Mailand, den 12. Juli.

Nein, ein Land für die Hundstagsferien ist Italien nicht, zum mindesten dann nicht, wenn die Hitze, wie heuer, exzessiv ist. Wir haben das wirklich schlecht getroffen. Die Mailänder selber sind außer sich und bekennen, daß eine derartige Hitze noch nicht da war. Wer irgendwie kann, flieht aufs Land. Auch wir flöhen gerne, wenn Meister Riegel, unser vorsichtiger Führer, nicht darauf bestünde, dem Wagen eine eingehende Behandlung angedeihen zu lassen, wozu der Umstand günstig ist, daß sich hier eine Filiale der Adlerwerke befindet. – Wir haben es versucht, uns wenigstens an der Kunst zu erfrischen, aber selbst sie ist machtlos gegen diese Temperatur. Ich vermochte mich zwischen den Herrlichkeiten der Brera nur gerade von Sitzbank zu Sitzbank zu schleppen, und dabei sind Dinge hier, die, wie die ausgesägten Fresken, zu jeder andren Zeit elektrisierend wirken müssen. Aber diese Hitze lähmt alle Spannkraft. O, wie verstehe ich Meister Canova, daß er den ersten Napoleon hier splitterfasernackt in den Hof des Brera-Palastes gestellt hat. – Der einzige kühle Platz in ganz Mailand ist jetzt, wenn man den Platz unter einer kalten Douche ausnimmt, der Dom. Ich wundre mich, daß er nicht fortwährend bis auf den letzten Platz gefüllt ist. Heil den alten Meistern vom Bau! Sie haben es nicht bloß fromm, sondern auch gut gemeint. Hier zwischen den herrlichen gotischen Säulen wandelt man wie im Walde und möchte pfeifen wie ein Handwerksbursch, wenn es die Heiligkeit des Ortes zuließe. Aber auf das Dach des Domes bringt mich jetzt kein Mensch, obwohl Herr Bädeker beteuert, daß man es durchaus nicht versäumen dürfe, da hinauf zu steigen. Lieber Herr Bädeker! Bezahlen Sie meine Stiefelsohlen, wenn sie da oben versengen? Bestreiten Sie die Doktorkosten, wenn ich, vom Hitzschlag getroffen, einem der marmornen Heiligen, die dort in der Sonne glühen, in die Arme sinke? Können Sie es vor der Literaturgeschichte verantworten, wenn ich in der Blüte meiner Jahre vor Sonnenglut wahnsinnig werde? Nein, alles was recht ist, – aber diese Hitze ist ein Unrecht. – Auch in der berühmten Galleria Vittorio Emmanuele ist es nicht zum aushalten. Es ist nirgends zum Aushalten, als im Adlerwagen, während er fährt. – Also fahren wir! Und, bei den drei Eismännern des Kalenders, nach Norden, nach Norden, nach Norden! Ich habe Heimweh nach weniger als 20 Grad Celsius. Meine hyperboräische Konstitution sehnt sich nach kühlen Winden. Ich möchte nicht zum Backpflaumenmann werden.

Morgen fahren wir, und wenn es Tinte regnet!


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Eine empfindsame Reise im Automobil