Das Unterhaus

Auf welche Weise und durch welche Mittel man nun auch in das Unterhaus gelangen mochte, war der Sitz einmal errungen, so durfte sich das M P mit begründetem Stolz als einen der maßgebenden Halbgötter der englischen Welt betrachten.

Der Schwerpunkt der Regierung und Verwaltung lag im Unterhaus und wenn noch im 17. Jahrhundert unter den Regierungen von Karl II. und Jakob II. die Gefahr bestanden hatte, dass die Regierung die Staatsgewalt gegen die Parlamentsmehrheit einsetzen könne, so war im 18. Jahrhundert davon keine Rede mehr, höchstens konnte noch ein Missbrauch der Vollmachten durch sie selbst in Frage kommen. „Die Regierung liegt vollkommen in den Händen des Hauses der Gemeinen,“ schreibt Bischof Burnet kurz nach der Revolution, „das einmal im Jahr tagen muss, und so lange wie ihm notwendig scheint. Dem König bleibt nur die Zivilliste für seine Lebenszeit, so dass die ganze Verwaltung unter der Kontrolle des Unterhauses steht.“ Viel überschwänglicher drücken sich einige Jahrzehnte später die Juristen über das Parlament und seine Machtvollkommenheiten aus.


William Blackstone, der 1765 das geltende Recht Englands zum ersten Male in modemer Form zusammenfasste, schreibt: „Die Macht und Gerichtsbarkeit des Parlaments ist so überragend und absolut, dass sie in Bezug auf Sachen sowohl als Personen in gar keine Grenzen eingeschlossen werden kann ... Es hat souveräne und unverantwortliche Autorität Gesetze zu machen, zu bestätigen, zu erweitem, einzuschränken, aufzuheben, zurückzunehmen, wieder zu beleben und auszulegen, in Bezug auf alle nur denkbaren Gegenstände, geistliche, weltliche, militärische, maritime, kriminelle, denn in ihm ist die Stelle, an welcher jene unbedingte despotische Macht, die in allen Verfassungen irgendwo ihren Sitz haben muss, durch die Verfassung dieser Reiche begründet ist. Es kann alles tun, was nicht physisch unmöglich ist, und deshalb haben einige keinen Anstand genommen, seine Macht in einem etwas zu kühnen Bilde die Allmacht des Parlaments zu nennen.“

Insofern als das Unterhaus, oder im gründe eigentlich nur die jeweils ausschlaggebende Mehrheit, außer der gesetzgebenden auch die richtende und vollziehende Gewalt in Händen hielt, besaß es allerdings die Omnipotenz im Staate, und Lord Oberrichter Mansfield konnte mit vollem Rechte sagen; „Wenn das Haus der Gemeinen als Richter spricht, so gilt ihm gegenüber kein Gesetz als seine eigene Weisheit, und seine Entscheidung ist Gesetz. Ist die Entscheidung falsch, so hat der Untertan keine Zuflucht als den Himmel.“ Kein Wunder, dass diese Anschauungen jedes M P mit ganz ungeheuerlichen Vorstellungen von seiner persönlichen Wichtigkeit und Würde erfüllten und dass die sakrosankte Natur eines Unterhausmitgliedes ihre Weihe schließlich auch auf die Dienerschaft desselben, ja im Laufe der Zeit selbst auf die Hasen und Kaninchen seiner Jagdgründe ausdehnte.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches England im 18. Jahrhundert
017. Lady Nuneham. Schabkanst von W. W. Ryland nach dem Bilde von Falcooet 1769

017. Lady Nuneham. Schabkanst von W. W. Ryland nach dem Bilde von Falcooet 1769

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