XIV. Sobald der Kaplan heimgekommen war, verfügte er sich zu Caroline. Er hörte ihr zu, als sie ihm klagte, und hatte, wie es seine Art war, das Gesicht in die Hand gelehnt, ...

XIV. Sobald der Kaplan heimgekommen war, verfügte er sich zu Caroline. Er hörte ihr zu, als sie ihm klagte, und hatte, wie es seine Art war, das Gesicht in die Hand gelehnt, so daß er den Ausdruck seiner Züge verbarg. Als sie ihren Bericht geendet hatte, sagte sie: Nun wissen Sie Alles, nun rathen Sie mir, was soll ich thun?

Was wünschen Sie zu thun? fragte er.


Können Sie das fragen? rief Caroline. Ich habe es Ihnen tausend Mal gesagt, es ist eine wahre Thorheit, daß mein Mann an eine Scheidung denkt; es ist gar kein Grund dazu vorhanden. Mein Gott! ich habe ja nie geleugnet, daß es dann und wann einen Streit zwischen uns gegeben hat, aber wo wäre eine Ehe, in der das nicht vorkäme? Mein Vater hat mit beiden Frauen wie die Engel im Himmel gelebt und nach jedem kleinen Zank ist die Versöhnung eine neue Freude geworden. Warum nimmt mein Mann denn Alles so gar schwer?

Also wünschen Sie mit ihm vereint zu leben? fragte der Kaplan weiter!

Natürlich! sagte Caroline. Ich allein habe mich im Grunde zu beklagen. Ich weiß, daß mein Mann in der Stadt in vielfachen Verhältnissen lebt, die meine Rechte beeinträchtigen, während ich ihm ganz und gar ergeben bin. Ich habe das getadelt, ich habe ihm gesagt, daß ich eifersüchtig sei, aber muß man sich deshalb trennen? Was gewinne ich denn durch eine Trennung? Mein Sohn wird mir entzogen, das ist das Schrecklichste für eine Mutter. Aus einer Frau, die jetzt die schönste Stellung in der ganzen Provinz hat, die Jeder beneidet, soll ich zu einer Wittwe werden, die ein Gnadenbrot genießt. Und weshalb? Weil Alfred sich einbildet, unglücklich zu sein. Aber ich habe mich nicht unglücklich gefühlt, und ich will es auch nicht werden. Alfred wird allmälig seine poetischen Grillen vergessen und wir werden wieder ganz zufrieden leben wie bisher. Eigentlich war es eine Kleinigkeit, ein unbedeutender Streit, der den ganzen Aufruhr veranlaßte; ich wäre also thöricht, wollte ich nachgeben und mich in die Vorschläge meines Mannes fügen.

Glauben Sie, daß Herr von Reichenbach sich von Ihnen zu einer Wiedervereinigung bewegen läßt? fragte Ruhberg.

Ich zweifle daran, denn er ist sehr eigensinnig.

Und Sie wollen sich um keinen Preis von ihm trennen?

Nein! rief Caroline bestimmt.

So vertrauen Sie mir, sagte der Kaplan, und folgen Sie unbedingt meinem Rathe. Ich bin ganz Ihrer Meinung. Sie allein sollen schwere Opfer bringen, damit Herr von Reichenbach seinen Neigungen ungehindert nachgeben könne, und obenein will er sie zwingen, eine Sünde zu begehen. Da sei Gott für, daß ich dies geschehen lasse! Ihre Seele ist vom Himmel meiner Obhut anvertraut, ich muß jenseits Rechenschaft für sie ablegen, und ich darf und werde nicht zugeben, daß man Sie dazu drängt, ein Unrecht zu begehen. Er hielt inne und sagte dann nach einiger Ueberlegung: Verwerfen Sie alle Anträge, die Herr von Reichenbach Ihnen macht. Erklären Sie fest, daß Sie sich nicht von ihm trennen wollen, daß Sie verlangen, er solle Sie in alle Ihre Rechte wieder einsetzen.

Und wenn er es verweigert?

So bestehen Sie dennoch darauf. Einstweilen bleiben Sie äußerlich in der Stellung, die Ihnen werth ist, und wir gewinnen Zeit; und Zeit gewonnen, Alles gewonnen!

Aber wohin soll das führen?

Zu einer Vereinigung Derer, die zueinander gehören, sagte der Kaplan. Zögert Herr von Reichenbach, sich mit Ihnen auszusöhnen, so thun wir, als ob Sie eine gerichtliche Scheidung verlangten oder gänzliche Vereinigung. Zu der Ersten kann er es aus Gründen, die ich Ihnen seiner Zeit enthüllen werde, nicht kommen lassen; er wird den friedlichern Ausweg wählen und ich hoffe, Sie werden es nicht zu bereuen haben, daß Sie sich mir vertrauten.

Mein Mann wünscht in einigen Tagen von hier abzureisen und will meinen Sohn mit sich nehmen, sagte Caroline nachdenkend und zögernd.

Hindern Sie ihn nicht daran, diese Trennung ist für den Augenblick nothwendig. Sie müssen Beide ruhiger werden, um sich mit einander verständigen zu können.

Herr Kaplan! rief Caroline, ich habe nur den einzigen Sohn, ich liebe ihn wie mein Leben; fühlen Sie, wie mir der Gedanke das Herz bricht, mich von ihm zu trennen?

Arme Frau! sagte Ruhberg und drückte zärtlich ihre Hand. Mag das Beispiel der gebenedeiten Gottesmutter Sie stärken. Je schwerer der Kampf, desto schöner der Sieg. Sie bringen sich selbst zum Opfer, um Ihren Gatten zu seiner Pflicht zurückzuführen. Solche Werke gefallen Gott wohl.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Eine Lebensfrage. Erster Teil.