Die Thronbesteigung des Hauses Hannover

Wenn das gegenseitige Anpassen in England ohne große Reibungen erfolgen konnte, und es dem Parlament verhältnismäßig leicht gemacht wurde, den Platz, den es sich erkämpft hatte, dauernd zu behaupten, so verdankte es das dem Umstände, dass die Nachfolger der Stuarts Ausländer waren.

Keiner von ihnen wäre imstande gewesen, sich auf englischem Boden eine Partei zu bilden, die ihm erlaubt hätte, einen Gegensatz zum Parlament mit Aussicht auf Erfolg festzuhalten, keiner von ihnen hätte es wagen können, etwa gegen die Majorität des Parlaments zu regieren. Wilhelm III. war ein Holländer, der, trotzdem er Protestant war, den Engländern dauernd verdächtig blieb, vielleicht nur wegen seines überlegenen diplomatischen Geschicks, das ihn zu einem der ersten Staatsmänner seiner Zeit machte.


Anna war zwar eine Vollblutengländerin, aber nur ein Spielzeug in der Hand ihrer Günstlinge, die mit mehr Kühnheit und Geschick als sie besaßen, bei dem Tode der Königin wohl imstande gewesen wären, der Bill of Rights zum Trotze den katholischen Stuarts die Krone zurückzugeben. Die Thronbesteigung des Hauses Hannover aber legte 1714 den Schlussstein auf die Revolutions-Verfassung des Jahres 1689. Die neue Herrscherfamilie verdankte ihren Thron den Whigs, der mächtigsten und einflussreichsten Partei im Unterhaus, sie stand und fiel mit diesem und musste im Parlament ihren einzigen Halt sehen. Georg I. war außerdem, und das kam dem ungehinderten Ausbau der Verfassung zugute, so von ganzem Herzen deutsch, dass er nicht einmal ein Wort Englisch konnte und sich mit seinem Premierminister nur in gebrochenem Lateinisch zu verständigen vermochte.

Von einem solchen Monarchen drohte dem Parlament keine Gefahr, er war ja nicht einmal imstande, den Sitzungen des Kabinetts zu präsidieren und in der Tat hörte dieser Gebrauch, den noch die Königin Anna beibehalten hatte, mit ihm auf. Dieser Umstand trug wesentlich dazu bei, die königliche Autorität zu schwächen, und würde das wohl auch dann getan haben, wenn Georg I. England weniger aufrichtig gehasst hätte, als er es tat. Georg II. sprach zwar englisch, aber schlecht genug, um allen, die ihm nahten, lächerlich zu erscheinen. Auch ihm lag sein Kurfürstentum Hannover weit mehr am Herzen als die englische Krone, die er wie sein Vater nur als Mittel betrachtete, sich persönlich zu bereichern, und mit ihrer Hilfe im Intrigenspiel der Kontinental-Staaten Zwecke zu verfolgen, die mit den Interessen Englands oft genug in schärfstem Widerspruch standen. So ist denn die Periode von 1689 bis 1760, während derer Wilhelm III. und die beiden ersten Könige aus dem Hause Hannover auf dem englischen Thron saßen, diejenige gewesen, die die Begründung der Oberherrschaft des Parlaments sah.

Die Krone, ihres göttlichen Ursprungs und ihrer göttlichen Rechte entkleidet, wird ein Objekt, das ganz in die Obhut des Parlaments fällt, das nach seinem Ermessen darüber verfügt. Das Thronfolgegesetz vom 22. Juni 1 701, die Act of Settlement, die in Verbindung mit der Bill of Rights das Grundgesetz des modernen England bildet, übertrug die Krone nach dem Tode Wilhelms III. seiner Schwägerin Anna und nach deren Tode auf die Kurfürstin Sophie und ihre Deszendenz, die in direkter Linie von Jakob I. abstammten. Das Parlament benutzte diese Gelegenheit um die Krone, die es vergab, in ihrem Werte zu verringern, d. h. ihren Einfluss zu beschränken. Das Gesetz sprach aus, dass die Minister für alle Handlungen der Regierung dem Parlament verantwortlich seien, es legte die Unabhängigkeit der Richter von der Krone fest, und unterwarf Richter wie Minister der ausschließlichen Gerichtsbarkeit des Parlaments. Alle Angelegenheiten, welche ehemals vom König im Rat der Minister selbständig entschieden worden waren, bedürfen von nun an der Zustimmung des Parlaments, wenn sie zur Ausführung gelangen sollen, die Regierung wird zu einem bloßen Vollzugsausschuss des Parlaments.

Die Krone gerät in eine vollständige Abhängigkeit von der Mehrheit des Unterhauses, ohne deren Willen sie in der Ausübung ihrer Funktion völlig gelähmt ist. Das Verhältnis der Regierung zum Parlament läuft praktisch auf eine fortgesetzte Verständigung zwischen den Ministern und den Parteiführern heraus. Diese Grundsätze der Regierungsführung kamen zur Geltung, ohne jemals staatsrechtlich fixiert worden zu sein, sie werden ein Gewohnheitsrecht unter fremdländischen Königen, denen eben infolge ihrer mangelnden Bodenständigkeit jede Initiative fehlt. Äußerlich ist ihre Ausbildung erfolgt, während Robert Walpole der leitende Staatsminister war. Unter seiner ebenso geschickten wie völlig skrupellosen Führung geht die eigentliche Macht an das Unterhaus über und während nach außen der Anschein gewahrt wird, als beruhe der tadellose Gang der englischen Regierungsmaschinerie auf dem Dreiklang einer harmonischen Übereinstimmung zwischen dem Monarchen, dem Oberhaus und dem Unterhaus ist es in Wirklichkeit dies letztere allein, das in allen strittigen Fragen den Ausschlag gibt. Wilhelm III. wie Georg I. und sein Sohn haben es oft genug zu ihrem größten Unwillen erfahren. Die Versuche, die Wilhelm III. machte, seine Ministerien mit Umgehung der Unterhausmehrheit zusammenzusetzen, ein Kabinett zu bilden, das über den Parteien stand, schlugen vollkommen fehl, und was diesem politisch hochbegabten Manne nicht gelang, musste sicher fehlschlagen, sobald ein Georg II. es unternahm. 1744 entließ er das Ministerium, aber es war ihm nicht möglich, ein neues nach seinen Wünschen zusammenzubringen.

Er sah sich genötigt, die Männer, die er weggeschickt hatte, zurückzurufen und die Regierung in ihre Hände zu legen, ein Schritt, der ihm um so schwerer fiel, als ihm diese Männer persönlich äußerst unsympathisch waren, aber er musste sich überzeugen, dass ein konstitutioneller König in England nicht mehr in der Lage war, nach seinem Gutbefinden zu regieren, sondern dass er gezwungen war, denjenigen Männern die Regierung zu übergeben, die das Vertrauen der Unterhaus-Mehrheit besaßen. Das war in diesem Falle, der die Pelhams im Kabinett beließ, um so auffälliger als das Parlament in die Ministerkrise durchaus nicht eingegriffen hatte, sie war dem Zwang der Verhältnisse gehorchend verlaufen, das Unterhaus war die stärkere Macht, vor der der Wille des Königs sich beugen musste. Schließlich bildet sich die Gewohnheit heraus, dass nicht nur die großen Staatsämter Angehörigen der grade herrschenden Partei übergeben werden, sondern dass auch die Hofämter aus Mitgliedern derjenigen Familien gewählt werden müssen, die grade das Heft in Händen halten. So hängt ein Ministerwechsel ganz von selbst mit dem Wechsel der Hofchargen zusammen und selbst von dem untergeordneten Personal der Ministerien wird ein großer Teil anders besetzt, wie denn die siegende Partei oder Partei-Konstellation auch in alle frei werdenden Stellen des Berufsbeamtentums die Bekenner ihres politischen Credo einschiebt. Die Krone hat bei alledem nur den Zuschauer abzugeben.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches England im 18. Jahrhundert
  007. Sitzung des Unterhauses Aus R. Ackermann. Microcosm of London. 1811

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