Georg III. the true born Englishman

In dieser Art entwickelte sich das englische Staatsleben ohne besondere Kämpfe bis zum Tode Georgs II., der nach Verlauf zweier Menschenalter wieder einen in England geborenen Herrscher auf den Thron führte. Georg III., von deutschen Eltern stammend, aber in London auf die Welt gekommen, war unendlich stolz darauf, ein „true born Englishman“ zu sein und war von den Königen aus dem Hause Hannover jedenfalls der erste, der richtig englisch sprach. Mit seiner Thronbesteigung ändert sich das politische Stilleben wie mit einem Schlage.

Die Verfassung, die unter dem Schutze des Unterhauses eine völlig parlamentarische zu werden drohte, und den Einfluss der Krone bereits auf einen geringen Bruchteil reduziert hatte, wird in ihrer Weiterentwicklung in Frage gestellt, denn der erste englische König ist alsbald auch der erste, der es darauf anlegt, seinen persönlichen Einfluss zur Geltung zu bringen. Der erste Engländer auf dem Thron findet auch sogleich eine Partei, die ihm den Rücken deckt, und es kommt zu neuen politischen Kämpfen in derselben Zeit, die von jenseits des Kanals neue politische Lehren von Volksrechten und Volkssouveränität in Umlauf bringt. Es zeigt sich, dass man Unrecht gehabt hatte, die deutschen Könige stets mit Misstrauen zu betrachten, der englisch geborene Georg III. ist es gewesen, der seinem Lande zum Verhängnis wurde.


Der Earl of Bute, von dem man wissen wollte, dass er der Mutter des jungen Königs schon von jeher sehr nahe gestanden hatte, war seit 1756 in die Umgebung des Prinzen gelangt und hatte es verstanden, ihn mit den Ideen zu erfüllen, die Bolingbroke in seinem Patriot King vertrat. Von 1714 bis 1760 hatten die Whigs die Mehrheit im Unterhaus gehabt und sich auf dieser sicheren Unterlage ihrer Macht wie auf einem Ruhebette eingerichtet. Die Tories waren in eine Stellung gedrängt worden, die ihnen nichts ließ als die Genugtuung dauernder Opposition, von der praktischen Betätigung in der Politik waren sie ausgeschlossen. Bolingbroke, ein glänzender Redner und geistvoller Staatsmann, aber von dem Unglück verfolgt, sich im entscheidenden Augenblick immer auf dem falschen Schiff zu befinden, hatte sich zu ihrem Wortführer gemacht und in seinem Buch das Ideal eines Königs aufgestellt, der nicht nur der Regierung vorsteht, sondern auch wirklich herrscht. Nach der Auffassung, wie Bolingbroke sie hier niederlegte, sollte der König mehr sein als nur das Haupt einer Partei, er sollte für den Staat da sein, nicht nur für die Mehrheit des Unterhauses.

Georg III. hatte sich diese Anschauung zu eigen gemacht und schickte sich sofort nach seiner Thronbesteigung an, der Krone ihr einstiges Ansehen zurückzugeben und sie über die Parteien zu stellen. Sein erstes war, sie von der Unterhausmajorität frei zu machen, um die künstlich geschaffene Oligarchie zu zerstören, die sich zwischen König und Volk gedrängt und den letzteren zum Schatten gemacht hatte. Das neue System Georgs III. wurde 1761 in einer kleinen Flugschrift, die den Titel führte: „Zeitgemäße Winke eines ehrlichen Mannes über die neue Regierung und das neue Parlament“ dem Volke auseinandergesetzt. Dieses neue System war zuvörderst gegen die Vorherrschaft der Whigs gerichtet und beabsichtigte, den bestehenden Zustand dahin abzuändern, dass die Krone nicht von den Ministern, sondern die Minister von der Krone abhingen. Die Krone solle in Zukunft ohne Rücksicht auf die Unterhausmehrheit ihre Ratgeber nach eigenem Gutdünken aus den beiden großen Parteien wählen und eine wirkliche Herrschaft des Königs verbürgen, der sich der Minister nur als der Vermittler seiner Befehle bediene. Das war etwa der Standpunkt des aufgeklärten Despotismus und mit seiner Durchführung wäre das Parlament auf den Platz gedrängt worden, den es in den letzten 60 Jahren der Krone angewiesen hatte, den des beteiligten aber ohnmächtigen Zuschauers.

Von allen Eigenschaften des aufgeklärten Despoten besaß Georg III. aber auch nicht eine, wenn man nicht den störrischen Eigensinn, der ihn auszeichnete, dazu rechnen will, und wenn es ihm trotzdem gelang, eine Zeitlang nach seinem Kopfe zu regieren, so war es weniger seine Fähigkeit, die ihn dazu instand setzte, als die Unfähigkeit des Parlaments, die ihm den Weg ebnete. So lange eine Partei um ihre Existenz zu kämpfen hat, so lange es gilt, neuen Grundsätzen zum Siege zu verhelfen, so lange zeigt sie sich von ihren besten Seiten; Mut, Entschlossenheit, Opferwilligkeit sind ihr unerlässlich, um sich zu behaupten; sobald sie den Sieg aber errungen hat und im Besitz der Macht ist, um die sie ringen musste, treten alle üblen Eigenschaften hervor, die innere Schwäche, die Unaufrichtigkeit und die Unfähigkeit. So war es den Whigs ergangen. Die lange Reihe der Jahrzehnte, in denen sie die Macht faktisch besessen und ausgeübt hatten, war auf das innere Gefüge der Partei nicht ohne verhängnisvolle Wirkung geblieben. Sie war uneinig und in viele kleine Koterien gespalten, die sich untereinander mit größerer Erbitterung bekämpften als den gemeinsamen Feind, die Tories. So war die Partei als solche gar nicht mehr in der Lage, den Versuchen Georgs III., die Autorität der Krone auszudehnen und ihr die in Verlust geratenen Privilegien wieder zu verschaffen, den ganzen Widerstand entgegen zu setzen, den dieses Verfahren hätte herausfordern müssen. Der König bediente sich mit Glück derselben Mittel wie seine Gegner, nämlich der Bestechung, um sich eine Partei im Unterhause zu sichern und seinen Willen durchzusetzen.

Er wählte sich seine Minister nach eigenem Urteil und er, der den älteren Pitt, der Burke zur Verfügung hatte, nahm sich Lord North, einen Mann, für den nichts sprach, als dass er noch unfähiger war als der Minister, den er zu beraten berufen war. Wenn dieser Zustand bei dem gesunden Sinn und der politischen Schulung des englischen Volkes auch nicht zu einem dauernden wurde, so währte er doch insofern lange genug, um dem Könige zu gestatten, seinem Lande den größten Schaden zuzufügen. Eine eigentümliche Ironie des Schicksals wollte es, dass grade dieser Mann die Regierung in einem Augenblick führen musste, in dem eine der folgenschwersten Entscheidungen zu treffen war, die den Bestand des Reiches anging, dessen Krone er trug. Er nahm diesen Entschluss auf sich und verscherzte seinem Lande den Besitz der nordamerikanischen Kolonien. Ein Jahrzehnt ungefähr hat Georg III. nach seinem Gutdünken regieren dürfen, aber doch schließlich mit keinem andern Resultat, als dass er die Krone verdächtig und ihre Mittel und Wege verächtlich machte. Schon um 1770 waren alle denkenden Politiker von tiefstem Misstrauen gegen den König erfüllt, so dass der Widerspruch gegen die Regierung immer lauter und heftiger wurde.

Die Krone, die auf dem Wege der Willkür so mutig vorgeschritten war, musste nicht nur innehalten, sondern sah sich in die Defensive gedrängt und wenn die Jahre 1770 bis 1778 das persönliche Regiment auf dem Gipfel sahen, so bezeichneten sie doch auch zugleich die zeitliche Grenzlinie, über die hinaus dasselbe nicht dauern sollte. 1780 ist der Wendepunkt für den Umschwung. Am 13. Februar dieses Jahres hielt Edmund Burke seine berühmt gewordene Rede, in welcher er den Plan darlegte, nach dem die Einkünfte der Krone beschnitten und dadurch ihr Einfluss beschränkt werden sollte. Sie dauerte 3 Stunden 18 Minuten, und war nach Horace Walpole zwar gemäßigt, aber so mit Witz und Geist getränkt, dass sie auf das Haus den größten Eindruck machte, „der Redner hätte es in diesem Augenblick zu jedem Entschluss bereit gefunden“. Am 5. April folgte Dunning auf den Spuren seines größeren Kollegen im Unterhaus.

Er eröffnete die Debatte mit der Motion, dass der Einfluss der Krone zugenommen habe, noch immer im Zunehmen begriffen sei und beschränkt werden müsse. Aller Mühe ungeachtet, d. h. trotz aller aufgewandten Bestechungssummen, konnte sich das Unterhaus den beigebrachten Argumenten nicht verschließen. Im Streit der rivalisierenden Mächte handelte es sich für das Unterhaus schließlich um Sein oder Nichtsein, und so musste Georg III. schon zwei Jahre darauf mit der Opposition paktieren und sich der Mehrheit unterwerfen, was er als eine bittere persönliche Kränkung empfand. Er musste die Minister annehmen, welche die Mehrheit ihm aufnötigte. Von diesem Zeitpunkt an bürgert es sich als selbstverständliche Praxis ein, dass die Minister mit den wechselnden Majoritäten im Unterhaus ebenfalls zu wechseln haben. Georg III. hielt sich für diesen Zwang dadurch schadlos, dass er zwar öffentlich im Verkehr mit ihnen keinen Anstoß gab, sich aber keine Gelegenheit entgehen ließ, im Geheimen gegen sie zu hetzen und seiner eignen Regierung Schwierigkeiten und Unannehmlichkeiten zu bereiten. Diese Äußerungen des königlichen Charakters haben indessen die Tatsache nicht verschleiern können, dass das Parlament Sieger geblieben war und die Krone sich für immer auf den zweiten Platz gedrängt sah.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches England im 18. Jahrhundert
008. König Georg III. Kupferstich von W. Woollett nach dem Bilde von A. Ramsay

008. König Georg III. Kupferstich von W. Woollett nach dem Bilde von A. Ramsay

009. Right Hon. Charles Abbot, Sprecher des Hauses der Gemeinen Kupferstich von Ch. Picart nach dem Bilde von James Northcote. 1807

009. Right Hon. Charles Abbot, Sprecher des Hauses der Gemeinen Kupferstich von Ch. Picart nach dem Bilde von James Northcote. 1807

010. Henry Fox. Schabkunst von Mac Ardell nach dem Pastell von Liotard. 1734

010. Henry Fox. Schabkunst von Mac Ardell nach dem Pastell von Liotard. 1734

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