Einleitung

Es war Mitte November 1899, als ich, in der lieben Heimat ahnungslos mit Entenjagd und Hühnernachlese beschäftigt, eines schönen Morgens nachstehenden Brief erhielt.

Jagdlager am Gurumasiwa,
den 30. September 1899.


Hochverehrter Herr!

Ein Schreiben aus Ostafrika, noch dazu eine Jagdeinladung enthaltend, wird ihnen - ich zweifle nicht daran – unerwartet zugehen! Jedoch - ich will geradenwegs auf mein Ziel losgehen - diese Zeilen haben tatsächlich den Zweck, Sie zu einer Jagdreise hierher einzuladen, unter gleichzeitiger Beifügung aller notwendigen Erläuterungen. Aus welchem Grunde ich zu dieser Einladung komme? Ich bitte Sie, hochverehrter Herr, dieselbe als aus dem Bestreben entsprungen anzusehen (hier folgt eine Anerkennung meiner schriftstellerischen Tätigkeit, die weiter kein Interesse hat). ........, indem ich Ihnen Gelegenheit gebe, die höchsten Waidmannsfreuden durchzukosten, ohne den Kostenaufwand, welche Jagdreisen à la Schillings, Schöller etc. Erfordern, deren Strecken mangels jagdlicher Erfahrung bezüglich hiesiger Verhältnisse, Auswahl des Jagdgebietes etc., von hier aus beurteilt, als glatte Misserfolge angesehen werden müssen. Hieran ändert das Waidmannsheil einer Strecke von drei Löwen an einem Tage auch nicht viel.
Halten Sie es nicht für Anmaßung, wenn ich annehme, daß Ihnen mein Name, durch einige bescheidene Beiträge aus dem Gebiete afrikanischer Jagd in der ,D. J. -Z?, bekannt sein dürfte. -
Ich komme nun ohne Umschweife zur Sache selbst! – Seit Zehn Jahren befinde ich mich hier in Deutsch-Ostafrika, zuerst als Mitglied der Emin Pascha-Expedition; ich habe seit acht Jahren in den verschiedensten Teilen des Schutzgebietes gejagt und jage seit einigen Jahren berufsmäßig Elefanten mit behördlicher Konzession.
Da ich höre, dass Sie eine Jagdreise nach Norwegen unternahmen, so gehe ich wohl nicht fehl in der Annahme, daß Ihnen eine Jagdreise nach Ostafrika nicht zu gewagt erscheinen wird. Ich gehe deshalb direkt zur Jagd über und präzisiere schon jetzt deshalb so genau, um Ihnen weitläufige Nachfragen über viele Tausende von Land- und Wasserkilometern zu ersparen. Auch fasse ich mich im einzelnen recht kurz.
Als beste Jagdzeit rechne ich die Monate Juli bis November. Zur Erreichung einer guten Strecke genügen sechs Monate Jagdzeit. Jagen würden Sie in dieser Zeit auf: Elefant, Nashorn, Flußpferd, Giraffe, Elenantilope, Büffel, Kudu, Hartebeest, Gnu, Wasserbock, Rappenantilope, Riedbock, Buschbock, Ducker, Schopfantilope, Zwerggazelle, Zebra, Strauß, Krokodil, drei Arten Wildschweine, Löwe, Leopard.
Die unterstrichenen Wildarten schießen Sie sicher, die übrigen höchst wahrscheinlich; Raubzeug ist, wo auch immer und wenn noch so häufig, Sache reinen Waidmannsheils!
Ausrüßtung: Repetierbüchse Modelt 88 mit 600 Patronen, davon 400 Ganzmantel, 200 11/12 Mantelgeschosse mit ogivaler Spitze und 2,75 g Blättchenpulver (nicht 2,3 g). Ja nicht etwa Halbmantelgeschosse oder abgeflacht! Dieselben sind auf unsere schweren Antilopen, wie Büffel und Elenantilopen, die über 1200 Pfund (aufgebrochen) schwer werden, fast wirkungslos, ja auch für geringere, wie Wasserbock, Kudu, im Gewicht von 6-800 Pfund aufgebrochen, unzureichend. Fur Nashorn und Büffel, auch Giraffen, stellt man sich, durch Wegnahme der äußersten Geschoßspitze, aus Vollmantelgeschossen ein überaus wirksames Geschoß her. Es empfiehlt sich, zu diesem Zweck eine feine, flache Feile mitzuführen. Für Elefanten steht Ihnen mein „Paradox“, Kaliber 8, jederzeit gern zur Verfügung. Für Modell 88 empfiehlt es sich noch, ein komplettes, eingepaßtes Reserveschloß mitzunehmen.
Bekleidung: Zwei bis drei schilfleinene Anzüge, derbe Hosen, dito Schnürstiefel und Gamaschen. Breitrandiger, grauer, dicker, eventuell doppelter Filzhut.
Außerdem: Zwei wollene Decken, gutes Jagdmesser, Krimstecher, eine dicke Joppe für kühle Abende. Kupferfeldflasche für mehrere Liter. Mein Zelt genügt auf Märschen für zwei Personen im Revier bauen wir uns kostenlos aus Bambus ein bequemes Häuschen in drei Tagen. Gehen wir hierher, so ist nettes Häuschen schon fertig.
Medikamente: 25 g Chinintabletten (muraticum), 20 g Calomel 20 g Opiumtropfen, etwas Verbandwatte und Gaze, englisches Pflaster.
Um jedem Mißverständniß von vornherein zu begegnen, erkläre ich Ihnen klipp und klar, daß Sie sich durch Annahme meiner Einladung mir gegenüber nicht die geringste Verpflichtung auferlegen, daß es mir vielmehr eine Ehre sein wird, mit Ihnen zusammen gejagt zu haben!
Ebenso stelle ich nicht nur meine persönliche Erfahrung als Führer in Ihren Dienst, sondern auch meine schwarzen Jäger, Koch etc., und hoffe, daß, nach beendeter Jagd, Ihnen die Afrikareise als angenehmste Erinnerung fürs Leben verbleiben wird!
Als für uns in Betracht kommende Reviere wurde ich die Gebiete um Kisaki und Ulanga (von Dar-es-Salaam in acht Tagen zu erreichen) ansehen, woselbst alles oben bezeichnete Wild vorkommt. Sollte es mit Elefanten dort im nächsten Jahre nicht besonders sein, was ich aber vorher schon in Erfahrung zu bringen versuche, so können wir uns auch zuerst hier ein paar Elefanten holen und dann via Barikiwa nach Kisaki gehen.
Das Klima ist in den Monaten Juli bis November durchaus erträglich, die Hitze selten über 25° R; Fieber beinahe gar nicht! Leichte Malaria-Anfälle schaden keinem Menschen, wenn er Chinin bei sich hat. (!!)
Ich würde Ihnen im Falle einer Zusage raten, sich so einrichten, daß Sie spätestens Ende Juni in Dar-es-Salaam anlangen. Ich würde auf Benachrichtigung dorthin kommen, da ich ja während der Regenzeit – Dezember bis Mai - nicht jage, und es mir keine großen Umstände macht, anstatt nach dem Ryaffa, wohin ich sonst während dieser Zeit reise, mal nach der Küste zu gehen.
Haben Sie noch weitere Fragen, so bitte sich an meinen Bruder, den Apotheker Paul Knochenhauer in Fürstenwalde a. d. Spree, zu wenden. Derselbe hat seiner Zeit ein Jahr hier mit mir gejagt, kennt die Verhältnisse einigermaßen und ist gewiß zu Auskünften gern bereit.
Zum Schluß spreche ich die Hoffnung aus, daß Ihre Zeit es Ihnen gestatten möge, diese Reise zu unternehmen, mit dem Hinzufügen, daß sich Ihnen die Gelegenheit, in den besten Revieren der Welt erfolgreich zu jagen, kaum je wieder derart bieten dürfte.
In der frohen Erwartung zusagender Antwort entbiete ich Ihnen aufrichtiges Waidmannsheil!
August Knochenhauer.

P.S. Zur Mitnahme eines Schrotgewehres, das nur unnütze Kosten verursacht, rate ich nicht, da Sie hier kaum die Lust anwandeln wird, auf allerdings stark vertretenes Flugwild zu jagen! Adler, Gänse etc. schießen Sie auch besser mit Modell 88 Vollmantel.“



- - „Donnerwetter. Eine Einladung nach Ostafrika zur Elefantenjagd!!“ sagte ich mir, nachdem ich den merkwürdigen Brief zweimal gelesen hatte. Das ist entschieden eine andere Nummer, als wenn Freund Vierordt die Einladung in sein prächtiges Rotwildrevier bei Heidelberg sendet! Ach was, Unsinn ist das! Wo werde ich denn nach Ostafrika fahren und mich von der Sonne rösten lassen. Überdies trug ich mich damals stark mit dem Plane einer Jagdreise durch Rußland. Ich legte den afrikanischen Brief beiseite und holte ihn erst nach einigen Tagen wieder hervor, als auf einer Treibjagd von der Jagdexpedition die Rede war, welche Herr Karl Lamarche in Straßburg ins Somali-Land unternommen hatte. Ich gab den Brief einigen meiner Freunde zu lesen.
- „Mensch!“ sagten die - ,,und da willst Du nicht hingehen, eine so prächtige Gelegenheit verpassen?“
Die Geschichte fing langsam an, mir mächtig im Kopf herumzugehen, und nach acht Tagen war ich schon so weit, daß ich sagte: „Aber allein - unter keinen Umständen!“ Ich hatte noch die norwegische Reise im Gedächtnis, die ich allein durchführen mußte.
Ein Reisegefährte nach Ostafrika ist so schnell nicht gefunden, denn mit jedem Beliebigen mag man doch nicht monatelang in der weiten Welt herumziehen. Ich sandte den Brief zunächst an meinen langjährigen Freund und Jagdgefährten Herrn Rittmeister Vierordt im Dragoner-Regiment Nr. 21 zu Bruchsal und erhielt zu meiner nicht geringen Überraschung mit Sendung der Post die Nachricht: ,,Ich gehe ganz bestimmt mit, wenn ich Urlaub bekomme!“
Das war so gut wie eine feste Zusage, und ich ging nunmehr ernsthaft an die Vorbereitungen für das große Unternehmen. Einen besseren Reisegefährten konnte ich mir nicht wünschen, da ich, mit Vierordt seit langen Jahren eng befreundet, sicher sein konnte, daß wir in jeder Hinsicht vortrefflich harmonieren würden. Überdies war Vierordt ein weit gereister Mann, der seine Büchse schon einmal nach Afrika ins Land der Pharaonen, nach Ägypten, und bereits zweimal nach Indien und China getragen hatte.
So weit war alles in bester Ordnung, und ich schrieb an Knochenhauer kurz und bündig: „Ich treffe mit einem Reisegefährten Ende Juni in Dar-es-Salaam ein!“ Ende März wurde Vierordt der Urlaub bewilligt, und mit fieberhafter Eile betrieben wir die Rüstung.
Von Tippelskirch & Co. in Berlin bezog ich zwei Feldbetten, Modell „Schutztruppe“, die sich, trotzdem sie zu schwer waren, gut bewährt haben. Die Holzteile sind so massiv, dass sie 20 Centner zu tragen vermögen; ich verstehe nicht, weshalb diese Gegenstände, die doch alle auf Trägerköpfen befördert werden müssen, nicht um die Hälfte leichter angefertigt werden. Ferner ließ ich kommen für uns beide:
vier Khaki-Anzüge, sechs Paar gelbe Schnürstiefel (ganz unpraktisch angefertigt), zwei Kupferfeldflaschen, zwei Liter haltend, einen sehr praktischen, leichten Zelttisch, vier Blechkoffer ganz unentbehrlich, eine Gummibadewanne, zwei Gummiwaschbecken (sehr praktisch - ich habe das meinige mit Vorteil auf der russischen Jagdreise noch verwendet),
zwei Schlafsäcke von Jakob-Köln, die beim Biwakieren gute Dienste tun; ich war auch in Rußland froh um den meinigen.
Statt teueren Decken nahmen wir vier Woylachs mit, und außerdem besorgte Vierordt englische Sättel und Zaumzeug.
Auf die Jagdausrüstung verwendeten wir natürlich besondere Sorgfalt. An Stelle der Büchsen Modell 88 nahmen wir die neuen Streifenlader Modell 98 von Mauser, welche die Infanteriepatrone 7,9 mm mit 2,75 g Blättchenpulver schießen. Diese Büchsen mit ihrer außerordentlichen Präzision und enormem Durchschlag (700 m Anfangsgeschwindigkeit) sind heute das Beste auf das ungeheuer lebenszähe afrikanische Hochwild. Auch auf Elchhirsche in Rußland habe ich damit vergangenen Winter gute Erfahrungen gemacht; dagegen tritt bei geringerem Wild, z. B. Rehböcken, leicht bedeutende Wildbretentwertung ein. -
An Munition nahmen wir 1800 Patronen für Modell 98 mit, wovon 400 mit Vollmantel, 1000 mit 11/12 Mantel und 400 mit Hohlspitze (Expansion); letzteres Geschoß ist nach meiner Erfahrung von vorbildlicher Wirkung. Außerdem führten wir unsere Drillinge mit, Kaliber 11/16, für die jeder 200 Büchsenpatronen und 500 Schrotpatronen Nr. 0000, 1, 3, 5 und 7 zur Verfügung hatte.
Dieser Munitionsvorrat mag manchem groß erscheinen; wer aber schon einmal die Erfahrung gemacht hat, wie rasch einige Streifen Mantelgeschosse in der Wildnis verknallt sind, wie oft sich Gelegenheit bietet, auf nie gesehenes Flugwild aller Arten zu Schuß zu kommen, und wie unmöglich es ist, im Inneren Afrika’s den Patronenvorrat zu erneuern, der wird darüber nicht mehr staunen.
Die Bewaffnung vervollständigten die vortreffliche Browning- Pistole, Jagdmesser und Standhauer. Auf Kochenhauers Rat versahen wir uns reichlich mit Raketen, um dem Verirren bei Nacht vorzubeugen.
Zu der Ausrüstung kamen noch:
zwei Löweneisen mit Federhaken, vier Wolfseisen für Leoparden, Hyäne, Schakal etc. Hochsitze, die nie benutzt wurden, Reiseapotheke, Laternen mit Kerzen, photographische Apparate mit einer Unmasse Films, Instrumente zum Präparieren von Vogelbälgen, 4 Kg Arsenikseife, Taschenmikroskop, Goerzsche Tri?der-Binocles, Kompas, Huppen und die gewöhnliche Jagdausrüstung.

Es war ein ganz anständiges Arsenal, das sich in zwei geräumigen Zimmern aufbaute und dessen Verpackung uns nicht geringe Kopfschmerzen verursachte. Bei dieser Gelegenheit möchte ich davor warnen, übermäßig große Kisten für derartige Expeditionen zu benützen. So fehlerhaft es ist, zu viele Kisten zu verwenden, da ja sehr leicht kleinere Stücke abhanden kommen, falsch verladen werden etc., so mißlich sind schwere Kolli von 6-8 oder noch mehr Zentner, wenn sie an einer Küste ausgeladen werden, wo die üblichen Beförderungsmittel, Krahnen, Lastboote etc., fehlen.
Vielen Dank schulde ich Herrn Karl Lamarche in Straßburg, der mir seine Erfahrungen auf liebendwürdigste Weise zur Verfügung stellte. Herr Lamarche, der bekannte hirschgerechte, elsässische Waidmann, hat in Indien viel gejagt und vor einigen Jahren eine sehr erfolgreiche Jagdexpedition in Somali-Land unternommen, auf der er gegen hundert verschiedene Antilopen und drei Löwen streckte.
Durch Befolgung seiner erprobten Ratschläge haben wir in mancher Hinsicht die Ausrüstung einfacher und zweckmäßiger gestaltet und viele Kosten gespart. So ist z. B. die Mitnahme der Drillinge, der Tellereisen und anderer wichtiger Dinge lediglich auf seine Anregung zurückzuführen.
Endlich war der große Tag der Abreise gekommen, und wir dampften an einem herrlichen Maimorgen Italien zu, mit der Absicht, in Mailand und Rom vorübergehenden Aufenthalt zu nehmen und uns in Neapel auf dem Dampfer der Deutsch-Ostafrika-Linie einzuschiffen.
Es war doch ein anderes Gefühl, als wenn man auf irgend eine Hasentreibjagd fährt. Der letzte Abschiedsruf ,,Auf gesundes Wiedersehen!“ klingt durchaus nicht wie eine konventionelle, leere Redensart bei der Abreise nach Afrika.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Eine Jagdfahrt nach Ost-Afrika