Vierzehntes Kapitel. - Die Hunnenschlacht. - Karfreitagmorgen war angebrochen. Des Erlösers Todestag ward heute auf dem hohen Twiel nicht in der stillen Weise begangen, ...

Karfreitagmorgen war angebrochen. Des Erlösers Todestag ward heute auf dem hohen Twiel nicht in der stillen Weise begangen, wie es der Kirche Vorschrift heischte. Des alten Moengal Ankunft hatte alle Zweifel gelöst, ob der Feind herannahe; noch in später Nacht hatten sie Kriegsrat gehalten und waren eins geworden, den Hunnen entgegenzurücken und sie in offenem Feldstreit zu bestehen.

Trüb ging die Sonne auf, bald war sie wieder verhüllt. Sturmwind zog übers Land und jagte das Gewölk, daß es sich über den fernen Bodensee niedersenkte, als wenn Wasser und Luft eins werden wollten. Dann und wann schlug ein Sonnenstrahl durch; es war des Frühlings noch unentschiedener Kampf mit des Winters Gewalten. Die Männer hatten sich vom Lager erhoben und rüsteten zu des ernsten Tages Arbeit.


In seiner Turmstube ging Ekkehard schweigsam auf und nieder, die Hände zum Gebet gefaltet. Ein ehrenvoller Auftrag war ihm geworden. Er sollte zum versammelten Kriegsvolke die Predigt halten, bevor man auszöge zum Streit: da betete er um Stärke und mutigen Flug der Gedanken, daß sein Wort werde zum glühenden Funken, der in aller Herz die Flamme der Streitlust entfache.

Plötzlich tat sich die Türe seines Gemaches auf. Herein trat die Herzogin ohne Praxedis’ Begleitung; einen faltigen Mantel hatte sie über das Morgengewand umgeworfen als Schutz gegen die Kühle der Frühstunde, vielleicht auch, daß sie den fremden Gästen unerkannt sein wollte, wie sie zum Turme schritt. Ein leicht Erröten überflog sie, wie sie allein ihrem jungen Lehrer gegenüberstand.

„Ihr zieht heute mit in den Kampf?“ fragte sie.

„Ich ziehe mit“, sprach Ekkehard.

„Ich würd’ Euch verachten, müßt’ ich eine andere Antwort hören“, sprach die hohe Frau, – „und Ihr habt wohl vorausgesehen, daß es nicht notwendig, Urlaub von mir zu solchem Gang zu erbitten. Auch ans Abschiednehmen denkt Ihr nicht?“ fuhr sie mit leis vorwurfsvollem Ton fort.

Ekkehard stand verlegen. „Es ziehen fürnehmere und bessere Männer heute aus Eurer Burg“, sagte er; „die Äbte und die Edeln werden um Euch sein, wie konnt’ ich an besondern Abschied denken, auch wenn es ...“ seine Stimme stockte.

Die Herzogin schaute ihn an. Beide schwiegen.

„Ich bring’ Euch etwas, das Euch im Kampfe dienlich sein soll“, sprach sie nach einer Weile. Sie trug unter ihrem Mantel ein kostbar Schwert in reichem Wehrgehäng, ein milchweißer Achatstein erglänzte am Griff. „Es ist das Schwert Herrn Burkhards, meines seligen Gemahls. Von allen Waffenstücken hielt er das am höchsten. Mit der Klinge lassen sich Felsen spalten, sie splittert nicht, hat er oft gesagt. Ihr sollt ihm Ehre machen!“

Sie reichte ihm die Waffe dar. Ekkehard nahm sie schweigend hin. Schon trug er den Harnisch unter der Kutte, itzt schnallte er das Wehrgehäng um und fuhr mit der Rechten nach dem Schwertgriff, als stünd’ ihm bereits der Feind gegenüber.

„Und noch etwas“, sprach Frau Hadwig.

An seidener Schnur trug sie ein goldgefaßt Kleinod um den Hals, das zog sie aus ihrem Busen; es war ein Kristall, der einen unscheinbaren Splitter barg. „Wenn mein Gebet nicht ausreicht, so mög’ Euch die Reliquie Schutz verleihen. Es ist ein Splitter vom heiligen Kreuz, das die Kaiserin Helena einst aufgefunden. Wo auch immer dies Heiligtum sein wird, da wird Friede sich einstellen und Mehrung des Anwesens und Gesundheit der Luft180, so stand im Schreiben, mit dem der griechische Patriarch die Echtheit beglaubigte. Mög’ es auch im Krieg Segen spenden!“

Sie neigte sich, dem Mönch das Kleinod umzuhängen. Er beugte sein Knie; längst hing’s um seinen Hals, er kniete noch. Sie streifte leicht mit der Hand über sein lockig Haar, ein Zug von Milde und Wehmut lag über ihrem strengen Antlitz – Ekkehard hatte vor dem Namen des heiligen Kreuzes sein Knie gebeugt, itzt war’s ihm, als müsse er sich ein zweitesmal niederwerfen, niederwerfen vor ihr, die so huldvoll seiner gedachte. Aufkeimende Neigung braucht Zeit, sich über sich selbst klar zu werden, und in Dingen der Liebe hatte er nicht rechnen und abzählen gelernt wie in den Versmaßen des Virgilius, sonst hätte er sich sagen mögen, daß, wer ihn aus des Klosters Stille zu sich gezogen, wer an jenem Abend auf Hohenkrähen, wer am Morgen der Schlacht so vor ihm stand, wie Frau Hadwig, itzt wohl ein Wort aus der Tiefe des Herzens, vielleicht mehr als ein Wort von ihm erwarten mochte.

Seine Gedanken jagten sich, alle Pulse schlugen.

Wenn früher etwas wie Liebe sich in ihm geregt, so war die Ehrfurcht vor seiner Gebieterin herangetreten, es zurückjagend wie der Sturm, der dem scheu zum Dachfenster herausschauenden Kind den Laden vor der Nase zuwirft. An die Ehrfurcht dachte er jetzt nicht, eher daran, wie er die Herzogin einst mit keckem Arm durch den Klosterhof getragen. Auch an sein Mönchsgelübde dachte er nimmer, es regte sich in ihm, als sollt’ er ihr in die Arme fliegen und sie jauchzend ans Herz pressen – Herrn Burkhards Schwert brannte ihm an der Seite. Wirf ab die Scheu, dem Kühnen gehört die Welt! War’s nicht so in Frau Hadwigs Augen zu lesen?

Er stand auf, stark, groß, frei – so hatte sie ihn noch nie gesehen ... Aber es war nur eine Sekunde, noch war kein Laut vom Sturm des Herzens über die Lippen geflohen, da fiel sein Blick auf das dunkle Kreuz von Ebenholz, das Vincentius einst in seiner Turmstube aufgehängt: „Es ist der Tag des Herrn, und du sollst heute reden vor dem Volk!“ – die Erinnerung an seine Pflicht schlug alles nieder ...

Es kam einmal ein Frost am Sommermorgen und Halm und Blatt und Blüten wurden schwarz, bevor die Sonne drüber aufging ...

Zag wie ehedem, ergriff er Frau Hadwigs Hand.

„Wie soll ich meiner Herrin danken?“ sprach er mit gebrochener Stimme.

Sie schaute ihn durchbohrend an. Der weiche Zug war vom Antlitz entflogen, die alte Strenge lagerte wieder auf der Stirn, als wolle sie antworten: „Wenn Ihr’s nicht wißt, ich werd’s Euch nicht verkünden“ – aber sie schwieg.

Noch hielt Ekkehard ihre Rechte gefaßt. Sie zog sie zurück.

„Seid fromm und tapfer!“ sprach sie, aus dem Gemache schreitend. Es klang wie Hohn ...

Kaum länger als einer braucht, um das Vaterunser zu beten, war die Herzogin bei Ekkehard gewesen, aber es war mehr geschehen, als er ahnen mochte.

Er schritt wieder in der Turmstube auf und ab; „Du sollst dich selbst verleugnen und dem Herrn nachfolgen“: so war’s in Benedikts Regel in der Zahl der guten Werke mit aufgezählt – er wollte schier stolz sein auf den Sieg, den er über sich errungen, aber Frau Hadwig war gekränkt die Stufen der Wendeltreppe hinabgestiegen, und wo ein hochfahrend Gemüt sich verschmäht glaubt, da sind böse Tage im Anzug.

Es war die siebente Stunde des Morgens, da hielten sie im Hof von Hohentwiel den Gottesdienst vor dem Auszug. Unter der Linde war der Altar aufgeschlagen, die geflüchteten Heiligtümer standen drauf zum Trost der Gläubigen. Der Hof erfüllte sich mit Gewaffneten, Mann an Mann standen die Rotten der Streiter, wie Simon Bardo sie abgeteilt. Wie dumpf Gewitterrollen tönte der Gesang der Mönche zum Eingang. Der Abt der Reichenau, so das schwarze Pallium mit weißem Kreuz übergeworfen, zelebrierte das Hochamt.

Hernach trat Ekkehard auf die Stufen des Altars; bewegt gleitete sein Auge über die Häupter der Versammelten, noch einmal zog’s ihm durch die Erinnerung, wie er vor kurzer Frist im einsamen Gemach der Herzogin gegenübergestanden, dann las er das Evangelium vom Leiden und Tod des Erlösers. Mählich ward seine Stimme klar und hell, er küßte das Buch und gab’s dem Diakon, daß er’s zurücklege auf daß seidene Kissen; sein Blick flog gen Himmel – dann hub er die Predigt an.

Lautlos horchte die Menge.

„Schier tausend Jahre sind vorüber“, rief er, „seit der Sohn Gottes sein Haupt am Kreuzesstamm neigte und sprach: ??Es ist vollbracht!‹ Aber wir haben der Erlösung keine Stätte bereitet in unsern Gemütern, in Sünden sind wir gewandelt und die Ärgernisse, die wir gaben in unserer Herzenshärtigkeit, haben gen Himmel geschrieen.

Darum ist eine Zeit der Trübsal emporgewachsen, blanke Schwerter blitzen wider uns, heidnische Ungeheuer sind in christliches Land eingefallen.

Aber statt zürnend zu fragen: ›Wie groß ist des Herren Langmut, daß er solchen Scheusalen die liebreizende Heimaterde preisgibt?‹ – klopfe ein jeglicher an die Brust und spreche: ›Um unserer Verderbnis willen sind sie gesendet.‹ Und wollet ihr von ihnen erlöset sein, so gedenket an des Heilands tapfern Tod. Fasset den Griff eurer Schwerter, so wie er einst das Kreuz faßte und hinaustrug zur Schädelstätte, schauet auf und suchet auch ihr euer Golgatha!! ...“

Er deutete nach den Ufern des Sees hinüber. Dann strömte seine Rede in Worten des Trosts und der Verheißung, stark wie der Schrei des Löwen im Gebirge:

„Die Zeiten erfüllen sich, von denen geschrieben steht: Und wenn die tausend Jahre zu Ende gehn, wird Satan aus seinem Kerker losgelassen werden und ausgehn, zu verführen die Völker in den äußersten Gegenden der Erde – den Gog und den Magog, und sie zum Streite versammeln. Ihre Zahl ist wie des Meeres Sand; sie ziehen über die weite Erde daher, umringen das Lager der Streiter Gottes und die geliebte Stadt. Aber Feuer fährt aus dem Himmel nieder und verzehrt sie, und der Teufel, ihr Verführer, wird in den Schwefelsee geworfen, wo auch das Tier und der Lügenprophet ist, und sie werden gequält werden Tag und Nacht bis in die ewige Ewigkeit181.

Und was der Seher auf PatmosA1 ahnend geoffenbart, das ist uns Bürgschaft und Gewähr des Sieges, so wir sündegeläutert ausziehen zum Kampf. Lasset sie anstürmen auf ihren schnellen Rossen, was verficht’s? Zu Söhnen der Hölle hat sie der Herr gestempelt, darum ist ihr Antlitz nur die Fratze von eines Menschen Antlitz, die Ernte unserer Felder können sie niedertreten und die Altäre unserer Kirchen schänden, aber den Arm gottesmutiger Männer können sie nicht bestehen.

Seid eingedenk also, daß wir Schwaben allezeit vorfechten182 müssen, wo um des Reiches Not gestritten wird; wenn es in andern Zeiten ein Greuel vor dem Herrn wäre, an seinem Feiertag den Harnisch umzuschnallen, – heute segnet er unsere Waffen und sendet seine Heiligen zum Beistand und streitet selber mit uns, er, der Herr der Heerscharen, der den Blitz vom Himmel schmetternd niederfahren heißt und die klaffenden Abgründe der Tiefe auftut, wenn die Stunde der Erfüllung gekommen.“

Mit erlesenen Beispielen ruhmreicher Kämpfe feuerte dann Ekkehard seine Zuhörer an, und manche Faust preßte den Speer und mancher Fuß hob sich ungeduldig zum Abzug, wie er von Josuas Heerzug sprach, der unter des Herren Schirm einunddreißig Könige schlug in der Landmark jenseits des Jordan, – und von Gideon, der beim Schall der Posaunen ins Lager der Midianiter brach und sie jagte bis Bethseba und Tebbath – und vom Ausfall der Männer von Bethulia, die nach Judiths ruhmreicher Tat die Assyrer schlugen mit der Schärfe des Schwerts.

Zum Schluß aber rief er, was Judas, der Makkabäer, zu seinem Volk gerufen, da sie bei Emaus ihr Lager schlugen wider des Antiochus Heer: „Umgürtet euch drum und seid tapfere Männer und seid bereit, gegen den Morgen früh wider die Völker zu streiten, die heranziehen, unser Heiligtum auszutilgen, denn es ist uns besser, im Streit umzukommen, als das Elend sehen an unserm Heiligtum – Amen!“

Eines Augenblickes Länge blieb’s still, wie er geendet; dann hob sich ein Klirren und Klingen, sie schlugen Schwert und Schild aneinand, hoben die Speere hoch und schwenkten die Feldzeichen – alte Sitte freudiger Zustimmung.

„Amen!“ scholl es tönend durch die Reihen, dann neigten sie die Kniee, das Hochamt ging zu Ende; schauerlich klangen die hölzernen Klappern statt des üblichen Glockentones zur Feier. Wer sich noch nicht in österlicher Andacht mit dem Leib des Herrn gestärkt, trat vor zum Altar, ihn zu empfangen. Da rief’s vom Turm: „Waffen! Waffen! Feindio183! – Vom See kommt’s schwarz herangezogen, Roß und Reiter, Feindio! –“ itzt war kein Halt mehr und keine Ruhe, sie stürmten nach dem Tor, wie vom Geist getrieben; kaum mochte Abt Wazmann den Segen erteilen.

So stürmt in unsern Tagen der wendische Fischer aus der Sonntagskirche, die am rügianischen Dünengestad’ sein Geistlicher hält, zur Zeit, wo des Herings Heersäulen im Anzug sind. „Der Fisch kommt!“ ruft die schildwache am sandweißen Ufer, da wogt’s und rennt’s nach den Barken, verlassen steht der Prediger und schaut ins Getümmel, da schneidet auch er der Andacht Faden ab und greift seine Netze und eilt zum Schifflein, die Schuppenträger zu bekriegen ...

Schlachtfroh rückten sie aus dem Hofe, in jedem Herzen jene Mark und Fibern schwellende Spannung, daß es einem großen Augenblick entgegengehe. Und waren der Mönche von Sankt Gallen vierundsechzig, derer von Reichenau neunzig und an Heerbannleuten mehr denn fünfhundert. Beim Feldzeichen der Sankt Gallischen Brüder schritt Ekkehard; es war ein florverhüllt Kruzifix mit schwarzen Wimpeln, da des Klosters Banner zurückgeblieben. Auf dem Söller der Burg stand die Herzogin und ließ ein weißes Tuch in die Lüfte wehen. Ekkehard wandte sich nach ihr, aber ihr Blick mied den seinen und der Abschiedsgruß galt nicht ihm.

Ans untere Burgtor hatten dienende Brüder den Sarg mit des heiligen Markus Gebein getragen: Wer immer vorüberschritt, berührte ihn mit Schwert und Lanzenspitze, dann ging’s schweren Tritts den Burgweg hinab.

In der weiten Ebene, die sich nach dem See hinstreckt, ordnete Simon Bardo die Scharen seiner Streiter. Hei! wie wohlig war’s dem alten Feldhauptmann, daß statt der Kutte wieder der gewohnte Panzer sich um die narbenbedeckte Brust schmiegte. Zu fremdartig geformter, spitz zugehender Stahlkappe kam er geritten, sein breiter, edelsteingeschmückter Gürtel und der güldene Knauf des Schwertes zeigten den ehemaligen Heerführer.

„Ihr leset die Alten der Grammatika halber“, hatte er zu den Äbten gesagt, die hoch zu Rotz bei ihm hielten, „ich hab’ mein Handwerk von ihnen gelernt. Mit Frontinus’ und Vegetius’A2 guten Ratschlägen läßt sich noch heutigentages was ausrichten. Für den Anfang soll’s heut mit der Schlachtordnung der römischen Legionen erprobt sein, dabei läßt sich am besten abwarten, wie sich der Feind zu erkennen gibt. Wir können dann noch immer tun, wie wir wollen, die Sache geht nicht in einer halben Stunde zu End’.“

Er hieß die leichte Mannschaft der Bogenschützen und Schleuderer vorausrücken; sie sollten den Waldsaum besetzen, vom Tannendickicht gegen Reiterangriff geschützt. „Zielt nieder!“ sprach er, „wenn ihr auch statt des Mannes das Roß trefft, ‘s ist immer etwas!“

Beim Klang der Waldhörner schwärmte die Schar vorwärts, noch war kein Feind zu sehen.

Die Männer des Aufgebots ordnete er in zwei Heersäulen; dichtgeschlossen, den Speer gefällt und langsam rückten sie vor, von der vordern Säule zur zweiten ein Abstand weniger Schritte. Der von Randegg und der dürre Fridinger führten sie.

Die Mönche hieß er zu einem Haufen zusammentreten und stellte sie in die Rückhut.

„Warum das?“ fragte der Abt Wazmann; er kränkte sich, daß ihnen nicht die Ehre des vordersten Angriffs zugeteilt ward.

Da lächelte der Kriegserfahrene. „Das sind meine TriarierA3“, sprach er; „nicht, weil altgediente Soldaten, wohl aber, weil sie um Rückkehr ins warme Nest streiten. Von Haus und Hof und Bett verjagt sein, macht die Hiebe am schwersten und die Stiche am tiefsten. Habt keine Sorge, die Wucht des Streites kommt noch früh genug an die Mannschaft des heiligen Benediktus!“

Die Hunnen hatten bei Tagesgrauen das Reichenauer Kloster geräumt. Die Vorräte waren aufgezehrt, der Wein getrunken, die Kirche geplündert: ihr Tagewerk war getan. Auf Heribalds Stirn ward manche Runzel glatt, wie der letzte Reiter dem Tor entritt. Er warf ihnen ein Goldstück nach, das ihm der Mann von Ellwangen im Vertrauen zugesteckt. „Landsmann“, hatte Snewelin zu ihm gesagt, „wenn du hörst, daß mir ein Unglück zugestoßen ist, so laß ein Dutzend Messen für meine arme Seel’ lesen. Ich hab’s immer gut gemeint mit euch und euerm Wesen, und daß ich unter die Heiden geraten bin, geschah mir, ich weiß selber nicht wie. Der Ellwanger Boden ist leider zu rauh, als daß Heilige darauf erwachsen können.“

Aber Heribald wollte nichts von ihm wissen. Im Garten schaufelte er Knochen und Asche der Verbrannten und ihrer Rosse zusammen und streute sie in den See, während die Hunnen noch drüben einherzogen. „Kein Staub von einem Heiden soll auf der Insel bleiben“, sprach er. Dann ging er in den Klosterhof und schaute sich tiefsinnig den Platz an, wo er gestern zum Tanz gezwungen wurde.

Der Hunnen Ritt ging durch den dunklen Tannwald dem Hohentwiel entgegen. Aber wie sie sorglos dahintrabten, prallte da und dort ein Roß auf; Pfeile und Schleuderkugeln, von unsichtbaren Schützen geschossen, fuhren in den Schwarm. Der Vortrab wollte stutzig werden. „Was kümmert euch der Mückenstich?“ rief Ellak und spornte sein Roß, „vorwärts, die Ebene ist das Feld, der Reiterschlacht!“ Ein Dutzend seiner Leute hieß er mit dem Troß zurückbleiben zum Geplänkel mit denen im Wald. Die Erde dröhnte vom Hufschlag der vorwärts sausenden Horde; im Blachfeld breitete sich der Schwarm und sprengte mit Geheul auf den anrückenden Heerbann. Weit voraus ritt Ellak mit dem hunnischen Bannerträger, der schwenkte die grünrote Fahne über ihm, er aber hob sich hoch im Sattel und tat einen wilden Schrei und schoß den ersten Pfeilschuß ab, auf daß der Kampf nach altem Brauch eröffnet sei184. Es begann das Morden der Feldschlacht. Aber wenig frommte es den schwäbischen Kriegern, daß sie unerschüttert standhielten, ein starrender Lanzenwald; war der Reiter Angriff abgeprallt, so kam aus der Ferne ein Pfeilregen geschwirrt; halb aufgerichtet im Bügel standen die Hunnen trotz Rossestrab, den Zaum über des Gauls Nacken geworfen zielten sie, der Schuß traf.

Andere schwärmten von der Seite ein – weh dem Gefallenen, den seine Brüder nicht in die Mitte nahmen.

Da gedachten die Leichtbewaffneten vom Walde den Hunnen in den Rücken zu brechen. Hörnerruf rief sie zur Sammlung, sie rückten vor – aber mit eines Gedankens Schnelle waren die feindlichen Rosse gewendet, Pfeilregen prasselte in die Anrückenden, sie stutzten, wenige schritten weiter, auch sie wurden geworfen, nur Audifax marschierte vorwärts, die Pfeile zischten um ihn, er schaute nicht auf und nicht zurück, er blies die Sackpfeife zum Angriff, wie es seines Amtes war; so kam er mitten ins Gewühl der feindlichen Reiter.

Da stockte sein Blasen – im Vorübersprengen hatte ihm einer die Schlinge um den Hals geworfen und riß ihn an sich; widerstrebend schaute Audifax um, kein einziger seines Häufleins war hinter ihm zu erspähen – „O Hadumoth!“ rief er betrübt. Den Reiter jammerte des mutigen blonden Knaben, statt ihm das Haupt zu spalten, hob er ihn zu sich aufs Roß und jagte mit ihm zurück. Von einem Hügel gedeckt hielt der hunnische Troß. Hoch aufgerichtet stund die Waldfrau auf ihrem Wagen und spähte hinaus in die wogende Schlacht, sie hatte die ersten Verwundeten gepflegt und kräftige Heilsprüche gesungen über das rinnende Blut.

„Ich bring’ Euch einen, der kann die Feldkessel fegen!“ rief der hunnische Reiter und warf den Hirtenknaben vom Roß hinüber, daß er der Alten vor die Füße flog in den strohumflochtenen Korb des Wagens.

„Willkommen, du giftiges Krötlein“, rief sie grimmig, „du sollst den Lohn empfahen dafür, daß du den Kuttenmann auf meinen Fels gewiesen!“ Sie hatte ihn erkannt, zerrte ihn an der Schlinge zu sich und band ihn an des Wagens Gestell.

Audifax schwieg. Aber bittere Tränen perlten im Auge, er weinte, nicht ob seiner Gefangenschaft, er weinte ob abermals getäuschter Hoffnung. „O Hadumoth!“ seufzte er abermals. – Verwichene Mitternacht war er bei der jungen Hirtin gesessen, versteckt am glimmenden Herdfeuer: „Du sollst fest werden“, hatte Hadumoth gesagt, „gefeyt gegen Hieb und Stich!“ Sie hatte eine braune Schlange zerkocht und ihm mit dem Fette Stirn und Schulter und Brust bestrichen. „Morgen abend erwarte ich dich hier am selbigen Plätzlein, du kommst mir heil zurück. Kein Eisen ist wider Schlangenfett!“

Und Audifax hatte ihr die Hand gegeben und war so wohlgemut mit seiner Sackpfeife ausgerückt in den Kampf – und jetzt! ...

Noch wogte der Feldstreit draußen im Talgrund. Schier wankten die schwäbischen Reihen, ermüdet des ungewohnten Fechtens. Bedenklich schaute Simon Bardo drüber hin und schüttelte das Haupt: „Die schönste Strategie“, brummte er, „ist vergeudet an diese Zentauren, – das sprengt ab und zu und schießt aus der Ferne, als wär’ meine dreifache Schlachtordnung für nichts da; es täte wahrhaft not, daß man des Kaiser LeoA4 Buch über die Taktik ein eigen Kapitel vom Hunnenangriff zufügte!“

Er ritt zu den Mönchen und schied sie wieder in zwei Heerhaufen; die von Sankt Gallen sollten zur Rechten, die Reichenauer zur Linken des Heerbanntreffens vorrücken, dann schwenken, daß der Feind, den Wald im Rücken, in weitem Halbkreis eingeschlossen sei. „So wir sie nicht einklemmen, halten sie nicht stand“, rief er und schwang sein breites Schlachtschwert; „auf und drauf denn!“

Wildes Feuer leuchtete aus aller Augen. Marschbereit standen die Reihen. Jetzt warf sich noch ein jeglicher ins Knie, griff eine Scholle vom Boden auf und streute sie rückwärts über sein Haupt, daß es geweiht und gefeit sei durch die vaterländische Erde185, – dann ging’s in Kampf.

Die von Sankt Gallen stimmten den frommen Schlachtgesang „Media vita“ an. Notker, der Stammler, war dereinst durch die Schluchten beim heimischen Martinstobel gestiegen, sie wölbten einen Brückenbogen herüber, über schwindelnder Tiefe schwebten die Bauleute, da stand es als Bild vor seiner Seele, wie zu unserem Leben jeden Augenblickes des Todes Abgrund aufgähnt, und er dichtete das Lied. Jetzt galt’s als Zaubersang, Schirm eigenen Lebens, Untergang dem Feinde.

Dumpf klang’s von den anrückenden Männern in die Hunnenschlacht:

„Ach, unser Leben ist nur ein halbes Leben!
Des Todes Boten ständig uns umschweben.
Wen mögen wir als Helfer uns erflehen,
Als dich, o Herr! den Richter der Vergehen?
Heiliger Gott!“

und vom andern Flügel sangen die Reichenauer Mönche entgegen:

„Dein harrten unsre Väter schon mit Sehnen,
Und du erlöstest sie von ihren Tränen,
Zu dir hinauf erging ihr Schreien und Rufen,
Du warfst sie nicht von deines Thrones Stufen
Starker Sott!“

und von rechts und links klang’s zusammen – schon tönte Schwerthieb und dumpfer Fall Getroffener dazwischen:

„Verlaß uns nicht, wenn Unkraft uns befallen,
Wenn unser Mut entfleucht, sei Stab uns allen:
O gib uns nicht dem bittern Tod zum Raube,
Barmherz’ger Gott, du unser Hort und Glaube!
Heiliger Gott, heiliger starker Gott!
Heiliger barmherziger Gott, erbarme dich unser186!“

So standen sie im Handgemeng’. Staunig hatten die Hunnen die herannahenden dunkeln Scharen erschaut, Geheul und der zischende teuflische Ruf: „Hui! hui187!“ war ihre Antwort auf die „Media vita“, auch Ellak teilte seine Reiter zum Angriff und ringsum tobte der Kampf. Drein gespornte Rosse durchbrachen das schwache Häuflein derer von Sankt Gallen, grimmes einzelnes Streiten begann, es rang die Kraft mit der Schnelle, germanische Ungelenkheit mit hunnischer List.

Da trank die Hegauer Erde manch frommen Mannes Blut. Tutilo, der Starke, lag erschlagen, er hatte eines Hunnen Roß unterlaufen, den Reiter an den Füßen heruntergerissen und schwang den Krummgesichtigen durch die Lüfte, ihm das Haupt an einem Feldstein zerschmetternd – aber ein Pfeil flog dem greisen Künstler durch die Schläfe, wie Siegsgesang himmlischer Heerscharen ertönte es durchs wunde Gehirn, dann sank er auf den erschlagenen Feind. Sindolt, der Böse, sühnte mit der Wunde auf der Brust manch schlimme Tücke, die er sonst an den Gefährten geübt; nichts frommte es dem Schotten Dubslan, daß er sich dem heiligen Minwaldius vergelübdet, barfuß gen Rom zu wallfahren, wenn er ihn heut beschütze – durchschossen trugen sie ihn aus dem Getümmel.

Wie’s von Hieben auf die Helme prasselte, gleich Hagelschlag auf lockres Schieferdach, da zog Moengal, der Alte, die Kapuze übers Haupt, daß er nicht zur Rechten schaue und nicht zur Linken, sein Speer war verworfen: „Heraus jetzt, alte Cambutta!“ rief er ingrimmig und schnallte die Keule los, die über den Rücken gefestigt ihn begleitet, und stand im Gewühl wie ein Drescher in der Tenne. Lang’ schon war ein Reiter um ihn geschwärmt, „Kyrie eleison!“ sang der Alte und schlug des Rosses Schädel entzwei, mit gleichen Füßen sprang der Reiter zur Erde, ein leichter Hieb von krummem Säbel streifte Moengals Arm. „Hoiho!“ schrie er auf, „im Lenzmonat ist gut Aderlassen, sieh dich für, Ärztlein!“ und er tat einen Keulenschlag, als wollt’ er seinen Gegner klaftertief in die Erde hineinschlagen. Der Hunnenkämpe bog dem Hieb aus, da fiel der Helm – ein rotbackig Gesicht schaute zu dem Keulenschwinger hinüber, wallendes Haupthaar quoll drüber vor, von rotem Band durchflochten; eh’ er einen zweiten Hieb führte, sprang’s an Moengal hinauf wie eine Tigerkatze, das junge Gesichtlein hob sich vor dem seinen, als sollt’ ihm in alten Tagen noch eines Kusses Gelegenheit beschert sein – da fuhr ein Biß in seine Wange, scharf und gut, er umfaßte den Angreifer – das war wie weibliche Hüften. „Weiche von mir, Unhold“, rief er, „hat die Hölle auch Teufelinnen ausgespien?“ da saß ein zweiter Biß auf der linken Wange, gestörtes Gleichmaß herzustellen. Er fuhr zurück, sie lachte ihn an, ein ledig Roß sprang vorüber – eh’ Moengal, der Alte, die Keule wiederum gehoben, saß Erica im Sattel und ritt davon wie ein Traum der Nacht, wenn der Hahn kräht ...

Beim Heerbann im Mitteltreffen focht Herr Spazzo, der Kämmerer, als Führer einer Rotte. Das langsame Vorrücken hatte ihm behagt, wie der Kampf aber gar kein Ende nehmen wollt’ und alles ineinand verbissen war, wie Meute und Edelwild auf der Hetzjagd, da ward’s ihm schier zu viel. Eine idyllische Stimmung kam über ihn mitten unter Tod und Todesnot. Erst wie ihm einer im Vorbeireiten den Helm als Beutestück abriß, ward er aufgerüttelt aus seiner Betrachtung, und wie derselbe, den Versuch erneuernd, ihm auch noch den Mantel wegzerren wollte, rief er unwillig: „Ist’s noch nicht genug, du Scharfschütz des Teufels?“ und tat einen Stich nach ihm, daß des Hunnen Schenkel von der langen Schwertklinge an sein Roß angeheftet ward. Jetzt gedachte er, ihm den Todesstoß zu geben, doch wie er sein Antlitz schaute, war es also häßlich, daß er beschloß, ihn als lebendige Erinnerung des Tages seiner Gebieterin mitzubringen. Da machte er den wunden Mann zum Gefangenen; er hieß Cappan und schmiegte seinen Hals unter Herrn Spazzos Arm, als Zeichen der Unterwerfung, und grinste mit den weißen Zähnen, wie ihm sein Leben geschenkt ward.

Gegen die Brüder der Reichenau führte Hornebog seinen Schwarm. Dort hielt der Tod reiche Ernte. Des Klosters Mauern glänzten fern aus dem See herüber zu den Streitern, wie eine Mahnung zu wuchtigem Dreinschlag, und der Hunnen mancher, der in Schwertes Bereich kam, merkte, daß er auf schwäbischem Boden stund, wo der Streiche gediegenste wild wachsen wie die Erdbeeren im Wald. Doch auch in der Brüder Reihen ward’s lichter: da ruhte Quirinus, der Schreiber, für immer vom Schreibkrampf, der die Lanze in seiner Rechten zittern gemacht, da sank Wiprecht, der Sternkundige, und Kerimold, der Meister im Forellenfang, und Wittigowo, der Bauverständige – wer kennt sie alle, die Namenlosen, die freudigen Todes starben?

Nur einem gedieh ein hunnischer Pfeil zum Heile; das war der Bruder Pilgeram. Zu Köln am Rhein war er geboren und hatte seinen Wissensdurst und einen mächtigen Kropf auf Pirmins Eiland getragen, der frömmsten und gelahrtesten Mönche einer, doch wuchs sein Kropf, und über Aristoteles’ „Ethik“ war er tiefsinnig geworden, daß Heribald oft mitleidig zu ihm gesagt: „Pilgeram, du dauerst mich!“ Jetzt durchschnitt ihm ein Pfeil des Halses Überhang: „Fahr’ wohl, Freund meiner Jugend!“ rief er und sank. Doch war’s keine schwere Wunde, und wie er wieder er wachte, war’s leicht am Hals und leicht im Kopf, und seinen Aristoteles schlug er zeitlebens nimmer auf.

Am das sankt-gallische Feldzeichen war ein erlesen Häuflein geschart. Noch flatterten die schwarzen Wimpel vom Bild des Gekreuzigten, aber der Kampf war hart. Mit Wort und Tat feuerte Ekkehard die Genossen an, Widerpart zu halten; es war Ellak selber, der gegen sie anritt. Leichen erschlagener Männer und Rosse lagen in wildem Durcheinander; wer überlebte, hatte seine Schuldigkeit getan, und wo alle brav, ragt keine Einzeltat, besonderen Ruhm erheischend aus dem Geschehenen herfür. Herrn Burkhards Schwert hatte in Ekkehards Händen neue Bluttaufe errungen, doch vergeblich war er auf Ellak, den Heerführer, eingedrungen, nur wenig Hiebe wechselten sie, da trennte das Wogen der Schlacht die Streitenden. Schon wankte das hochgehaltene Kreuz, von unablässigen Geschossen umschwirrt – da ging durch die Reihen ein Schrei des Staunens: vom Hügel, der den Turm von Hohenfridingen trägt, kamen zwei Reiter gesprengt, fremd an Gestalt und Rüstung. Schwerfällig und mächtigen Umfangs saß der eine zu Roß, von veralteter Form war Schild und Harnisch, doch verblichene Vergüldung zeigte den vornehmen Kriegsmann. Ein goldner Reif schlang sich um den Helm, vom roten Busch umwallt. Der Mantel flog im Wind; den Speer eingelegt, ritt er einher, ein Bild aus alten Zeiten, wie der König Saul in Folkards Psalmenbuch, da er ausreitet wider David188. Sorgsam ihm zur Seite ritt der andere, zu Schirm und Deckung bereit als getreuer Dienstmann.

„Der Erzengel Michael!“ rief’s in der christlichen Heerschar, und sie faßten zu neuer Kraft sich zusammen. Die Sonne leuchtete auf des fremden Reitersmannes Gewaffen wie Verheißung des Siegs – itzt waren die zwei im Getümmel, als wollte der Goldgerüstete einen Gegner suchen. Der blieb ihm nicht aus. Wie ihn des Hunnenführers scharfes Auge erschaut, war auch schon sein Roß ihm entgegengewandt, des fremden Rittersmannes Speer fuhr an ihm vorüber, schon hub Ellak das Schwert zu tödlichem Hieb. Doch der Dienstmann warf sich dazwischen, sein breites Schlachtschwert erreichte nur des Hunnen Roß, da beugte er sein Haupt vor und fing den Schlag, der dem Gebieter galt; in den Hals getroffen ging der treue Schildknappe in Tod.

In klirrendem Fall rasselte Ellaks Pferd zu Boden, doch eh’ der Schall verhallt war, stund der Hunne wieder aufrecht, der unbekannte Kämpe schwang den Streitkolben, ihn zu zerschmettern, Ellak, den linken Fuß auf den erschlagenen Renner gestemmt, preßte ihm mit nerviger Faust den Arm zurück und strebte ihn vom Saul zu reißen: Mann an Mann hub sich ein Ringen der beiden Gewaltigen, daß die Kämpfer ringsum, die Schlachtarbeit einstellend, hinüberschauten.

Jetzt hatte Ellak in listiger Wendung das kurze Halbschwert gegriffen, das ihm nach hunnischem Brauch zur Rechten hing, aber wie er zu neuem Stoß ausholte, senkte sich schwer und langsam seines Gegners Streitkolben auf sein Haupt – noch führte die Faust des Getroffenen den Stoß, dann fuhr sie zur Stirn, Blut überströmte sie, auf sein Streitroß taumelte der Hunnenführer nieder und verhauchte unwillig sein Leben.

„Hie Schwert des Herrn und Sankt Michael!“ scholl’s brausend itzt von Mönch und Heerbannleuten, zu letztem verzweifeltem Angriff drangen sie vor, noch war der Goldgerüstete der vorderste im Treffen. Des Anführers Fall schuf den Hunnen panischen Schreck, rückwärts wandten sie sich, rückwärts in toller Flucht.

Schon hatte die Waldfrau des Feldstreits Ausgang erspäht, die Rosse standen geschirrt, sie warf einen zornmütigen Blick auf die anrückenden Mönche und ihren heimatlichen Fels, und scharfen Trabes fuhr sie dem Rheine zu, der Troß ihr nach – zum Rhein! war die Losung der fliehenden Reiter; zuletzt und ungern kehrte Hornebog mit den Seinen der Schlacht und dem hohen Twiel den Rücken. „Auf Wiedersehen übers Jahr!“ rief er höhnend zu den Reichenauer Männern.

Der Sieg war errungen. Doch der, den sie als Erzengel wähnten, vom Himmel niedergestiegen aufs hegauische Blachfeld, neigte sein schweres Haupt auf des Streitrosses Rücken, Zügel und Kolben entsanken den Händen, war’s des Hunnen letzter Stoß, war’s Erstickung in Hitze des Kampfes – sie huben ihn als einen Toten vom Roß. Sein Visier war gelüftet, ein freudig Lächeln schwebte um das runzelgefurchte mächtige greise Haupt ... von dieser Stunde hatte des Alten aus der Heidenhöhle Kopfweh ein End’. Er hatte in ehrlichem Reiterstod die Schuld vergangener Zeiten gesühnt, das schuf ihm ein fröhlich Sterben.

Ein schwarzer Hund lief suchend über die Walstatt, bis er des Alten Leichnam gefunden, und leckte ihm wehmütig heulend die Stirn, und Ekkehard stand dabei, die Träne im Aug’, und sprach das Gebet um’s Heil seiner Seele ...

Mit Tannenreis am Helm zogen die Sieger auf ihre Bergfeste zurück. Der Mönche zwölf ließen sie unten im Tal, Totenwache auf der Walstatt zu halten; und waren im Streit gefallen der Hunnen einhundertundachtzig, des schwäbischen Heerbanns sechsundneunzig, derer von der Reichenau achtzehn, derer von Sankt Gallen zwanzig, der Alte und Rauching, sein Dienstmann.

Mit verbundener Wange schritt Moengal übers Feld, auf seine Keule wie auf einen Wanderstab sich stützend. Er beschaute die Erschlagenen. „Hast du keinen Hunnen drunter getroffen, der eigentlich eine Hunnin ist?“ fragte er einen der wachehaltenden Brüder.

„Nein!“ war der Bescheid.

„Dann kann ich heimgehen!“ sprach Moengal.

Fußnoten

A1 Auf der Sporaheninsel Patmos soll Johannes seine „Offenbarung“ geschrieben haben.

A2 Römische Kriegsschriftsteller des 1. und 5. Jahrhunderts. –

A3 Das aus den erfahrensten Soldaten bestehende dritte Treffen.

A4 Leos VI., des Weisen, Kaisers von Byzanz 886–911.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Ekkehard