Unter der Fürstenkrone.

Nehmen wir an, die Geschichte beginne in Spanien, jedenfalls im Süden, wo das blaue Meer den marmornen Fuß der Paläste bespült.

Die Ahnenbilder in den Hallen des alten Fürstenhauses schauen auf ein schönes, junges Weib mit dunklen Locken und träumerischen Augen. In den Prunkgemächern lächeln selbst die bleichen Märtyrer und die schmerzensreichen Madonnen aus ihren Goldrahmen nieder auf das reizende Geschöpf, dessen leichter Schritt wie der eines gefangenen Vögelchens über den Steinboden trippelt.


Keines der Meisterwerke schien Eindruck auf die neuvermälte Fürstin zu machen. Sie kennt den Zauber dieser Umgebung nicht, weil sie ihn nie entbehrt hat. Von Kindheit an waren die gemalten heiligen Frauen ihre Vertrauten. Im Palaste des Vaters hat sie unter ihren Blicken gespielt und im Heim des Gatten ihnen befriedigt zugenickt: »Ihr seid auch da!«

Donna Lucia war seit einem Jahre vermält, Don Alonzo, ihr Gemal, reich wie ein Krösus, freigebig und großmüthig. Aber der Fürst liebte Lucia nicht viel mehr als eine schöne Blume seines Gewächshauses. Er bemühte sich nicht, in die herbe, verschlossene Seele des jungen Weibes zu dringen, er ging neben seiner Gemalin wie ein vollendeter Kavalier, ruhig und leidenschaftslos einher. Er hatte die junge Frau auf den Wunsch seiner Mutter erwählt. Ein Freund der Jagd und der weiten Reisen, besaß er nicht viel Geschmack an der stillen Häuslichkeit.

Aus den Liedern, welche die schöne Fürstin zur Harfe sang, erzitterte tiefes Weh. Betrachtete man die holde Frau, so war es, als blühe eine Blume ohne Sonnenschein, die sich nicht voll entfalten könne.

Träge schlichen die Monde.

Da kündigte der Fürst seiner Gemalin an, daß er ein Fest zu geben gedenke. Lucia sollte zum ersten Mal als Hausfrau wirken und so in die große Welt eintreten.

Am Festabend strahlte der hohe Spiegel eine Erscheinung wieder, deren Liebreiz noch die in hundert Diamanten funkelnde Fürstenkrone erhöhte.

Lange sprach man in der vornehmen Welt von der Zaubernacht im Palaste. Glänzende Feste folgten einander. Lucia war durch Rang und Reichthum die erste, durch ihre Schönheit und Liebenswürdigkeit die gefeiertste unter den Frauen.

Anfangs stürzte sie sich mit Jubel in das bewegte Treiben. Von Natur ernst und schwärmerisch, fand sie nicht lange Freude daran. Die Huldigung der gleichgiltigen Menge ließ ihr Herz leer. Don Alonzo war stolz auf seine Gemalin, die fleckenlos durch die Schaaren ihrer Bewunderer schritt. Heißer Empfindung schien er nicht fähig zu sein. Zwei Jahre verstrichen. Lucia fühlte sich immer weniger froh im Gebrause der großen Welt. Da begegnete sie im Hause eines Verwandten dem jungen Marquis Sylva, dessen Flammenblicke sie erröthen machten. Sylva war jung und feurig, er liebte Lucia und mit seiner prächtigen Stimme sang er für das schöne Weib schmelzende Lieder. Zuweilen sangen Lucia und Sylva zusammen und dann war der Fürstin zu Muthe, als müsse ihr Herz zerspringen.

Die tugendhafte Frau sann auf einen Ausweg. Sie schützte Unwohlsein vor und zog sich auf ihre nahegelegene Villa zurück. Der Gemahl folgte ihr nicht. Er unterhielt sich am Spieltisch von Baden-Baden. Eines Tages saß die Fürstin im Garten der Villa; sie träumte unter Lorbeerbäumen. Betäubend erfüllte der Duft der Rosen und des Jasmins die Lüfte. Die schöne Frau las in einem Buche. Da hörte sie in der Nähe von einer Tenorstimme ein Liedchen singen. Sie erhob sich und spähte nach dem Sänger. Nicht weit von ihr war ein Mann, dessen Gesicht sie nicht sehen konnte, bemüht, die Pflanzen festzubinden. Er trug die Livrée des Hauses und mußte somit einer der vielen Gärtner sein. Milde und gütig trat die Fürstin näher. Der Sänger ließ sich in seiner Arbeit nicht stören. Plötzlich redete die Dame ihn an. Da wandte er ihr sein Gesicht zu. Die Sennora ward kreideweiß. »Sylva, Sie hier?« entfuhr ihren bleichen Lippen, »und in dieser Mummerei, was soll das?« – »Was soll ich überhaupt? Ich wollte Sie sehen, Ihnen nahe sein; was gilt mir mein Rang, mein Reichthum? Ich bin glücklich als Ihr Gärtnergehilfe, denn ich athme die Luft, welche Sie athmen, ich sehe die Rose an Ihrer Brust blühen, die meine Hand für Sie gebrochen.« – »Entfernen Sie sich, Sylva,« rief Lucia, »ich dulde Sie hier nicht.« – »Was da? Ich bin Antonio, der Gärtnerbursche. Versuchen Sie doch Ihrem Obergärtner zu erzählen, daß ich Marquis Sylva sei, der aus Liebe zu Ihnen die Dienstbarkeit erwählte! Welch' schöner Stoff das für die Gesindestube abgeben wird!« – »Es bedarf keiner Erzählung, ich sende Antonio, den Gärtnerburschen, fort.« – »Und was hat dieser verbrochen? Seien Sie nicht grausam, Lucia. Lassen Sie mich in Ihrer Nähe leben, ich fordere nichts, ich werde Ihren Weg nicht kreuzen.«

Lucia schwieg und Sylva blieb. Mehrere Tage lang sahen die Beiden einander gar nicht. Da war Lucia, gerührt durch Sylva's Bescheidenheit, wieder an jenen Ort geeilt, an dem Antonio arbeitete. – Wochen verflossen. Die Wangen Lucia's glühten, ihre Augen leuchteten, ihr ganzes Wesen war in Flammen getaucht. Das Wunder der Liebe hatte sich dem jungen Weibe geoffenbart und mit den Schlägen seines Herzens zählte es den Pulsschlag eines zweiten Wesens in seinem Schoße. Die Offenbarung hätte Lucia gewiß mit Seligkeit erfüllt. Dann kam die Verzweiflung. Wie dem Gatten entgegentreten? Lucia war zum Weibe gereift. Sonst ohne Makel, nichts ahnend von List und Gefallsucht, sann sie jetzt auf Mittel, auf Hilfe gegen die Katastrophe. Freilich, Sylva wollte mit ihr fliehen, sie und sein Glück in der Ferne treu bewahren. Da erwachte der Stolz in der Seele der jungen Frau. – Würde Sylva immer so denken? Würde er nicht bedauern, sein Leben an das ihre gekettet zu haben? Nein, sie stieß den Gedanken an Flucht von sich. Noch sann sie über die nächste Zukunft, als Don Alonzo unerwartet heimkehrte. – Er sah zum ersten Male seine schöne Frau mit anderen als gleichgiltigen Augen. Die Veränderung in ihrem Wesen entging ihm nicht, er freute sich derselben, denn Lucia schien im jetzt schön und begehrenswerth. – Das gequälte Weib nahm die Huldigung des Gatten mit Lächeln entgegen und wenige Wochen nach Alonzo's Heimkehr ward die alte Fürstenwiege neu vergoldet, um den angekündigten Sprößling zu empfangen.

Auf den weißen Spitzenkissen des Prunklagers ruhte die Fürstin. In der schimmernden Wiege schlief das Söhnchen, der Erbe des Hauses. Lucia lag in wilden Fieberphantasien. Alonzo, dem die Gemalin jetzt lieb und theuer war, hütete sie mit zärtlicher Sorge. Hin und wieder entfuhr der Name Antonio Sylva ihren Lippen, aber der Fürst achtete nicht darauf. Im Fieber gesprochene Worte haben keine Bedeutung!

Einige Jahre verstrichen. Fernando, so hieß Alonzo's Söhnchen, wuchs heran. Der Vater liebte das Kind abgöttisch. Lucia widmete sich fast ganz dem Knaben; sie ging wenig in die Welt, desto mehr in die Kirche und in stundenlangen Unterredungen mit dem Beichtvater gedachte sie immer auf's Neue ihrer Sünde. Das Erbe der alten Fürstenkrone ging an einen Bastard über, daran war nichts zu ändern. Wieder verlebte die fürstliche Familie den Sommer in der Villa. Alonzo war für einige Tage zu einem Freunde gereist. Lucia weilte im Garten wie damals, nur daß nicht Sehnsucht, sondern Reue ihr Herz schwellte. Da mit einem Male hörte sie ihren Namen rufen. So rief nur Einer. Sylva in Antonio's Kleidung stand vor ihr.

»Was wollt Ihr? Um Himmelswillen verlaßt mich!« rief die geängstigte Frau.

»Nie und nimmer, ich ertrage das Leben nicht länger, ich muß unser Kind sehen, unsern holden Knaben.« Heiße Worte stürzten von Antonio's Lippen. Lucia bebte. Da mit einem Male krachte ein Schuß – lautlos sank Antonio um – Lucia schrie auf – sie rief um Hilfe. Da nahte auch schon eine Schaar von Dienern. Man trug Antonio fort – eine Leiche – und man begrub ihn auf dem Armen-Friedhof. Niemand wußte, wer den Schuß abgefeuert hatte.

Don Alonzo, durch den Obergärtner in Kenntniß des Vorfalles gesetzt, befahl, eine Messe für die arme Seele zu lesen. Er schrieb seiner Gemalin, daß er seine Pläne geändert habe und sich einem Freunde anschließe, der eine längere Reise antrete. Er habe nicht Zeit, sie und den Knaben noch zu umarmen und werde wohl einige Monate fortbleiben. Lucia wandelte wie im Traume umher. Seit der Schreckensszene war sie wie versteinert. Die Leute begriffen die Wirkung des unglücklichen Vorfalls, obwohl Niemand den Zusammenhang ahnte; man wußte nur, daß Antonio in Lucia's Gegenwart getödtet worden sei.

In der Gesellschaft besprach man das plötzliche Verschwinden Marquis Sylva's nicht sehr. Dieser hatte sich vor mehreren Jahren auf Reisen begeben, man vermuthete ihn in Afrika. Die letzten Briefe, die im Frühjahre eingetroffen, sprachen von naher Heimkehr. Als Sylva nun nicht kam, verbreitete sich das Gerücht, er sei am Fieber in Afrika gestorben. Nähere Nachforschungen ergaben, daß ein junger Mann, mit den Reisedokumenten Sylva's versehen, wirklich auf der Heimkehr in Carthum gestorben sei. Diese konnten nicht wissen, daß Sylva seinen Secretär mit allen Papieren in Carthum zurückgelassen habe und eiligst nach Spanien zurückgekehrt sei.

So verketteten sich die Umstände. In Carthum kündete eine Marmor-Pyramide an, daß hier der edle Marquis Don Sylva ruhe, in Spanien schlich sich eine verhüllte Frau auf Antonio's Grab, um dasselbe mit Rosen zu schmücken.

Don Alonzo blieb drei Jahre abwesend. Als er wieder kam, erschrak Lucia über die Veränderung seines Wesens. Er war kalt und unnahbar. Er blieb so, ohne einen Grund anzugeben. Nur Fernando umfaßte sein Herz mit aller Wärme. Der Knabe wuchs und gedieh, seine Intelligenz war staunenerregend. Fernando sah den Vater stets gütig und mild und konnte nicht fassen, warum er nur gegen die Mutter rauh und hart sei.

Aus dem Kinde ward ein Jüngling, der die Mutter, die er überschwenglich liebte, leiden sah. Ein Lächeln auf die ernsten Züge Lucia's zaubern – dafür hätte der Jüngling sein Leben gegeben. In einer unglücklichen Stunde sagte er Alonzo, wie sehr es ihn wundere, ihn so hart und finster gegen die Mutter zu sehen. Da fuhr der alte Fürst furchtbar auf. – »Hat sie Dich geheißen, mir das zu sagen, die Schlange, die mein Leben vergiftete?«

Vergebens beschwichtigte Fernando den Erregten. Lange angehäufter Groll machte sich Luft. Alonzo stieß die Worte hervor: »Oh, das elende, verfluchte Weib, wie ich es hasse, und dich, wie ich dich liebe! Und doch wisse, daß du ein Bastard, daß du nicht mein Sohn bist!« – »Nicht dein Sohn? und wer bin ich dann?« frug Fernando. – »Gehe hinüber aus den Dorffriedhof, dort schläft der, dem mein Weib Ehre und Tugend hingab. Ein Mann aus dem Pöbel, der meine Livrée trug, ein Diener des Hauses, der Gärtner Antonio. Geh', Junge, sieh mich nicht so an mit seinen Augen, ich habe ihn getödtet, und daß ich dich als mein Kind behandle, ist die Sühne. Du rächst den Todten, denn ich, der Rächer meiner Ehre, liebe dich.«

Der alte Fürst war in furchtbarer Aufregung zusammengesunken.

Fernando läutete dem Kammerdiener, man holte Aerzte. Als ein Aderlaß das zum Herzen strömende Blut vermindert hatte, erholte sich der Fürst.

Wenige Wochen nach diesem Vorfalle kündigte in mehreren Pariser Journalen ein junger Mann seine Dienste als Lehrer oder Sekretär an. Im Quartier Latin von Paris lebte ein junger Student mehr, das war Alles, was die Weltstadt von der Tragödie wußte, die sich im benachbarten Staate zugetragen.

Der junge Fürst hatte weder den Vater – wir fahren fort, Alonzo so zu nennen – noch die Mutter von seiner Reise in Kenntniß gesetzt. Er lebte in Paris wie der ärmste Student, fest entschlossen, in Zukunft Alles sich selbst zu danken und nichts mehr von dem Vater anzunehmen. Bald gelang es ihm, einige Unterrichtsstunden zu finden, die genug abwarfen, um sein Leben zu fristen. Der Sohn eines Fürsten wanderte im abgetragenen Rocke über die Boulevards. Man zeigte auf den Jüngling. In den Salons flüsterte man die Geschichte. Der alte Fürst richtete verzweifelte Briefe nach Paris. Fernando gab keine Antwort. Lucia schrieb: »Mein Sohn, ich bin eine Sünderin, handle wie du willst und mußt, aber vergiß nicht, daß auch ich edlem Blute entstamme, daß mein Vermögen das deine ist.« Lucia wußte nichts Genaues über den Inhalt der Unterredung zwischen Fernando und Alonzo. Sie errieth den Zusammenhang, aber sie dachte nicht einen Augenblick daran, daß der Fürst in Antonio wohl Sylva erkannt habe. So lastete auf dem jungen Manne die Doppelschmach, sich für den Sohn des treulosen Dieners und einen Bastard zu halten. Er wollte nichts von dem Vermögen der Mutter wissen.

Alonzo sandte ungeheure Summen nach Paris. Fernando ließ sie an Arme vertheilen. So folgte ein Jahr dem anderen. Fernando's Studien waren beendet, er bewarb sich um ein Amt und erhielt es. Sein Leben floß ruhig und bürgerlich hin. Man sah ihn nie in der großen Welt, seine Thätigkeit hielt ihn in einer kleinen Provinzstadt fest.

Er hatte eine bescheidene Stellung gewählt. Er war Lehrer geworden.

Mit großer Pflichttreue leitete er den Unterricht der Kinderschaar.

Die französische Regierung behielt den Sonderling im Auge. Der Grund des Zwiespaltes mit dem alten Fürsten war nur durch ein dunkles Gerücht bekannt. Nach dreijähriger Lehrtätigkeit sandte die Akademie Fernando die Ernennung zum Offizier der Akademie zu. Der junge Mann wies dieselbe in einem artigen Brief zurück.

»Es ist noch nicht vorgekommen, schreibt er, daß ein Lehrer nach drei Jahren diese Würde erlangt hat. Die Auszeichnung gilt also dem Fürsten und dieser kann dieselbe nicht annehmen.«

Nahe dem Orte, an dem Fernando lehrte, befindet sich die Stadt, welche der eleganten Welt zum Winteraufenthalte dient, Nizza. Die Gäste machten häufig Ausflüge in die Umgebung.

In der Kapelle des Dorfes befand sich ein herrliches Madonnenbild. Fernando, der in seinen Mußestunden vortrefflich zeichnete und malte, hatte eine Kopie des Bildes begonnen. Wahrend er eines Tages an dieser arbeitete, erklangen Tritte in der Kirche. Er sah eine alte Dame, die sich auf den Arm eines Herrn stützte und ein liebliches Mädchen von kaum sechzehn Jahren. Fernando war es, als habe er noch nie in ein schöneres, reineres Antlitz geschaut. Das holde Mädchen trat näher.

Man vermuthete einen Künstler von Fach in Fernando und die Dame redete ihn freundlich an. Die Familie, aus Fernando's Heimatlande, hatte sich in der Nähe des Dörfchens eingemiethet und lud den jungen Mann zu einem Besuche ein. Nach wenigen Tagen folgte Fernando der Einladung. Ines, so hieß das Mädchen, begrüßte ihn freudig.

Wie die Zwei sich fanden und liebten? Nun, wie es schon oft geschah, wie es immer geschieht.

Ines war aus vornehmem Hause; die Familie ahnte nicht, was Ines und Fernando bewegte. Zu spät erkannte dieser die Gefahr. Er fühlte, daß sie nicht mehr von einander lassen könnten, aber er faßte einen heroischen Entschluß. Die Ehre ging ihm über Alles, Entsagung war sein Los. Das Mädchen ward bleich und bleicher, denn Fernando war nach kurzem Lebewohl abgereist, in Geschäften, sagte er, und Ines mußte mit den Eltern heimkehren. Diese bemerkten die Kümmerniß ihres Kindes und wußten Fernando Dank für seine Entfernung. »Ein Ehrenmann, der den Unterschied der sozialen Stellung begriff.«

Der alte Fürst Alonzo war schwer erkrankt. »Ich gehe dem Tode entgegen,« sprach er zu seinem Arzte, »wie lange habe ich noch Zeit? Ich muß noch acht Tage leben, um meinen Sohn zu sehen, dann in Gottes Namen!«

»Ein Sterbender, der nicht sterben kann, bittet dich, ihm deine Verzeihung zu bringen. Ich bin bereit, deiner Mutter zu vergeben, wenn du sie in meine Arme führst,« so lautete Alonzo's Brief an Fernando, und dieser eilte in das Vaterhaus. Der alte Fürst, vom Finger des Todes gezeichnet, begehrte nach Lucia, die nur mehr ein Schatten ihrer selbst war.

Er umfaßte den Sohn. »Ich weiß Alles, aber ich verzeihe dir; Fernando, obgleich der Sohn meines Gärtners, soll mein Erbe werden.« Lucia stöhnte in heißer Qual auf.

»Alonzo, ich danke dir, seit ich dir die Treue brach, war mein Leben nur noch ein einziger Tag der Reue, aber der Mann, dem ich erlag, trug das niedere Gewand nur aus Liebe zu mir. Der Marquis Sylva und nicht dein Diener ist der Vater Fernando's. Genug der Lüge zwischen uns.«

Die letzten Lebenstage des Fürsten verflossen beinahe heiter. Er besprach mit Fernando seinen letzten Willen und errichtete großartige Stiftungen. Sein Palais mit allen Kunstschätzen vermachte er der Stadt. Viele Millionen wurden für ein Hospital bestimmt. Es bleibt noch genug für dich, meinen Erben,« sagte der Fürst zu Fernando.

Als der Sarg Alonzo's in dem Gewölbe der fürstlichen Gruft beigesetzt war, erschien der Sachwalter des Fürsten bei Fernando, der sich in dem Besitz des märchenhaften Vermögens von 300 Millionen sah. Der junge Erbe war mehr erschrocken als erfreut und das sonderbare Ereigniß, welches nun eintrat, versetzte die Welt in Erstaunen. Fernando entsagte der Millionen-Erbschaft und ließ sie auf seine Mutter übertragen. Lucia kannte die Energie des Sohnes, sie durfte sich nicht sträuben, die Erbschaft anzunehmen. Fernando behielt nur eine mäßige Summe für sich.

Durch den alten Fürsten dazu bewogen, warb Fernando um Ines de Sylva Rio. Ein sonderbarer Zufall führte den Sohn Sylva's mit dessen Nichte in Liebe zusammen.

Die alte Fürstin ist sehr fromm geworden, die Kirche und die Armen segnen ihre milde Hand.

Vor einiger Zeit wies sie dem heiligen Vater die Einkünfte aus zwei Herrschaften in Italien für immerwährende Zeiten zu. Sie lebt in vollkommener Harmonie mit ihrem Sohne, dessen glückliche Ehe mit Kindern gesegnet ist, die dem Namen des Fürsten Alonzo eine neue Blüthe versprechen.

Und der Schluß dieser wahren Geschichte?

Nun, das Resultat ist ein glänzendes Palais mehr in Paris; Fernando ist noch immer ein strebsamer Gelehrter, aber dabei ein heiterer Weltmann und Ines trägt Diamanten und Toiletten, wie sie ihres Vermögens und ihrer Schönheit würdig sind.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Eine Wienerin in Paris