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Wie in Thor’s Donnerwetter die drei Hauptelemente, Feuer (Blitz), Wasser (Regen) und Luft (Sturm) auf sein Gebot zusammenwirken, so finden wir dieselben auch sonst vorzugsweise im Dienste dieses Gottes. Vor allen aber ist das Feuer sein Element; denn wenngleich die reine, erleuchtende und erwärmende Flamme fast als ein lebendiges, heiliges Wesen verehrt ward, so war sie doch nur die irdische Erscheinung des Gottes, und der Feuer-, wie überhaupt der Elementardienst, war Thor-Dienst 1). In der Edda wird das Feuer neben dem Sonnenlichte für das höchste Gut erklärt. Nach dem Glauben unserer Landleute sind Feuer und Wasser allen Menschen gemeinsame, unmittelbare Gottesgaben, für welche man keinem Sterblichen danken dürfe; man dankt dem, welcher diese Gottesgabe darreicht, ausdrücklich nur „vör de Möh“ (für die Mühe). - Wer das Feuer verunreinigt, bekommt schneidendes Wasser, und selbst an den mit der Flamme spielenden Kindern rächt sie sich in der nächsten Nacht. - Zahlreich sind die aus der Beobachtung der Flamme gezogenen Vorbedeutungen: das dumpfe Prasseln (Bullern) des Feuers bedeutet Zank, das Knistern und Sprühen der Flamme dagegen Freude, die sogenannte Blume am Lichte verkündet frohe Botschaft, der Hobelspan den Tod eines Angehörigen. Wenn die Axt des Zimmermannes bei Errichtung eines Hauses Funken sprüht - gleich Thor’s Donnerhammer -, so ist das Haus zum Voraus dem Feuer geweiht.

Allgemein verbreitet ist bekanntlich die Heiligkeit der Flamme des Herdes; der Feuerherd ist gleichsam der Hausaltar der Familie und ward von jeher als eine geheiligte Stätte betrachtet. Die in vielen Gegenden herrschende Sitte aber, während des Gewitters Feuer auf dem Herde anzuzünden, und der feste Glaube, daß in ein solches Haus der Blitz nicht einschlage, beweisen den Zusammenhang des Herdes mit dem Thorcultus. Grimm (S. 693) führt eine Stelle aus Hansens Geizhals an, wo die blaue Flamme, „Donners Blösken“ genannt und gleich dem Donner selbst um Hülfe angerufen wird, und unser Frank (A. u. N. M. I, S. 229) versichert, daß zu seiner Zeit die Köche einen Theil der Speise, namentlich des Fleisches, dem Gotte des Feuers zu opfern pflegten, wie man früher beim Gastmahle einen Theil des Getränkes als Opfer der Hertha auf die Erde gegossen habe. - Wie der Herd, wird auch der Ofen heilig gehalten, worüber Grimm mehre Einzelheiten beibringt. Bekannt ist die früherhin sehr ernsthaft gemeinte Anbetung des Ofens in dem Pfänderspiel junger Leute: „Aben, Aben, ick ber di an, gif mi ênen goden Mann, giffst du mi kênen goden Mann, so ber die de Düvel an“. Aus diesen mythischen Zusammenhang des Feuers und der Liebe weisen auch die Scherzreden hin, daß nur ein Junggeselle das erloschene Licht wieder anzublasen vermöge, und daß der keine Kinder zu hoffen habe, dem das Anschlagen des Feuers mit Stahl und Stein nicht gelingen will.


Bekannt ist ferner, daß in den Gottesgerichten vorzugsweise das Feuer oder vielmehr der in dem Feuer wirkende Gott selbst zur Ermittelung der Schuld oder Unschuld befragt ward. Der Zusammenhang dieser Feuerprobe mit dem Thorcultus wird aber bei näherer Betrachtung der dabei gebrauchten Werkzeuge völllig unzweifelhaft. Schon die 9 glühenden Pflugscharen, welche der Angeklagte mit nackten Füßen betreten mußte, erinnern an den Gott des Ackerbaues, noch bestimmter aber weis’t der geglühete eiserne Handschuh auf Thor hin, welcher gleichfalls einen künstlichen Handschuh von Eisen trug, mit dem er den glühenden Schaft seines Donnerhammers faßte, und selbst bei der einfachen glühenden Stange, die der Unglückliche eine Strecke tragen mußte, mochte man ursprünglich an die torrida chalybs denken, die Saxo Grammaticus statt des Hammers dem Thor zuschreibt. Solche Feuerproben waren nun im Mittelalter auch in Meklenburg üblich, und eine Wittenburger Sage berichtet ein bemerkenswerthes Beispiel derselben aus der Mitte des 14. Jahrhunderts. Ein der Brandstiftung verdächtiger Bürger bewies seine Unschuld, indem er unveretzt ein glühendes Eisen berührte, welches hierauf sofort verschwand. Aber wie Thor’s tief in die Erde geschmetterter Donnerkeil nach der Meinung des Volkes nach neunjähriger Frist wieder emporsteigt, so verbrannte sich auch hier nach Verlauf eines Jahres ein Arbeiter bei der Pflasterung des Steindammes die Hand an demselben, unter dem Damme verborgenen und noch jetzt glühenden, Eisen und gestand das Verbrechen. - Unverkennbar hängt mit der hier entwickelten Ansicht auch der Aberglaube zusammen, daß sich die Zunge des Verläumders mit Blasen belege, sowie die Drohung, mit welcher man lügnerische Kinder schreckt, daß ein Rauch hinter ihrem Rücken die Lüge verrathe.




1) Unter dem Vulcan, dessen Verehrung Cäsar bei den Germanen beobachtete, ist sicher Thor zu verstehen, während die Verehrung der Sonne und des Mondes sich auf den Cultus verschiedener Gottheiten bezogen haben wird. Unter der Luna indeß mag vorzugsweise Frigg zu verstehen sein. - Sollte der nordische Name des Gottes Thôrr vielleicht gar zu dem altnordd. thûrr, althochd. dorr-aridus (dürr, dörren) su stellen sein? - Auch in dem nordischen Loki, wahrscheinlich riesischer Abkunft und ursprünglich identisch mit Loge, dem Sohne der Urriesen (Fornjoter), ist das Feuer , personificirt, aber die ungezähmte, zerstörende Naturkraft, während in Thor, dem Beherrscher aller ‹Elemente, die höhere Einheit der Natur dargestellt ist.