Städtischen Museen

Diese städtischen Museen, deren Notwendigkeit für die Erziehung des Interesses, die die ganze Bevölkerung an der Stadt nehmen sollte, dringender nötig sind als allerlei andere Sammlungen, stecken im Verhältnis zur Entwicklung der übrigen Museen fast überall noch in den Kinderschuhen. Auch in Hamburg haben wir es und haben es nicht. Begeisterte Freunde der hamburgischen Geschichte haben es gegründet. Es besteht lange Zeit, länger als die meisten andern Sammlungen, und es erstickt in engen, dunkeln Räumen.

Die Bibliothek, die dazu gehörte, wird getrennt aufbewahrt, das Münzkabinett befindet sich in der Kunsthalle, die Bildnisse, Stadtansichten und Pläne liegen in den Mappen des Vereins für Hamburgische Geschichte, große und wichtige, für Hamburg unentbehrliche Privatsammlungen werden aufgelöst, ohne dass ein Museum für hamburgische Geschichte sich seinen Anteil sichern kann. Als der Senat das provisorische Rathaus in der Admiralitätstraße, das alte Waisenhaus, ein vornehmes Stück alter bürgerlicher Architektur verließ, hätte erwogen werden können, ob nicht dort eine würdige Unterkunft für ein hamburgisches Geschichtsmuseum zu schaffen gewesen wäre, dessen reicher Inhalt längst vorhanden ist. Selbstverständlich kostet es Opfer, aber sie wären sicher nicht vergebens gebracht. Wie stark die Bevölkerung sich für das in elenden Räumen untergebrachte Museum interessiert, beweist der Besuch, der selbst an dunkeln Wochentagen im Winter sich auf Hunderte beläuft. Für die Erweckung und Belebung des Heimatgefühls, das sich auf der eingehenden Kenntnis der Entwicklung aufbaut, umsichtig zu sorgen, gebietet die politische Vernunft. Was wird aus unserm Gemeinwesen, wenn wir nicht Hamburger erziehen?


Das einzige Gebäude in Kopenhagen, in dem sich dem Fremden, ohne dass er zu suchen braucht, sichtbar ein Wille der Stadtgemeinde ausspricht, ist das neue Rathaus. Wer seine vornehme Anlage prüft und auf Erkundigung erfährt, wie langsam es gebaut worden und wie langsam und vorsichtig die innere Ausstattung hergestellt wird, steht unter dem Eindruck, dass in diesem Punkt die Kopenhagener Stadtgemeinde gut beraten ist, und dass die künstlerische Kultur, die das Künstlertum geschaffen hat, allmählich auch die leitenden Kreise des Bürgertums befähigt hat, zu verstehen, wo in der Kunstpflege der Stadtgemeinde die Probleme und die Aufgaben liegen.

Wenn wir ehrlich sein wollen, müssen wir uns gestehen, dass wir es in Hamburg erst zu ahnen beginnen.

Woher hätte bei uns auch die Einsicht kommen sollen?

Wenn man in Hamburg über diese Dinge spricht, pflegt sofort der Verdacht zu entstehen, es solle für eine bestimmte Kunstrichtung, für irgendeine Abart des modernen Stils gefochten werden.

Man sagt sich nicht, dass ein solches Beginnen Torheit wäre, dass damit der Teufel durch Beelzebub ausgetrieben würde, dass es bei der Organisation der künstlerischen Tätigkeit der Stadtgemeinde absolut nicht auf das künstlerische Bekenntnis sondern auf die künstlerische Kraft ankommt, die zum Schaffen berufen wird, und auf die Einsicht der Behörden, die künstlerischen Probleme in ihrer Natur und in ihren Folgen zu begreifen.

Wo wir uns aufstellen, diese Zustände bei uns daheim und auswärts zu beobachten, immer treffen wir im Kern die Fragen, ob bloße Verwaltung, ob auch Regierung, und wie in der modernen Stadt die Kräfte, die leiten sollen, zu erziehen sind, dass sie nicht nur verwalten sondern auch regieren können, nicht nur aufarbeiten sondern Vorschauen.

Hamburg hat vor den meisten andern deutschen Großstädten und vor Kopenhagen, wo die Qualität der Landeshauptstadt vor den Riss tritt, Anlass, sich den Fragen der kulturellen Erziehung leitender Kräfte zuzuwenden. Nicht in dem Sinne natürlich, dass etwa angestrebt würde, hervorragende Kräfte aus dem praktischen Leben loszulösen und sie auf die Ausübung der Regententätigkeit vorzubereiten, sondern durch Schaffung von Möglichkeiten, dem Kaufmann, dem Industriellen, dem Juristen, kurz allen denen, die in Senat und Bürgerschaft zu verwalten und zu regieren berufen sind, die tiefere Einsicht zu gewähren, damit es nicht ganz vom Zufall abhängig bleibt, ob der einzelne, der mitbestimmen soll, Zeit und Gelegenheit gehabt hat, sich die Einsicht zu erwerben.

Es ist im letzten Jahrzehnt schon manches dafür geschehen, anderes ist im Werk, aber das Problem muss immer vor unsern Augen stehen. Wir besitzen das Selbstbestimmungsrecht: noblesse oblige.

Wir haben in Hamburg in der letzten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts eine große Zahl von Sammlern gehabt, nicht so viele wie nach Ausweis der Auktionskataloge im achtzehnten Jahrhundert und bis zur Mitte des neunzehnten, wo Hamburg einer der größten deutschen Kunstmärkte war. Harzen und Commeter, die Gründer des Kupferstichkabinetts der Kunsthalle, waren noch Kenner und Forscher von europäischem Ruf, und aus Vermächtnissen von Kunstfreunden setzt sich ein beträchtlicher Teil unserer Galerie zusammen.
Aber mit Ausnahme der beiden großen Kunsthändler, die durch das Vermächtnis auch ihres Vermögens das Institut, das sie gegründet haben, dauernd in ihrem Sinne entwicklungsfähig halten, hat keiner unserer Kunstfreunde eine Wirksamkeit gesucht wie in Kopenhagen am Ende des neunzehnten Jahrhunderts zwei Mäzene, die fast die einzigen Sammler großen Stils im ganzen Norden gewesen sind, mit Ausnahme Fürstenbergs in Schweden.

Sie gehören nicht den Kreisen an, die im achtzehnten Jahrhundert in Kunst lebten, sondern den neuen Schichten des Bürgertums, der eine, Herr Hirschsprung, ist Tabakshändler, der andere, weltbekannte, Herr Jacobsen, ist Bierbrauer. Im achtzehnten Jahrhundert hätten sie Moltke, Schimmelmann oder Bernstorff geheißen.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Eine Sommerfahrt auf der Yacht Hamburg