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Ein solches Vogelschießen am 2ten Pfingsttage war aber in allen meklenburgischen Städten althergebrachte Sitte 1). In Rostock ist dasselbe gleichfalls schon im 15. Jahrhundert nachgewiesen, indem die 1466 gegründete Landfahrer-Krämercompagnie daselbst unter anderm zu ihrer Belustigung auch ein Vogelschießen hielt, was aber nicht das einzige war, indem wenigstens im 17. Jahrhundert auch die sogenannten Stadtjunker und selbst die „Gesellen“ in der Pfingstwoche oder an dem folgenden Trinitatis-Sonntage gleiche Feste feierten 2). In den kleineren Städten ward dasselbe wenigstens im Anfange des 16. Jahrhunderts mit den Schützenzünften verbunden, wenn es nicht zu deren Gründung Veranlassung gegeben haben sollte 3). Der älteren Maigrafschaft finde ich nirgends weiter gedacht. Wichtig ist aber, daß der abzuschießende Vogel auch in Rostock als ein Papegoi bezeichnet wird; und eben so kommt in Brüel 1502 urkundlich ein „Papegojenbom“ vor. In einer Supplik der Schützenzunft zu Gadebusch vom Jahre 1707 heißt es, ohne Zweifef nach älteren Nachrichten in der Schützenlade, daß die Zunft schon vor mehr als 100 Jahren, „als man noch mit stählern Bogen nach dem sogenannten Gojen geschossen“, bestanden habe, und noch zu Franck’s Zeiten war der Ausdruck „Gojen-Schießen“ im allgemeinen Gebrauche (A. und N. M. III, S. 24). Schon Nic. Gryse, welcher des Vogelschießens zu Pfingsten mehrmals gedenkt, leitet dasselbe, gleich Franck und Andern, aus dem Heidenthume ab, betrachtet dasselbe aber sonderbarer Weise als eine Verspottung des heil. Geistes, indem er annimmt, daß der abgeschossene Vogel ursprünglich eine Taube gewesen sei. In späteren Zeiten war derselbe vielmehr allgemein ein Adler. Der Name Goje aber hatte sehr wahrscheinlich eine mythische Bedeutung. In der Edda kommt eine mythische Jungfrau Gôi vor, nach welcher in der nordischen Sprache der letzte Wintermonat Februar benannt ward und von welcher auch unser Schützenvogel den Namen haben könnte; ja man könnte ihn direct auf den Namen des Wintergottes selbst zurückführen, da sich für Wodan in mehren Gegenden auch die Form Woe, Woje und für Fru Goden eben so Fru Goen, Goje findet. Dieser Wodansvogel auf hoher Stange als Zielscheibe jubelnder Schützen wäre also wiederum ein Symbol des unterliegenden und verspotteten Winters, welchem gegenüber dann zugleich Thor’s Hahn, den man im Alterthum, namentlich in Schweden, an demselben Feste auf die Spitze eines grünen Maibaumes pflanzte, als Symbol des Sommers eine höhere Bedeutung gewänne.

Dieselbe Bedeutung hatte der im Frühlinge von der fröhlichen Jugend umgetragene Hahn oder ein anderer Sommervogel, zum Theil künstlich aus Papier geschnitzt, und neben demselben eine Krähe oder ein vierfüßiges Winterthier, z. B. Fuchs, Iltis oder Marder, welches demnächst getödtet ward. Doch weiß ich dafür kein einheimisches Beispiel anzuführen, weshalb ich der Sitte nur im Vorbeigehen zur Vergleichung erwähne 4).


Die hohe Wichtigkeit der Frühlingsfeier und der Charakter derselben als eines allgemeinen Freudenfestes prägt sich am bestimmtesten in dem bei uns noch unvertilgten Volksglauben aus, daß die Sonne selbst bei ihrem Aufgange am Ostermorgen freudig tanze. Der heidnische Ursprung dieses Glaubens ist freilich zweifelhaft; wenn man ihn mit dem Ausspruche der heiligen Schrift zusammenhält, daß sich die Sonne bei dem Tode des Gekreuzigten verfinstert habe, so scheint der Gedanke an eine freudige Bewegung derselben am Auferstehungsmorgen dem christlichen Gemüthe allerdings nahe zu liegen. Anderer Seits aber paßt diese tanzende Sonne doch auch so trefflich zu dem fröhlichen Siegesfeste des Sommers, daß es schwer wird, eine bestimmte Entscheidung zu fällen. - Sicherer gehört ein anderer, an eben diesem Morgen übliche, Gebrauch dem Heidenthume an. Wie nämlich nach Tacitus die Mutter Erde selbst an ihrem Jahrestage zu einem geheimnißvollen Bade geführt ward, so glaubte auch der Sterbliche durch ein kühles Bad am Morgen dieses Festes den Körper stärken und von allerlei Ausschlag und andern Uebeln reinigen zu können (Gr., Aberglaube Nr. 776 und 1014). Auch das Vieh treibt man an vielen Orten am Ostermorgen vor Sonnenaufgang zu gleichem Zwecke ins Wasser; andere aber bewahren das an eben diesem Morgen schweigend geschöpfte Wasser sorgsam auf, in dem Glauben, daß es das ganze Jahr hindurch nicht verderbe und ein kräftiges Heilmittel sei, namentlich gegen das Fieber; und im Stargardischen endlich fängt man auch den in der Osternacht gefallenen Thau in leinenen Tüchern auf, mit welchen man sich am Morgen gleichfalls zur Heilung verschiedener Krankheiten zu waschen pflegt. Aehnliche Kraft schreibt man auch dem Märzschnee oder an andern Orten dem Märzregen zu 5).




1) Eben so in den Nachbarländern in den Städten und auf dem Lande, wobei häufig auch der bekannte Schimmelreiter auftritt, während auffallender Weise sein Gegensatz, der Maigraf, vergessen ist. K. und Schw., S. 381 – 382.
2) Jahrb. VII, S. 188 ff.
3) Polizei-Ordnung von 1516, Tit. „Van Schuttengilden“, wo denselben ausdrücklich erlaubt wird, „in de Pfingst-Weke den Vagel af tho scheten“.
4) Gr., S. 439. Märkische Forschungen I, S. 300 - 301.
5) Die jährliche Wasserweihe der katholischen Kirche, d. h. die Einsegnung der mit Wasser gefüllten Taufbecken, fand nach Gryse am Grünendonnerstage statt, ward aber erst Ostern durch dreimaliges Eintauchen der geweiheten Kerze vollendet, wodurch das Wasser wunderthätig ward.