In Japan (Fortsetzung.)

In allen Büchern über Japan, die ich gelesen habe, wurde dasselbe stets als eines der schönsten Länder der Welt bezeichnet. Ich kann jetzt nach eigener Anschauung sagen, dass das keine Übertreibung ist. Es ist ein Land von hoher Schönheit und jeder Zoll des Bodens befindet sich unter ausgezeichneter Kultur. Die Bewohner stehen allerdings nicht auf der Höhe moderner Zivilisation, erfreuen sich aber nichtsdestoweniger bedeutender Bildung und besitzen alle Tugenden, die einen guten Bürger ausmachen. Das sogenannte Christentum nennt sie Heiden und Götzendiener, sie können aber trotzdem mehreren unserer hocherleuchteten Nationen in Bezug auf Ehrlichkeit, Fleiß, Höflichkeit, Geselligkeit und Freundlichkeit zum Vorbilde dienen.

Wie in allen anderen Ländern kommen kleine Gesetzübertretungen auch dort häufig vor, aber große und brutale Verbrechen ereignen sich nur sehr, sehr selten. Die Kriminal-Gesetze sind ungemein streng und werden in den letzten Jahren strikt durchgeführt. Früher waren auch in Japan Bestechungen an der Tagesordnung, das ist aber, wie mir gesagt wurde, jetzt anders geworden.


Es ist jetzt nahezu unmöglich, einen Beamten durch korrupte Mittel zu gewinnen. Wenn es wahr ist, was die japanischen Zeitungen behaupten, dass die jetzt herrschende Partei es sich zu ihrer Hauptaufgabe gemacht hat, den Zweig der Regierung besonders rein zu halten, welcher mit der Ausführung der Gesetze betraut ist, so hat Japan einen großen Schritt vorwärts auf der Bahn des Fortschrittes gemacht und wird sicherlich bald die wohltätigen Folgen davon spüren. Während unseres Aufenthaltes in Japan veröffentlichte die Zeitung „Jiji Shimpo“ einen langen und vortrefflich geschriebenen Leitartikel über religiöse Freiheit. In demselben wurde die Gleichstellung der christlichen Religion mit der der Shintos und Buddhisten in der entschiedensten Weise befürwortet. Es wurde gesagt, dass Japan keine Staats-Religion anerkennen solle, da die Regierung so wie so wenig, oder gar nichts, zum Unterhalte der Tempel beitrage, denn die ganze Ausgabe für religiöse Zwecke habe im vorhergehenden Jahre kaum $150.000 betragen. Der „Jiji Shimpo“ prophezeihte, im Falle ein Gesetz erlassen werde, das religiöse Freiheit garantiere, eine neue Ära des Friedens, des Glückes und Wohlstandes für Japan. Die Machthaber waren über diesen Leitartikel sehr bestürzt, vom Volke aber wurde er augenscheinlich sehr beifällig aufgenommen und der „Jiji Shimpo“ hatte die Genugtuung, dass die Regierung bald darauf in der Religions-Frage einen sehr liberalen Standpunkt einnahm, was ohne Zweifel dem Einflusse jenes Artikels zuzuschreiben ist. Aus dieser liberalen Schwenkung der Regierung ziehen besonders die Missions-Gesellschaften Vorteil, da diesen fortan keinerlei Hindernisse bei der Verbreitung des Christentums mehr in den Weg gelegt werden. Die japanische Regierung aber versetzte der Staats-Religion den schwersten Schlag mit einer Proklamation, durch welche das „Religions-Departement“ des Staates abgeschafft wurde. Durch diese Maßregel wurden alle Religionen auf gleiche Stufe gestellt, und ein weiterer Schritt auf der Bahn der Freiheit war getan.

In Bezug auf die Volks-Erziehung hat Japan in den letzten zehn Jahren, ganz besonders aber in den letzten drei Jahren, bedeutenden Fortschritt bekundet. Im ganzen Lande sind Freischulen errichtet und auch von der Jugend fleißig besucht worden. In den größeren Städten findet man sogar viele Hochschulen, welche von den jungen Leute mit Eifer frequentiert werden. Die große Universität von Tokio erfreut sich in der ganzen zivilisierten Welt eines ausgezeichneten Renommees. Außer den öffentlichen Freischulen gibt es aber auch noch eine große Anzahl von Privat-Seminaren, die unter der Leitung von eingeborenen, oder europäischen, Lehrern oder Missionaren stehen. Die Lehrer in den Elementar-Schulen sind meistens Eingeborene, aber an den Hochschulen und der Universität sind viele der Lehrstühle mit europäischen und amerikanischen Professoren besetzt. Aber auch diese werden nach und nach durch Eingeborene ersetzt, die entweder im Lande sich die nötigen Kenntnisse erwarben, oder von der Regierung nach Europa, oder Amerika, geschickt wurden, wo sie eine umfassende Ausbildung für ihren Beruf erhielten. In nicht zu ferner Zukunft wird Japan, wenn es in demselben Verhältnisse fortschreitet, bald im Stande sein, ohne alle fremden Lehrer fertig zu werden und alle seine Interessen ohne fremde Hilfe zu fördern.

Kunst und Wissenschaft werden in gleicher Weise gepflegt, wofür die Bergbau-, Ingenieur-, Feldmesser- und Ackerbauschulen, sowie die Militär- und Flotten-Akademie der Regierung lebhaftes Zeugnis ablegen.

In Yokosuka, bei Yokohama, befinden sich die großen Schiffs Werften und Docke der Regierung, wo große Panzer- und andere Kriegsschiffe von japanischen Handwerkern unter der Aufsicht japanischer Kadetten, die an der Flotten-Akademie ihre Studien absolviert haben, gebaut und ausgerüstet werden. In dem Arsenal, das sich ebenfalls dort befindet, werden alle Handwaffen, leichte Geschütze und die Munition angefertigt. Die schweren Geschütze von 12 bis 36 Tons wenden dagegen von Europa bezogen. Während unseres Aufenthaltes in Japan ballten sich Kriegswolken zusammen, da es eine Zeit lang schien, als sollte es zwischen Korea und Japan zum Kriege kommen. Japan war gesonnen eine ihm von Korea zugefügte Beleidigung zu rächen. Als sich dann die Nachricht verbreitete, dass China sich zum Schutzpatron von Korea aufwerfen wolle, war die Aufregung sehr groß, denn die Chinesen und Japaner sind keine guten Nachbarn. Kaum war die Nachricht von dem drohenden Kriege und der Einmischung Chinas bekannt geworden, als Tausende und Abertausende von Freiwilligen aus allen Teilen des Landes zusammenströmten, um im Falle eines Krieges ihre Dienste anzubieten. Auf die in großer Zahl eintreffenden Ringkämpfer setzte man besonders große Hoffnungen, denn dieselben werden ihrer Körperkraft und Gewandtheit wegen für gute Soldaten gehalten. Der Ringkampf wird allgemein eifrig gepflegt und ist Japans Nationalvergnügen. Geübte Ringkämpfer reisen in ganzen Trupps durchs Land und geben Vorstellungen, die auf die Einwohner des Landes große Anziehungskraft ausüben.

Die Vorstellungen sind aber auch wirklich sehenswert; denn die Leute geben in denselben Proben von Kraft und Gewandtheit, Mut und Ausdauer, sowie eingehender Kenntnis von der Kunst des Ringkampfes, die in den meisten Fällen ganz erstaunlich sind. Sorakichi, der sich in den Vereinigten Staaten Jahre lang als „Japanischer Champion“ produzierte, gehörte früher einem dieser Trupps an. Unser Führer Kanako kannte ihn persönlich und sagte uns, dass er noch lange nicht der beste Ringkämpfer in Japan sei, obgleich er allerdings einzelne brillante Leistungen seiner Kraft gezeigt habe, und dass es viele Ringkämpfer in Japan gäbe, die ihm weit überlegen seien.

„Während unseres Aufenthaltes in Tokio wurde uns Gelegenheit geboten einen der Wettkämpfe, die gerade abgehalten wurden, mit anzusehen. Die zwölf Mitglieder einer berühmten Truppe rangen unter einander. Der Ringkampf fand in einem temporär für den Zweck aufgeführten Gebäude, in welchem für die Zuschauer sehr schlecht gesorgt war, statt. Der Besuch war ausgezeichnet, und den bevorzugten Lieblingen des Publikums wurde ein enthusiastischer Empfang bereitet. Während des Kampfes selbst bemächtigte sich des Auditoriums eine intensive Aufregung, die sich jedes mal durch einen wahrhaft betäubenden Lärm Luft machte, wenn einer der Kämpfer über seinen Gegner einen Vorteil errungen hatte. Im Ganzen war die Vorstellung sehr interessant und hätte uns großes Vergnügen bereitet, wenn nicht ein Verfahren, das nicht auf dem Programme stand, uns sehr unangenehm berührt hätte.

Bei den Ringkämpfen kommt es nämlich häufig vor, dass einer der Kämpfer, oder auch beide, Verletzungen davon tragen. Nach jedem Gange werden diese nun mit einem glühenden Eisen, das zu diesem Zwecke stets bereit gehalten wird, ausgebrannt, um das Eitern der Wunden zu verhüten. Uns war diese Prozedur sehr unangenehm, augenscheinlich viel unangenehmer als den davon Betroffenen. Diese ließen nämlich die Operation mit stoischer Gleichgültigkeit über sich ergehen und zeigten weder Schmerzen noch Unbehagen, ja nicht einmal das leiseste Zucken der Muskeln war bemerkbar, während das glühende Eisen in Operation war.

Einzelne dieser Ringkämpfer sind im wahren Sinne des Wortes mit Narben, die von den Wunden und dem Ausbrennen derselben herrühren, übersät, und sie scheinen stolz auf diese Zeichen ihrer Triumphe zu sein. Jede dieser Narben gilt als Ehrenzeichen, das im Kampfe um Ruhm und Ehre gewonnen wurde. Diese tapferen Ringkämpfer also sandten, sobald Fama in die Kriegstrompete gestoßen hatte, eine starke Deputation an den Mikado nach Tokio, um ihm die Dienste der Ringkämpfer-Zunft im Falle eines Krieges zur Verfügung zu stellen. Sie bewiesen dadurch ihre Loyalität und ihren Patriotismus, stellten aber auch ihre Bedingungen, indem sie gleichzeitig angaben, in welcher Eigenschaft sie dem Mikado im Kriege dienen wollten. Bei der körperlichen Entwickelung und Ausbildung dieser Leute, den Gefahren, denen sie häufig begegnen, den Schmerzen, die sie täglich aushalten, während sie ihrem Berufe obliegen, hätte man glauben sollen, dass sie den Mikado gebeten hätten, sie zu einer separaten Kerntruppe zu machen, die an der Spitze der japanischen Armee marschieren wolle, um ihr den Weg für den Siegeszug nach der Hauptstadt von Corea zu bahnen und so die Ehre ihres Vaterlandes zu retten. Man erwartete allgemein, dass sie den Mikado bitten würden, sie dorthin zu stellen, wo die meiste Gefahr sei; man denke sich aber die Enttäuschung und das Erstaunen, als von Tokio berichtet wurde, dass die berühmten Ringkämpfer dem Mikado ihre Dienste als „Nachzügler der Armee, um das Gepäck zu tragen,“ angeboten hätten. Die großen Ringkämpfer hatten sich in ganz Japan unsterblich blamiert und lächerlich gemacht.

Die Frage schneller Beförderung in Städten und deren Umgebung wurde vor vielen Jahren schon von einem christlichen Missionär gelöst, welcher den von mir bereits erwähnten zweiräderigen Baby-Wagen, Jinriksha (Jiniriksha), auch ’Riksha genannt, erfand. Diese Wägen sind natürlich, um Erwachsene transportieren zu können, ziemlich leicht gebaut und leisten auf ebenen Wegen für kurze Strecken gute Dienste. Ein Mann ist für gewöhnlich genügend, bei langen Reisen aber, oder auf hügeligem Terrain, muss noch ein Zweiter zum Fortbewegen des Wagens engagiert werden. Dieser wird entweder vorn an der Deichsel als Vorspann gebraucht, oder er hilft hinten durch Nachschieben. Diese ’Rikshas sind sehr bequem und für den Reisenden in Japan unentbehrlich. Obgleich sie eigentlich nur für eine Person bestimmt sind, sieht man doch oft zwei, drei oder selbst mehr Eingeborene in denselben, die nur von einem Manne fortgeschleppt werden. Die Erfindung erwies sich als großer Segen für viele Tausende von armen Leuten, da sie ihnen Verdienst und Lebensunterhalt verschafften. Jetzt ernährt dieses Gewerbe eine große Anzahl von Proletariern, die sonst kaum ihr Leben fristen könnten. Obgleich Tokio sich ausgedehnter Straßenbahn-Verbindungen erfreut, sind doch über fünfundzwanzig tausend ’Rikshas in Betrieb, die etwa vierzig Tausend Menschen Verdienst geben, dabei rechne ich nur Diejenigen, die direkt beim Betriebe dieser Wägen beschäftigt sind. Yokohama soll vier tausend haben und es existiert kaum eine Stadt im ganzen Reiche, wo sie nicht zu finden sind. Man reist mit diesen ’Rikshas merkwürdig schnell, selbst bei großen Distanzen. Als wir nach dem „Daibutz,“ der etwa 15 Meilen von Yokohama entfernt ist, fuhren, nahmen wir erst einen Wagen, legten aber die letzten sechs Meilen in ’Rikshas zurück, von denen jede von zwei starken Männern fortbewegt wurde. Trotzdem die Wege auf dieser Strecke ganz miserabel, da sie aufgeweicht und schmutzig waren und fast fortwährend bergan führten, liefen die Männer doch in gutem Trabe die ganze Strecke bis zu unserem Bestimmungsorte. Unsere Rückreise wurde in derselben Weise zurückgelegt, obgleich wir einen anderen Weg nahmen, der noch zwei Meilen länger war. Wir waren über diese merkwürdige Ausdauer um so mehr erstaunt, als die Leute nicht im mindesten erschöpft, oder außer Atem waren. Die ’Riksha-Führer rekrutieren sich meist aus den Coolies, die stark, gesund und leichtfüßig sein müssen. Es ist eine harte Arbeit, die sie verrichten, trotzdem sie nicht davon angegriffen zu sein scheinen; aber wenn auch ihr Leben keineswegs ein sehr glückliches und arbeitsfreies ist, sind diese Coolies stets heiter und gut gelaunt. Um die Statue von Daibutz, des buddhistischen Götzen, zu sehen, hatten wir eigens jene Reise unternommen, und wir bedauerten es keinen Augenblick, denn sie ist wirklich eine der interessantesten Sehenswürdigkeiten Japans. Die Statue ist mindestens fünfzig Fuß hoch und aus einem Metalle gefertigt, das der Bronze sehr ähnlich sieht. Die Eingeborenen behaupten aber, dass nur Kupfer, Gold und Silber bei ihrer Herstellung verwendet wurden.

Die folgenden statistischen Angaben, welche dem in Hongkong publizierten „Chronicle and Directory for China, Japan, the Philippines, etc.“ entnommen sind, geben interessante Einzelheiten über Japan und zeigen, wie klein verhältnismäßig die fremde Bevölkerung ist.

Die Total-Einkünfte der Regierung im Jahre 1884 — 85 betrugen $75.982.969; von berauschenden Getränken allein wurden $16.879.462 eingenommen.

Im Jahre 1882 gab es 29.081 Elementar- und 172 Mittel-Schulen, außerdem aber noch 76 Normal-Schulen und höhere Unterrichts-Anstalten für Spezial-Studien, wie Jura, Medizin, Bergbau, Ackerbau und fremde Sprachen; ferner fünf höhere Töchterschulen.

Der Umsatz im Geschäfte mit dem Auslande betrug im Jahre 1883: Einfuhr $27.848.992; Ausfuhr $35.709.066, wovon auf Yokohama allein $18.618.612 Einfuhr, $25.691.215 Ausfuhr kamen.

Die Einwohnerzahl der japanischen Städte betrug im Jahre 1883:

Nagasaki 47.412 mit 95 Britten und 44 Amerikanern.
Kobe (Hiogo) 54.421 mit 232 Britten, 48 Deutschen und 33 Amerikanern.
Osaka 300.662 mit 21 Britten und 54 Amerikanern.
Tokio 1.200.000 mit einer Fremdenbevölkerung von 634, inklusive der Chinesen.

Yokohamas Einwohnerzahl wird mit 100.000 angegeben, wovon 595 Britten, 253 Amerikaner, 160 Deutsche, 109 Franzosen, 28 Holländer, 35 Portugiesen und 43 Russen sind. —

Am Montag, dem 25. Januar, setzten wir unsere Reise fort und fuhren um punkt 4 Uhr Nachmittags mit dem Dampfer „Hiroshima Maru“ nach China ab. Unsere Route führte uns an der reizenden Ostküste Japans entlang nach Süden.

Der „Hiroshima Maru“ war ein großer und elegant eingerichteter Raddampfer, mit geräumigen und bequem eingerichteten

Kajüten, sowie einem sehr schönen Promenaden-Deck. Ein Engländer, Capt. Wynne, war der Kommandeur; derselbe war ein erfahrener Seemann, der beinahe seit 20 Jahren in japanischen Diensten stand. Die Steuerleute und Ingenieure waren ebenfalls Engländer, der Steward und die Köche aber Chinesen und die Aufwärter und Kajütenjungen Japaner. Kapitän Wynne ist ein jovialer, liebenswürdiger Herr, dessen Zuvorkommenheit und Freundlichkeit von Allen, die Gelegenheit hatten, mit ihm eine Reise zu machen, gerühmt werden. Der erste Ingenieur, meiner Schätzung nach ein Mann von 45 Jahren, war ein merkwürdiges mixtum compositum von Witz und Grämlichkeit. Die erstgenannte Eigenschaft zeigte er stets, wenn er in seinen Freistunden, von den Passagieren umringt, auf dem Deck saß, die unglaublichsten Geschichten von seinen Reisen zu Wasser und zu Lande erzählte und dann selbst über dieselben am lautesten und herzlichsten lachte. Seine Grämlichkeit kam oft, und zwar in heftigstem Maße beim Essen, zum Vorschein. Nichts war ihm recht, was ihm auch vorgesetzt wurde und es kam oft vor, dass er nicht einen Bissen berührte, wobei er fortwährend mit unterdrückter Stimme über den Koch und seine Gehilfen fluchte. Er stillte aber trotzdem seinen Appetit und war wie umgewandelt, sobald er vom Tische aufstand. Der Kapitän sagte uns, dass der Ärger des Ingenieurs und seine Zornausbrüche lediglich daher kämen, dass er alles intensiv hasse, was chinesisch sei. Unter unseren Reisegefährten auf dem „Hiroshima Maru“ befand sich auch der in Japan stationierte chinesische General-Konsul, mit zwei Frauen und zwei kleinen Kindern, sowie einem großen Gefolge von Dienstboten. Er war von Mittelstatur und außerordentlich beleibt. Seine Hautfarbe war hell und sein Gesichtsausdruck ganz angenehm. Er sprach nur wenig Englisch, so dass wir uns nicht viel mit ihm unterhalten konnten. Den Ingenieur konnten wir durch Nichts veranlassen, sich in der Gesellschaft des General-Konsuls zu bewegen. Wenn er in seine Nähe kam, knirschte er mit den Zähnen, murmelte einige Flüche und verschwand schleunigst.

Bei verschiedenen Gelegenheiten hatten wir das Vergnügen, die Frauen unseres hohen Reisegefährten auf Deck zu sehen. Sie kamen, auf den Arm ihrer bewährten Dienerinnen gestützt, herangehumpelt, denn sie konnten weder allein stehen noch gehen, und ihre feinen Füßchen, die nicht größer waren wie die eines neugeborenen Kindes, staken in den niedlichsten Pantoffeln, die man sich denken kann. Die Frauen waren von sehr kleiner Statur und reich in Gewänder von hellfarbiger Seide gekleidet. Ihre Gesichter waren von großer Schönheit. Die zwei Kinder, beide Knaben von respektive zwei und drei Jahren, waren reizende kleine Kerle. Sie sahen wie ein paar große hübsche Puppen aus und waren die Lieblinge aller an Bord befindlichen Personen, nur ihr Vater schien sich nicht viel aus ihnen zu machen.

Genau 36 Stunden nachdem wir Yokohama verlassen hatten, ankerten wir vor Kobe, der europäischen Niederlassung von Hiogo. Das letztere ist der Haupt-Hafen und Verladungsplatz für Osaka, Miako, Kioto und ganz Süd-Japan.

Bei unserer Ankunft ließ der Kapitän es sich nicht nehmen, uns als Führer durch die Stadt zu begleiten, und wir hatten es nicht zu bereuen, dass wir sein freundliches Anerbieten annahmen, denn der Tag wurde durch seine Gesellschaft äußerst interessant und genussreich.

Die Abendstunden vertrieben wir uns durch Billiard-Spiel im Hotel von Hiogo, und hier gab uns der Kapitän folgende Erklärung für seine Vorliebe für schottischen Whiskey: „Vor Jahren, als ich nach Australien fuhr,“ erzählte er, „litt ich fortwährend an Rheumatismus, welcher mich oft wochenlang an mein Lager fesselte. Auf Zureden eines meiner Begleiter ließ ich mich überreden, gelegentlich eine starke Dosis von altem schottischen Whiskey zu nehmen, der, seiner Behauptung nach, in vielen ähnlichen Fällen, bei denen er ihn angeraten, ganz ausgezeichnete Dienste getan hatte. Nachdem ich seine Verordnung mehrere Tage befolgt hatte, fühlte ich bedeutende Besserung und in kurzer Zeit war ich vollständig hergestellt, und das Beste ist, dass ich seit jener Zeit auch nicht das leiseste Anzeichen von Rheumatismus mehr hatte. Was Wunder, dass ich meinen guten alten schottischen Whiskey so lieb habe?“ Kapitän Wynne endete seine Erklärung gewöhnlich mit den Worten: „Junge, gib mir mal einen Tropfen aus der alten Flasche! Was nehmen Sie, meine Herren ?“

Kobe ist einer der reinsten, vielleicht der reinste Platz der Welt. Die Straßen sind so eben wie der Fußboden eines Parlors, und nicht ein Atom von Staub oder Schmutz darf sich dort ansammeln. Am Suwonada, oder Inland-See, etwa neunzig Meilen vom stillen Ozean entfernt gelegen, mit Hiogo und den umliegenden Inseln, dem Gebirge und dem See als Hintergrund, gewährt Kobe einen ungemein malerischen Anblick und übertrifft es in dieser Beziehung alle Städte Japans. Die Überfahrt über den Suwonada ist eine der schönsten Wasserfahrten, die man sich denken kann, denn dieser Meerbusen zieht sich zwischen den Inseln Nippon, Kiusiu und Sikoke hin, erstreckt sich vom stillen Ozean nach dem gelben Meere in einer Länge von 500 Meilen und bietet die schönsten Aussichten auf der ganzen Fahrt. Seine Breite variiert beträchtlich. In diesem Gewässer liegen etwa dreitausend Inseln, die ohne Zweifel vulkanischen Ursprungs und in höchst malerischer Unordnung über das Wasser hingesät sind. Sie sind von verschiedenen Größen und Formen und meistens mehr oder weniger bewohnt und bebaut. Am östlichen Ende des Meerbusens liegt Nagasaki, der südlichste Hafen von Japan. Diese Stadt ist im Halbkreise um den äußersten Band des Hafens herum gebaut und kann sich in Bezug auf malerische Umgebung mit Kobe und Hiogo messen, ja viele Reisende behaupten sogar, dass es die am schönsten gelegene Stadt Japans ist.

In der Einfahrt des Hafens liegt die kleine Insel Papenberg, oder Ta Kaboko, die eine düstere Geschichte hat. Gegen Ende des sechszehnten Jahrhunderts, als die Jesuiten mit der Einführung der christlichen Religion in diesem Teil von Japan große Fortschritte gemacht hatten, gab die Regierung den Befehl, Alle auszurotten, die sich zu der neuen Religion bekannten. Eine blutige Religionsverfolgung wurde ins Werk gesetzt und Tausende von Christen flohen auf diese Insel, die ihnen als letzter Zufluchtsort diente. Aber Alle kamen um, denn Diejenigen, welche dem Schwert entrannen, wurden in den See gejagt, wo sie den Tod fanden. Die Opfer dieser Christenhetze wurden später in Rom als Märtyrer kanonisiert. Einige Geschichtsschreiber berichten, dass den auf dieser Insel angesammelten Flüchtlingen von der Regierung die Alternative gestellt wurde, entweder zu dem alten Glauben zurückzukehren, oder das Leben einzubüßen. Alle blieben aber ihrem neuen Glauben getreu und erlitten lieber den Tod, als dass sie ihre neue Religion aufgaben.

Am Samstag, den 31. Januar, Nachmittags um 4 Uhr, nahmen wir Abschied von Japan; nach wenigen Stunden befanden wir uns auf hoher See im gelben Meere und dampften gradenwegs China zu. Unser Reiseziel war Shanghai.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Eine Reise um die Welt im Jahr 1884-1885