Eine Seeschlacht

Aus: Das Buch für Alle. Illustrierte Familienschrift. Zeitbilder. Heft 1. 1866
Autor: CH. GR., Erscheinungsjahr: 1866

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Themenbereiche
Enthaltene Themen: Seeschlacht, Flotten, Kriegsschiffe, Brander, Seemänner, Kriegshelden, Schlachtordnung, Schlachtlinie
Es war am 3. Juni 1065 Morgens um 3 Uhr.
Schon im Februar des genannten Jahres hatten sich die Holländer und Engländer gegenseitig den Krieg erklärt, und beide Mächte beeilten sich nun, so starke Flotten als nur möglich auszurüsten. Es handelte sich darum, welche von beiden Nationen künftighin auf dem Meere die Oberherrschaft haben sollte! Die Engländer wurden zuerst mit ihren Zurüstungen fertig und ihre Flotte bestand aus nicht weniger als 114 Linienschiffen und Fregatten nebst 28 Brandern und Bombardiergallioten. Den Oberbefehl über dieselbe führte der Herzog von York, als Großadmiral von England, und unter ihm dienten der Prinz Rupert als Admiral des „weißen“ und der Graf v on Sandwich als Admiral des „blauen“ Geschwaders; die Bemannung aber zählte in Allem und Allem 22.000 Matrosen und Seesoldaten. Gewiss eine furchtbare Seemacht, besonders wenn man bedenkt, dass die kleinste der Fregatten ihre 40 Kanonen führte, während die Linienschiffe sämtlich mit 70 und 80 oder noch mehr Feuerschlünden bewaffnet waren.

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Auch die Holländer hatten sich über die Maßen angestrengt, und wenn auch die von ihnen ausgerüstete Flotte nicht ganz so stark war, als die englische, so konnte sie doch wenigstens mit ihr rivalisieren. Dieselbe wurde in sieben Geschwader geteilt, und jedes derselben zählte 14—10 Kriegsschiffe — Linienschiffe und Fregatten — nebst 1 oder 2 Brandern und Mächten, so dass also die ganze Macht aus 103 Kriegsschiffen mit 11 Brandern und 7 Yachten bestand. Als Oberbefehlshaber, sowie zugleich als Kommandeur des ersten Geschwaders fungierte der Admiral Opdam, ein erfahrener, kluger und tapferer Kriegsheld, und seine Mitkommandanten waren die Unteradmirale Johann Everts, Cortenaer, Stillingwert, Tromp (der Sohn des berühmten Kriegshelden dieses Namens), Cornelius Everts und Schramm, ebenfalls tüchtige Seemänner. Auch die Bemannung konnte keine schlechte genannt werden, obwohl man sie größtenteils hatte gewaltsam pressen müssen; doch war sie nur 15.000 Mann stark, und also viel schwächer als die englische. Noch mehr im Nachteil befanden sich die Holländer gegenüber den Engländern in Beziehung auf die Schiffs-Befehlshaberstellen, denn letztere — die Engländer — besaßen lauter kriegsgeübte Kapitäne, während bei den Holländern mehr als die Hälfte aus Neulingen bestand, welche die Gunst des Großpensionärs Jan de Witt zu diesen Posten befördert hatte.

Ende Mai 1665 liefen die beiden Flotten aus, um sich aufzusuchen, und am 3. Juni Morgens 3 Uhr
stießen sie auf der Höhe von Leostoff auf einander. Alsbald stellten sie sich in Schlachtordnung auf, und es begann eine so furchtbare Kanonade, dass man sie auf viele Meilen weit hörte. Fast sieben Stunden lang hielten sie sich gleichmäßig tapfer, und nichts zeigte an, dass eine Macht es der andern zuvorzutun im Stande sei. Da, um 10 Uhr Morgens, drang der Graf von Sandwich mitten durch die feindliche Schlachtlinie und trennte sie in zwei vereinzelte Teile, die nun nicht mehr zusammenoperieren konnten. Das war der erste harte Schlag für die Holländer; aber bald folgten deren noch mehrere, so dass das endliche Schicksal des Tages von jetzt an kaum mehr zweifelhaft sein konnte.

Gleich nachdem der Graf von Sandwich die Schlachtlinie des Feindes durchbrochen, geriet der Herzog von York auf dem „Royal Charles“, einem Linienschiff von 80 Kanonen, mit dem Admiral Opdam auf der ,,Eendracht“, welche 84 Kanonen führte, zusammen, und die beiden Schiffe bekämpften sich eine gute Stunde lang mit einer Bravour, die auf jeder Seite die gleiche war. Nach Verfluss dieser Zeit aber schien sich der Vorteil auf die Seite der Holländer zu neigen, denn die letzteren zielten viel sicherer und ihre Kugeln richteten daher furchtbare Verwüstungen an. So fielen z. B. durch einen Schuss der Graf von Falmuth, ein Liebling des Königs Karl II., der Lord Muskery und Sir Boyle, des Grafen von Cork Sohn, und zwar fielen sie alle drei so nahe bei dem Herzog von York, dass derselbe mit ihrem Blut und Gehirn über und über bespritzt wurde. Doch gerade jetzt, wenige Minuten nach 11 Uhr, trat eine furchtbare Wendung ein. Eine Kugel der Engländer schlug durch die Pulverkammer der Eendracht, und in Folge dessen flog diese einen Moment nachher mit furchtbarem Gekrach in die Luft, ihre ganze Bemannung, 5 Matrosen ausgenommen, die sich durch Schwimmen retteten, dem Tode weihend. Tas war der zweite harte Schlag für die Holländer, denn zu den Gefallenen gehörte, außer vielen Freiwilligen aus den besten Familien von Holland und außer verschiedenen Franzosen von Rang, welche gebeten hatten, diesem Seegefecht als Zuschauer anwohnen zu dürfen, natürlich auch der Admiral Opdam, und damit war die Seele der Führerschaft zu Grabe getragen.

Die Holländer wehrten sich, wie tapfere Männer tun, aber das Schicksal hatte es gegen sie beschlossen. Den Unteradmiral Stillingwert riss eine Kanonenkugel mitten entzwei, und gleich darauf ging sein Schiff Orange von 75 Kanonen in Flammen auf. Der Unteradmiral Cortenaer bekam einen Schuss in den Schenkel, an dem er sogleich starb, und andere Anführer wurden ebenfalls mehr oder minder schwer verwundet. Von den Schiffen aber traf viele nicht minder schweres Unglück, während andere ihr Heil in der Flucht suchten. Kurz, um 8 Uhr Abends überzeugte sich der Unteradmiral Tromp, welcher bis zu diesem Augenblick aufs tapferste gefochten hatte, dass von der ganzen großen Flotte nur noch 30 Schiffe als kampffähig übrig geblieben seien, während die Engländer verhältnismäßig nur wenig gelitten hatten, und somit zog er sich langsam zurück, ohne vom Feinde viel verfolgt zu werden.

Das war die größte Niederlage, welche die Holländer je zur See erlitten haben, und von dieser erholten sie sich auch nie mehr ganz. 19 Kriegsschiffe waren in den Grund gebohrt, oder verbrannt oder aufgeflogen; 18 hatten die Engländer genommen; von der Mannschaft fielen über 4.000, und in Gefangenschaft gerieten 2.300. Th.

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