Die von Burgsdorf'sche Schrift betreffend

Die 1817 vorgefasste Meinung: dass jene einzige Richtung (Erreichung der höchsten Schnelligkeit) der Engländer bei der Zucht ihrer Vollblutpferde diesen ganzen Stamm verderben müsse, ließ Herrn v. B. in dem Pferderennen nichts als ein großes Hasardspiel erblicken. Die ganze englische Pferdezucht ist auf die Vollblutpferde basiert, und diese sind nur für die Pferderennen geschaffen und werden nur durch dieselben erhalten. Dieses ist wenigstens die allgemeine Meinung sämtlicher nachdenkender Engländer, die doch, alles wohl erwogen, wohl am richtigsten darüber urteilen können. Sowohl der Araber als der Engländer wählten ihre Zuchttiere, der eine aus kriegerischen, der andere aus pekuniären Absichten, nach der höchsten Schnelligkeit, die sie im Wettrennen bewiesen, und gewiss ohne darüber die Theorie aufzustellen, dass dadurch auch die beste Nachzucht erfolgen müsste, welches aber als Resultat eintrat. Ebenso, gewiss zufällig, fand man durch Erfahrung, dass das schnellste Pferd auch in der Regel die besten Produkte in der Halbblutzucht lieferte1) die Sache scheint übrigens auch theoretisch a priori leicht aufzufinden. Zur größten Schnelligkeit auf eine nicht zu kurze Distanz gehört die höchste Kraft, Gesundheit, gute Aktion und regelmäßiger Bau;2) mithin ist auch von den bezeichneten Pferden die beste Nachkommenschaft zu erwarten. Einer der geachtetsten Mitarbeiter am S. M. sagt über diesen Gegenstand Folgendes: „Einige glauben, dass die Fähigkeit zum Laufen nur im Blute bestehe, und die äußern Formen ganz zu übersehen sind. Doch bei 8 stone, 7 Pf. für 4-jährige Pferde auf einer Rennbahn wie Epsom (sie ist bergig) gehört Kraft, und diese kann nur bei richtigen Verhältnissen vorhanden sein.“

Wenn man sagt, was doch nur ausnahmsweise geschieht, dass man Pferde mit Spat, Blindheit, Hasenhacken etc. zur Zucht anwendet, so vergisst man anzuführen, dass wenn sie diese Fehler vererben, sie von der Zucht ausgeschlossen werden. Wer würde wohl so toll sein, hohe Summen auf ein blindes Pferd, oder das Spat und Hasenhacken hat, zu wetten? Comus, Phantom, Trumphator, Y. Whiskey sind blind, und Spectre hatte einen blinden Vater und eine blinde Mutter; sämtliche Hengste deckten, und decken teils noch in England sehr viel, weil keines ihrer Füllen diesen Fehler erbte. Würde es der Fall sein, wenn sie Blindheit vererbten? Diese Blindheit war durch Anstrengung im Rennen ebenso gut gekommen, wie man Spat und Hasenhacken erscheinen sieht. Man hat auf dem Kontinente, wie ich von vielen Seiten erfahre, in einem höchst rationell geführten landesherrlichen Gestüte, einen englischen Hengst mit Spat viel decken lassen,3) in meinen Augen immer ein großes Wagestück, zu dem ich nicht Mut genug hätte, und keiner seiner Nachkommen soll es haben, und seine Nachkommenschaft sehr wertvoll sein. Man kann sich auch überzeugt halten, dass Herr v. B. einen großen Unterschied zwischen jenen Fehlern macht, welche durch vielleicht übernatürliche Anstrengungen hervorgebracht sind, und jenen, welche sich bei Pferden, die nichts geleistet haben, zeigen. Bei letztern sind sie fast stets Folge eines fehlerhaften Baues und mit Schwäche verbunden, erstere scheint auch Herr v. B. nicht zu fürchten, wie der Ankauf von His Grace be weist, den man in England vom Magistrate glaubt (seine Mutter ward vom Magistrate und Filho gedeckt), und der als Sohn dieses Hengstes zu dem St. Leger aufgeführt ist. (Magistrate – Camillus; – Hambletonian) Die geäußerte Vermutung bestätigt ferner der Ankauf der Rosa Julia by Blacklock (Whitelock – Hambletonian) – So wird der Herzog von Grafton die Parapluie by Merlin out of Parasol, welche lahm an Spat die Rackel schlug, gewiss decken lassen, aber auch ebenso gewiss ausrangieren, wenn ihre Kinder den Fehler erben.


Pag. 6. Soweit meine Erfahrung reicht, habe ich wohl Pferde gefunden, welche durch übermäßiges Trainieren und Rennen in ihrer frühen Jugend Fehler und Sehnenschwäche erhalten hatten, aber nie habe ich dadurch entkräftete Pferde gefunden. Diese Art Pferde, gebrannt auf ihren schwachen Teilen, wandeln zur Postkutsche usw. und mit Erstaunen wird jeder aufmerksame Beobachter ihre Dienstleistungen sehen und oft bemerkt haben, wie die fehlerfreiesten und besten veredelten Pferde gegen sie dabei zurückstanden. Ich habe früher, ehe Erfahrung mir das Gegenteil lehrte, oft auch solche Rennpferde für entkräftet gehalten. Wie leicht es ist, in diesen Irrtum zu verfallen, ist in neuerer Zeit durch ein merkwürdiges Beispiel gezeigt. Die sämtlichen Trainer in Newmarket hatten den Master Henry für entkräftet und abgelebt erklärt. Der Herr Charlton auf Ludford, Inhaber eines der ersten Gestüte Englands, sah aber schärfer, und kaufte diesen herrlichen Hengst für die geringe Summe von 700 Guineen, und die Erfahrung beweiset, dass er Recht hatte. Master Henry ist noch jetzt einer der kräftigsten, vorzüglichsten Hengste der Welt, und liefert eine höchst kraftvolle Nachkommenschaft.

Pag. 6. Die sämtlichen jetzigen Englischen Vollblutpferde, da sie sich auf drei Stammhalter reduzieren lassen, sind alle so nahe miteinander verwandt, dass es höchst auffallend sein müsste, wenn in einzelnen neuern Familien, gegründet durch ausgezeichnete Hengste aus den drei Hauptstämmen, große Verschiedenheiten vorkämen. Es gibt darunter allerdings einige Familien, die sich mehr als die andern durch Dauer, Gesundheit und Schnelligkeit auszeichnen, andere, die das Trainieren nicht lange aushalten, deren Sehnen leiden, und die mehr schnell als dauernd sind, allgemein kann man aber dieses nicht annehmen. Es gibt einige Sachen, auf welche man beim Ankauf von Beschälern für den Kontinent hauptsächlich Rücksicht nehmen sollte, und was, so scheint es uns, fast immer übersehen wird:

1) Soundness, d.h., dass die Sehnen Dauer haben (viel wichtiger als starke Knochen).

2) Frühe Ausbildung, und,

3) ob der Stamm Größe vererbt.

Aus diesen Gründen würde ich z.B. jeden Ankauf der Nachkommen des Whalebone oder des Phantom für nicht zweckmäßig halten können. Ein leider zu früh verstorbener großer Pferdekenner, Lord Harley, ältester Sohn des Earl of Orford, als Old Forester jedem Pferdeliebhaber teuer, sagt über den Whalebone: „Für ein so ausgezeichnetes Pferd, als Longwaist oder Moses (gegen welchen sehr viel zu sagen ist), liefert er 20 Pferde, welche zu nichts als zu Hacks (Reitpferde auf der Landstraße etc.) zu gebrauchen sind.“

Über den Moses hat sich das Gerücht verbreitet, dass ein königlich-preußischer Gestütsbeamter ihn untersucht und gefunden habe, dass er Spat besitze. Da des Moses' Sprunggelenke ohne Frage seine beste Partie sind, so war uns diese Nachricht sehr auffallend, und wir ließen den Moses durch einen anerkannt geschickten Veterinär besehen, dessen Ausspruch denn dahin geht, dass er ganz vollendet schöne Sprunggelenke habe. Was wir gegen den Moses zu sagen haben, ist Folgendes: Er hat wenig gelaufen, und dennoch hielt er das Trainieren so schlecht aus, dass man ihn eine infam horse nannte; er gefällt auf den ersten Anblick am besten, wozu sein schöner Kopf wohl viel beitragen mag; außerdem hat er 2 Väter, Whalebone oder Seymour, welches in den Augen eines rationellen Züchters seinen Wert sehr verringern muss, oder ihm deshalb als Beschäler ganz verwerflich macht.

Lord Harley äußert sich in einem seiner wertvollen Aufsätze (S. M. N. S. 17. pag. 293.) über die Frage; haben sich die Pferde in England verbessert oder verschlechtert? also, und vielleicht niemand ist besser imstande, darüber zu entscheiden als er, wenigstens ist dieses die allgemeine Ansicht in England.

„Über die Rennpferde ist die Frage aufgeworfen und mit Wärme von beiden Seiten verfochten: Ist die Zucht der Rennpferde zurückgegangen, oder nicht? Die Laudatores temporis acti behaupten einstimmig: ja: und schnell kramen sie mit Pomp Highflyer, Eclipse und Flying Childers aus. Der jetzigen Generation dagegen geht nichts über das Blut von Socerer, Rubens und seinen Brüdern, und der Familie der Penelope. Die Wahrheit steht übrigens auch hier in der Mitte beider Meinungen. Und obgleich ich geneigt bin, den Preis des größeren Verdienstes den Alten zuzuerkennen, so darf man doch nicht vergessen, dass zu damaliger Zeit für ein gutes Pferd, welches im Publikum erschien, zehn schlechte erschienen.4) Jetzt, wo unendlich mehr Füllen auferzogen werden, scheint doch das Verhältnis zwischen den guten und den schlechten keineswegs zum Nachteil der jetzigen Zeit sich verändert zu haben. Nach meiner unvorgreiflichen Ansicht haben wir jetzt ebenso gute Materialien, um gute Pferde zu ziehen, als früher. Sie müssen nur gut angewendet werden, d.h. die Stuten müssen mit Sorgfalt ausgewählt, und dann zu passenden Hengsten gebracht werden (Dieses ist das Urteil des scharfen Zensors von Newmarket und der jetzt in England deckenden Hengste, und des Freundes der Orientalen.)“

Pag. 7. Wir haben uns schon in der Vorrede darüber ausgelassen, welche Hindernisse sich dem Herrn von B. bei Beurteilung der im Training befindlichen Pferde entgegenstellten. Es scheint, dass nach der aufgestellten Theorie, dass die Pferde durch das Rennen entkräftet würden, Herr v. B. nur unter den jungen wählen wollte, und also stets mit Pferden zu tun hatte, welche im Training waren. Außerdem war seine Wahl durch Farbe und Preis beschränkt. Wenn man nun noch hinzunimmt, wie äußerst schwer es ist, ein junges Pferd zu beurteilen, worüber Lord Harley Folgendes sagt: „Selbst die größten Kenner lassen sich oft die besten Pferde, wenn sie noch jung sind, aus ihrem eigenen Stalle wegkaufen, zu einem Preise, der ganz unter ihrem Werte ist“, so ist das gefällte Urteil nicht ganz unerklärlich.

Pag. 8 et 9. Wir können uns nicht anmaßen, Vermutungen darüber zu äußern, welche Anforderungen Herr v. B. an Beschäler macht, aber nach dem Urteile mehrerer, die die Bedürfnisse des Kontinents genau kennen, sind nachfolgende Hengste als ganz außerordentliche Beschäler zu empfehlen, da sie ausdauernd, gesund, groß und schön sind, mehr oder weniger alle diese Eigenschaften bei jedem sich vereinigt antreffen, und eine vorzügliche Nachkommenschaft schon geliefert haben. Letzteres ist beim Ankaufe gewiss sehr zu berücksichtigen. Octavius 16 Hand, l?, die höchste Dauer bei ihm und seinen Nachkommen. Er gewann das Derby. Little John, 16 Hand; springt über jedes Gate. Barefoot, Cydnus, Centaur, Muley, das stärkste Pferd in England von Knochen, und Vater vieler ausgezeichneter und dauerhafter Pferde. Miller, Elephant, Paulowitz, Cannonbale, Filho da Puta, Dor Cady, Whisker, Spectre, Snowdon, Master Henry, Catton, dessen Bruder Kexby, Wanderer, Rubens, Selim, Castrell, Tiresias, Abjer, Soothsayer, Pioneer, Interpreter, Bourbon (letztere 3 in Russland, aber stets zu kaufen, und Herrn v. B. gewiss von 1817 her bekannt), Richard, und außerdem ist noch die Nachkommenschaft des Quiz, Paynator, Milo, und des Filho da Puta sehr zu empfehlen. Außerdem sind unter den vielen Jagdpferden der Vollblutrasse noch eine Menge Beschäler, ganz für die Anforderungen des Kontinents geschaffen, zu finden.5)

Nur Missgeschick konnte daran schuld sein, dass Herr v. B. so wenig ausgezeichnete Füllen sah. Alle Pferdekenner und Liebhaber haben mir stets ihre Verwunderung über die Schönheit und Größe der Säug- und Absatzfüllen bezeugt, und die vielen Füllen, welche mein Bruder im Sommer 1826 besah, rechtfertigten ganz die obigen Urteile. –




1) vide Herrn F. Pogges gehaltvolle Schrift: Ansichten über die Entstehung und Ausbildung des edeln Pferdes, – wo dieses ebenso natürlich als klar und schön auseinander gesetzt ist.

2) Dass sich einzelne Ausnahmen finden, wollen wir keineswegs in Abrede stellen. Aber welche Regel hat nicht Ausnahmen?

3) Wir heben dieses deshalb heraus, weil mit den gedachten Gestüten ein sehr großes und berühmtes Landgestüt verbunden ist. Außerdem sind uns noch vier landesherrliche Gestüte bekannt, wo die Hauptbeschäler Spat haben, und solches auf ihre Nachkommen häufig vererben.

Auffallend erscheint es, dass dieses nie von den hippologischen Schriftstellern erwähnt ist. Unbekannt durfte ihnen solches nicht sein, da, wenn man über etwas schreibt, es Schuldigkeit ist, sich darüber zu unterrichten.

Wie ist aber von der einen Seite dieses Stillschweigen über Spat bei Beschälern in landesherrlichen Gestüten, welches sich vererbt, zu erklären, wenn auf der anderen Seite, der gewisse Ruin der englischen Pferdezucht, – der auch schon nach einigen eingetreten sein soll, – deshalb von ebendiesen Schriftstellern prophezeiet wird, weil man dort zuweilen Beschäler benutzt hat, welche Spat hatten, aber solches nur als seltene Ausnahme vererbten.

4) Ist dass aber nicht der klarste Beweis, dass die jetzigen Pferde besser sind, da solches, trotzdem, dass die Anzahl so sehr viel größer ist, jetzt nicht der Fall ist. Der Verf.

5) Seitdem Obiges geschrieben, sind mehrere der genannten Hengste gestorben.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Einiges über edle Pferde