Bill of Rights

Der Aufbau der neuen Staatsverfassung begann mit der berühmten Erklärung der Rechte, in welcher das Parlament alles das als Anspruch zusammenfasste, was es unter den letzten Regenten nur als Beschwerden hatte äußern können.

Es waren die gleichen Grundsätze, welche das lange Parlament am 17. Juni 1642 Karl I. in York übergeben hatte und deren Anerkennung er mit den Worten abschlug: Ich kann mich nicht dazu entschließen, nur der Schatten eines Königs zu sein. Es wurde in dieser Erklärung im Grunde also nichts Neues gefordert, sondern nur das aufs neue formuliert, was Lords und Gemeine schon längst als ihr gutes Recht betrachteten, ohne dass sie doch die Krone hatten dazu bringen können, dieses Recht auch anzuerkennen.


Die kurze Regierungszeit Jakobs II. hatte sogar in nichts anderem bestanden als in Vorstößen gegen dieses noch unbeschworene Recht, die beständigen Versuche es zu beseitigen, hatten dem König schließlich den Thron gekostet. Die Erklärung der Rechte, deren feierliche Übergabe an den Prinzen von Oranien, den Schwiegersohn des geflohenen Königs, den Beginn einer neuen Epoche in der englischen Geschichte ankündigt, wurde als Bill of Rights zum Staatsgrundgesetz und hat von diesem Augenblick an die Grundlage abgegeben, auf der das neue Staatsgebäude errichtet wurde. Vor allen Dingen band es die Krone an die Befolgung der Gesetze und entzog dem königlichen Belieben die Möglichkeit, sich über dieselben hinwegzusetzen.

Ausnahmegesetze und Ausnahmegerichte, mit deren Hilfe die letzten Regierungen nur zu arg gesündigt hatten, wurden für immer verboten, den Protestanten wurde die Freiheit zurückgegeben, die ihnen Jakob hatte verkümmern wollen. Es wurde untersagt, im Frieden ein stehendes Heer zu unterhalten, außer mit Zustimmung des Parlaments. Die Wahlen zum Parlament sollten frei sein, ebenso wie die Redefreiheit in demselben gewährleistet wurde. Zu den folgenschwersten Artikeln gehörte die Bestimmung, welche alle Personen, die der katholischen Kirche angehören oder mit einem Katholiken eine Ehe eingehen, für immer von der Regierung ausschloss und sie für unfähig erklärte, die Krone zu tragen. Damit waren die katholischen Stuarts von der Thronfolge ausgeschlossen. Ebenso wichtig war der Artikel, der das Erheben von Steuern ohne die Bewilligung des Parlaments für ungesetzlich erklärte.

Dieses Gesetz, das der Prinz und die Prinzessin von Oranien wohl oder übel annehmen mussten, bedeutete soviel wie eine moderne Konstitution, es beschränkte die Macht der Krone und teilte, was sie ihr nahm, dem Parlamente zu. Der Krone die Ohnmacht, dem Parlamente die Allmacht, das hat die Bill of Rights zwar nicht ausgesprochen, aber herbeigeführt und schon in den allernächsten Jahren. Die Kriege, in die sich der neue König sofort verwickelt sah und die mit verhältnismäßig kurzen Zwischenpausen das ganze nächste Jahrhundert hindurch andauerten, haben die Abhängigkeit der Krone vom Parlament unzerreißbar festgelegt.

Sie konnten nur mit Hilfe großer Heere durchgeführt werden, diese Heere aber musste das Parlament Jahr für Jahr bewilligen, grade wie die gewaltigen Geldmittel, welche die Krone dazu benötigte, in jeder Session neu zur Verfügung gestellt werden mussten. Welcher Minister hätte es wagen wollen, die Regierung etwa in Widerstreit mit dem Parlament führen zu wollen, das in jedem Augenblick die Möglichkeit besaß, die Krone gänzlich ihrer Macht zu berauben, indem sie ihr Soldaten und Geld nahm? Der Zwang, der für die Krone bestand, sich dauernd mit dem Parlament verständigen zu müssen, vertiefte den neuen Staatsgrundsatz, dass eine Regierung nicht, wie bis dahin geglaubt worden war, auf dem göttlichen Recht der Könige beruhe, sondern allein auf der freien Übereinkunft zwischen Regierten und Regierenden. Dieses Verhältnis hat dazu geführt, dass die königliche Gewalt immer bestimmter umschrieben und ihr immer engere Grenzen gezogen wurden. In einem Staate, der den Untertanen gestattet, die Unverletzlichkeit des Volkes erst mit den Waffen in der Hand gegen den Monarchen zu vertreten, muss das Königtum schließlich ein Schatten werden, ein Schmuckstück, auf das man letzten Endes auch verzichten kann.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches England im 18. Jahrhundert
006. Houghton Hall in Norfolk. Erbaut für Robert Walpole. Aus Charles Latham. English Homes. Band III. London 1907

006. Houghton Hall in Norfolk. Erbaut für Robert Walpole. Aus Charles Latham. English Homes. Band III. London 1907

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