Eine norwegische Karriolfahrt.

Aus: Das Buch für Alle. Illustrierte Familienschrift. Zeitbilder. Heft 1. 1900
Autor: Atlantic, Erscheinungsjahr: 1900

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Themenbereiche
Enthaltene Themen: Nordlandfahrt, Norwegen, Vergnügen, Erlebnisse, Eindrücke
Wer in das Innere Norwegens reisen will, der ist für weite Strecken nur auf die Benutzung von Wagen an gewiesen, aber die Straßen sind gut, und die Beförderung ist durch Gesetz vorzüglich geregelt. Man hat gewöhnlich die Auswahl zwischen der zweisitzigen Stuhlkarre (Stolkjärre) oder dem einsitzigen Karriol, und die meisten Reisenden ziehen das letztere Gefährt vor, dessen Benutzung von einem besonderen Reiz ist.

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Das Karriol ist ein zweiräderiger Karren, und der Reisende sitzt zwischen den Rädern über der Achse mit ausgestreckten, leicht gespreizten Beinen zwischen denen das Handgepäck untergebracht wird. Die Füße ruhen in festen Steigbügeln, über die Beine und den Unterleib wird ein Spritzleder gezogen. Hinten ist ein Brett, auf das der Koffer aufgeschnallt wird. Auf diesen setzt sich der Begleiter, in der Regel ein Knabe, zuweilen auch ein Mädchen, selten ein Erwachsener. Man muss allein die Zügel führen und lernt diese Kunst schnell, denn die munteren norwegischen Ponys sind vorzüglich eingefahren. Der Peitsche — eine solche ist nur ausnahmsweise vorhanden — bedarf es fast nie; den Weg kennen die Tiere genau, da sie immer dieselbe Strecke zwischen zwei Stationen machen, und um ihren Lauf zu beschleunigen, genügt ein leichtes Schwingen der langen Zügelleine im Kreise.

An allen größeren Straßen liegen Skydsstationen in 12 bis 15 Kilometer Entfernung, auf denen man ein Karriol bis zur nächsten Station vom Skydsskaffer oder Posthalter für einen genau bestimmten, sehr niedrigen Preis mieten kann. Lange Unterhandlungen oder gar Wortwechsel sind ganz ausgeschlossen. Die Kilometertaxe für Karriol und Pferd pflegt 17 Oere (etwas über 19 Pfennig) zu sein; im Durchschnitt zahlt man 2 Mark 25 Pfennig für 10 Kilometer Weges einschließlich des Trinkgeldes. Ist die Entfernung zwischen den Stationen kurz, und das Pferd gut, so kann man auch wohl zwei Stationen in einem Zuge fahren. Bei den kleineren Stationen, den sogenannten Ansagstationen, und auf Nebenstraßen tut man gut, stets schon tags vorher durch eine Postkarte eine „Vorbotschaft“ zu senden, da man sonst längere Zeit auf Weiterbeförderung warten muss. Die Stationen sind zugleich Wirtshäuser, und man kann bei der Vorausbestellung des Fuhrwerks gleichzeitig angeben, ob man zu essen wünscht und was. Alles regelt sich auf die einfachste und angenehmste Weise, was das Vergnügen des Reisens durch das wildschöne und eigenartige Land nicht wenig erhöht! An einem hellen Tage auf guten Wegen auf dem Karriol bergauf und bergab, durch Felsschluchten, über Hochebenen, vorüber an Seen, Wasserfällen und Schneefeldern dahinzufahren, wie unser Bild auf S. 48 es zeigt, gehört zu den interessantesten Erlebnissen und Eindrücken einer Nordlandreise.

Eine norwegische Karriolfahrt

Eine norwegische Karriolfahrt