihr Nest bringt gleich dem Storchneste Glück. An der Stelle, wo man im Frühling die erste Schwalbe sieht, soll man unter seinem Fuße eine Kohle finden, welche gegen das Fieber schützt; wenn dagegen eine Schwalbe unter die Kuh hindurch fliegt, giebt diese rothe Milch (Blut), was nach dem Aberglauben anderer Länder die Strafe der Zerstörung eines Schwalben- oder Rothkehlchennestes ist, wogegen wieder Andere glauben, daß in dem letzteren Falle der Blitz das Haus des Frevlers treffen werde, Die Seeschwalbe heißt auch Brandvogel. Wie der Bock und der Storch hat auch die Schwalbe wunderbare Heilkraft, namentlich das Herz und das Blut des Thieres, womit man die schwere Noth, Entzündung, Geschwüre und das böse Gesicht heilte, das Fieber und Melancholie vertrieb und das Gedächtniß stärkte. Ein angeblich im Magen der jungen Schwalbe gefundener Stein ward von Kindern und Erwachsenen als Amulet getragen zum Schutze gegen eben diese Uebel, und weil er den Trägern die Liebe der Menschen erwarb. Auch die Schwalbe hat ihre besonderen Kräuter. - Die Donnerziege (capella coelestis), Himmelsziege, Donnerstagspferd, Wettervogel und Regenvogel genannt, verräth ihre Beziehung auf Thor schon durch ihren Namen. Ihr Flug soll ein nahendes Gewitter verkünden; nach schwedischem Aberglauben zeigt ihr erstes Erscheinen den Menschen ihr Schicksal an (s. überhaupt Gr., S. 126). Die Naturforscher glauben, daß unter dem caprimulgus des Plinius die Donnerziege zu verstehen sei und nennen sie daher auch deutsch Ziegenmelker. Auch soll sie in einigen Gegenden die Nachtschwalbe oder die Hex genannt werden, was fast den Verdacht erregt, daß sie gleich dem Kukuk ein Zaubervogel war. - Auch den Kibitz macht der allen Kindern bekannte Gesang: „Kiwitt, wo bliv’ ick? In’n Brummelbärn Busch! dar spr in ick, dar danz ick, dar hev ick min Lust!“ fast verdächtig. - Von sonstigen Frühlingsvögeln, z. B. der im Mittelalter vor allen heiligen Meise, sowie von der Nachtigall und andern Singvögeln, weiß ich aus Meklenburg nichts zu berichten.

Von den zahmen Vögeln gehört nur der Hahn hieher, welcher aber auch ein ächter Thorsvogel ist, zumal der rothe Hahn. Nach der Völuspa verkünden einst drei Hähne den letzten Morgen des Weltunterganges: in Walhalla Gullinkambi, der Goldkamm, d. h. die Sonne selbst, der jeden Morgen die Einherier weckt; auf der Oberwelt Fialar, der Hochrothe, auf dem Gipfel eines Waldbaumes sitzend, und unter der Erde in Hela’s Behausung ein schwarzer (rußfarbiger) Hahn, dem kein besonderer Name gegeben wird. Hier bezieht sich die rothe Farbe vielleicht auf das Morgenroth. In der Drohung, jemandem den rothen Hahn auf das Dach zu setzen, wird er der Flamme verglichen. Der Hahnenkrat verkündet den Morgen und verscheucht die bösen Geister. Aber auch in der Frühlingsfeier, dem Morgen des neuen Jahres, spielt der Hahn eine Rolle, wie wir unten sehen werden. Eben so haben wir ihn bereits bei dem Erntefeste auf der dem Thor geweihten Garbe und der bunt geschmückten Festkrone gefunden. Der goldne Hahn auf den Thürmen, den Grimm schon im 10. Jahrhundert nachweis’t, stammt nach ihm aus jener Frühlingsfeier, hat aber auch als Wind- und Wettervogel eine passende Bedeutung. Der Vergleich des Ehewirths mit dem Haushahn liegt nahe. In Meklenburg herrschte früher die Sitte, der Braut zur Hochzeit einen Hahn zu schenken, welcher Bruthân hieß. Später verstand man darunter das auf der Hochzeit den Gästen vorgesetzte Zuckerbackwerk, welches also ursprünglich gewiß die Gestalt des Hahns gehabt haben wird. Auch ward der ganze Hochzeitsschmaus Hânenbier genannt 3). Liegt der Bezeichnung des betrogenen Eheherrn als Hahnrei eine besondere Fabel zum Grunde? Auch das Huhn wird auf Thor oder seine Gattin Bezug gehabt haben. Der von jeder Feuerstätte zu gebende Grundzins bestand von Alters her in einem Huhn (Rauchhuhn, Herdhuhn), bei dessen Auswahl nach Grimm früher besonders auf die rothe Farbe gesehen ward. Sollte etwa auch die altherkömmliche Hammerscult, eine Abgabe von Hühnern und Eiern, auf Thor’s Hammer Bezug haben? 4) Der Aberglaube in Bezug auf Hühner ist sehr mannigfaltig, aber seine Deutung nicht überall klar. Vielleicht machte früher auch hier die Farbe einen Unterschied. Ein krähendes Huhn verkündet Unglück; Hühnerfedern in dem Kopfkissen des Sterbenden erschweren den Tod; das Nesselfieber wird auch Hühnerbad genannt, und man glaubt, daß die Krankheit entstehe, wenn man sich an solchen Orten aufhalte, wo die Hühner ein sogenanntes Sand- oder Staubbad genommen haben. Zur Heilung des Uebels streut man den Hühnern zwischen Hemd und Brust hindurch Brodkrumen. An andern Orten soll der Keichhusten Hühnerweh genannt werden. Bekannter ist das Hühnerauge, Leichdorn.





1) Roder (sprich Roré) ist der Rothe. Man hat also gewiß nicht nöthig, an roda, den slavischen Namen des Storches, zu denken. Im Lüneburgischen singen die Kinder: „Heilebart im Neste, bring mick ´n lüttje Swester! Heilebart du Luder, bring mick nen lüttjen Bruder!“
2) ??????? kommt von ??????? ich haue mit der Axt. Der Specht hieß ????????????, ?????????????? Baumpicker, Baumhacker, oder ??????? der Schreier.
3) Polizei-Ordnung von 1516 und 1572, Tit. v. Hochzeiten.
4) Die Rede: Es kräht kein Hahn darnach! ist wohl eine Anspielung auf die Geschichte des Apostels Petri.