Abschnitt 2

Solch ein Leuchtthurm ist ein kostspielig Möbel; eine Meerbeleuchtung, die Meilen weit gesehen werden muß, hat ihre Schwierigkeit. In alter Zeit, wo das Holz noch wohlfeil war, machte man dies Geschäft mit Holzstößen ab; unterhielt doch mancher Rittersmann, dem die dicken Forste zu Gebote standen, allnächtlich auf seiner Burg eine Feuerwacht. Jetzt werden die Leuchtthürme ganz modern versehen mit saubern Oellampen, deren Schein von einem dreifachen Kranze blankschimmernder Kupferkessel zurückprallt, und das sauberste Licht gewährt. Wir sahen in dem verglas'ten obersten Raume des Thurms dem Anzünden zu, bewunderten die rein gehaltenen, glänzend polirten Geschirre, und ließen uns durch den knochigen, kurz gebundnen Pommer erzählen von den Schiffen, die zu Sturmeszeit in wilden Nächten aus der See herauf um Hülfe donnerten. Der Mann hatte Ordenszeichen und Medaillen, besonders von den Schweden, denen er mehrere bedrängte Schiffe gerettet hatte. Er versprach uns zur Nacht einen soliden Sturm.

In schmalen Stübchen wurden wir eingeschachtelt wie auf dem Schiffe, und noch waren wir nicht eingeschlafen, da erwachten draußen die Wetter, und spielten auf in allen Tonarten.


Ich suchte mir eine Lucke zum Hinausblicken, und dankte Gott, daß ich ein Schriftsteller und kein Leuchtthürmer sei, der hinaushorchen muß, ob ein Nothschuß mit den Winden kommen werde. Schwarz kam das Meer aus der Finsterniß in den bleichen Lichtschimmer hereingestürzt, welchen der Leuchtthurm auf die nächste Tiefe machte; daß es unten in der Tiefe lag und bäumte, gischte und tobte, erhöhte noch das Unbehagen, wenn man sich zu Boot hinein genöthigt dachte.

Der Siebenbürgner machte die triviale und doch in vieler Weise richtige Bemerkung, Uebung thue Alles, und huschte sich tiefer in die Bettdecke, um den Sturm nicht heulen zu hören, und die Erschütterung des Thurms weniger zu empfinden.

Uebung gebiert auch den Muth der Gewohnheit, und der Siebenbürgner ward auch durch Uebung täglich furchtsamer.

Mögt Ihr Russen-, Schweden- und Dänenfahrer Gott befohlen sein da draußen in der peitschenden Meeresnacht, sprach ich am Ende auch, ich kann nichts thun, als Euer Geschick beschreiben, wenn Ihr eins erlebt oder nicht erlebt. So auf dem egoistischen Standpunkte rücken sich die Menschen Tag um Tag weiter, was Gutes davon abfällt, kommt von den Besten in unbesprochner Stille, übrigens waltet für die Indolenten der bequeme Glaube an eine wohl administrirende Weltordnung, und so lassen sie's gehn, und suchen ihre Bequemlichkeit.

Wir haben auch gut geschlafen, und als wir zum Sonnenaufgang geweckt wurden, war Alles vorbei, und wir hörten's eben mit an, daß ein Sturm gewesen sei, wie wir's in den Zeitungen lesen. Die Menschen können sich nur an sehr einzelnen Punkten der Geschichte bemächtigen, die sie selber mit erleben, ja machen helfen.

Den Lesern wird hier die Beschreibung eines Sonnenaufganges erlassen, den sie in jedem leidlichen Romane nachlesen können. Gewöhnlich geht die Sonne in den Romanen stets interessant auf – wir fuhren durch die vom nächtlichen Regen eingewässerten Wege eiligst zurück nach der Schabe. Da ich eben Altenkirchen in der Ferne liegen sehe, so sei noch erwähnt, daß hier am Strande von Wittow die berühmten Uferpredigten gehalten werden, in welche Kosegarten so viel Schwung gebracht hat. Der Häringsfang nämlich drängt sich auf wenige Tage zusammen, und die Leute wohnen da ganz und gar am Strande, und haben auch keine Zeit in die Kirche zu kommen. Die Kirche nimmt dann ein Einsehen und kommt zu ihnen; eine gute Kirche hat, man mag sagen was man will, immer die beste Lebensart. Der Herr Pastor kommt an den Strand – die Häringe warten das Stündchen, um dann gefangen zu werden – und predigt unter freiem Himmel, Angesichts des Meeres und der Häringe.

Das mag sehr gut sein, und liegt auch auf der andern Seite; aber wenn man die Schabe an einem rauhen Herbstmorgen, in dessen Backen noch kleine Regenwetter nisten, auf einem offenherzigen Holsteiner Wagen zum zweitenmale passirt, da wird Einem diese Naturmerkwürdigkeit allgemach unbequem und langweilig.

Endlich waren wir wieder auf Jasmund, und die Sonne brach auch wieder durch – über kleine Hügel und Thäler gings weiter, wir kamen in den lichten, grünen Wald der Stubnitz, und hofften bald Stubbenkammer und unsre Mecklenburgerinnen zu sehen. Wir hatten kein Glück mit Mecklenburg: mitten in unserm hoffnungsreichen Morgenliede rollten die Wagen mit Mecklenburgs Stolze an uns vorüber, verschlafen und melancholisch grüßte Coeur- und Pique-Dame, besonders Coeurdame; ein ganz niedliches Gedicht mit schmollenden Vorwürfen lag auf ihrem Antlitze. Wir bildeten uns natürlich ein, es gälte uns, denn wo sich junge Männer und Mädchen begegnen, da findet auch sogleich ein officielles Verhältniß statt, wie Studenten überall Brüder finden, Officiere überall Kameraden, Referendarien überall Referendarien.

Nun werden die Leute sagen, wenn uns Stubbenkammer nicht gefällt, Coeurdame aus Mecklenburg sei schuld – Stubbenkammer hat uns aber gerade zum Possen sehr gut gefallen, der schöne Wald geht bis an den Abhang des Strandes, der hier, wenn auch nicht hoch, doch steil und zu wirklichem Kreidematerial verdichtet ist. Aus dieser grünen Waldshöhe sieht es sich prächtig in's Meer hinaus. Die Waldpartie ist hier auch artig kultivirt, und ein geschmackvoll Wirthshaus, wo Coeur Dame übernachtet hatte, liegt lockend in der Mitte.

Der Sachse erkundigte sich, und trank auf ihre Gesundheit; die Sachsen bleiben die höflichsten Deutschen.

Lauter lichtgrün schöner Wald ist diese Stubnitz, und da die Sonnenstrahlen den ganzen Tag über durchtändelten, so sprangen und sangen wir lustig darin umher.

Hier, unweit der Stubbenkammer, liegt die in allen Geschichtskompendien erwähnte Herthaburg und der Herthasee, von welchem Tacitus erzählt, wie der Herr Conrektor in Groß-Glogau versicherte.

Es ist ein schlimmer, schlimmer Punkt, diese Burg und dieser See, und er hat schon viel Kummer gebracht: Germanisch oder wendisch, Tempel oder Burg, Natur oder Kunst? Das sind die Fragen. Vergessen wir einen Augenblick dies schwere historische Problem, – ich fürchte auch, wir lösen's nicht – und sehen wir uns unbefangen um. Es ist ein schmaler, ziemlich hoher Damm, den die officiellen Beschreibungen durchschnittlich zu achtzig bis hundert Fuß, ja an einigen Stellen zu zweihundert Fuß angeben. Besonders hoch erscheint er Einem eben nicht, der ringsum gelagerte Forst mag wohl zur Verkleinerung beitragen. Die Form dieses Dammes oder Walles ist ungefähr eiförmig, und plattet sich nach einer Seite tief ab, an dieser Seite schließt sich der See an, kreisrund, wie man sagt unendlich tief, kohlschwarz.

Wir wollten unsre freveln Gebeine in diesem heiligen Wasser baden, aber es war uns zu kalt – dies soll nun der See sein, welcher schauerlich einsam, todtenstill von Buchen und Schilf umsäumt, wie ein Gewässer der Unterwelt tief im Walde ruht, von welchem Tacitus erzählt wie folgt:

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Eine Fahrt nach Pommern und der Insel Rügen