Über die gefallenen Österreicher

Die Leichname der Österreicher lagen zu Tausenden auf den Hügeln, den Bergvorsprüngen, auf den Mamelons, oder zerstreut unter Baumgruppen und in den Ebenen von Medole, mit ihren zerrissenen tuchenen Wämsen, ihren grauen mit Kot beschmutzten Mänteln oder mit ihren vom Blute geröteten weißen Waffenröcken. Ganze Schwärme von Mücken saugten an ihnen, und Raubvögel umkreisten diese von der Fäulnis grünlich gefärbten Körper, in der Hoffnung, sie zerfleischen zu können. Zu Hunderten wurden diese Toten in eine gemeinschaftliche Grube geworfen.

Wie viele erst vor wenig Wochen in die Armee eingereihte Ungarn, Böhmen oder Rumänen, welche sich vor Müdigkeit oder Erschöpfung niederwarfen, sobald sie sich einmal außer dem Schussbereich befanden, oder auch leicht verwundet durch den Blutverlust bewusstlos liegen blieben, sind nun da auf elende Weise zu Grunde gegangen!


Viele gefangenen Österreicher zeigten einen furchtbaren Schrecken vor den Franzosen, weil man für gut gefunden hatte, sie ihnen als leibhafte Dämonen darzustellen, und dieses Bild entwarf man besonders von den Zuaven. Diese Vorstellung war so fest in ihnen eingewurzelt, daß einige bei der Ankunft in Brescia und beim Anblicke der Bäume einer Promenade der Stadt ganz ernsthaft fragten, ob man sie wohl an diesen Bäumen aufhängen wolle. Mehrere vergalten die Gutherzigkeit französischer Soldaten in ihrer Blindheit und Unwissenheit auf sehr unsinnige Weise; so näherte sich am Samstag ein mitleidiger Jäger einem in sehr beklagenswertem Zustande daliegenden Österreicher und bot ihm in seiner Gutmütigkeit eine volle Wasserkanne zum Trinken an; der Österreicher jedoch, der an solche mitleidige Gesinnung nicht glauben konnte, ergriff rasch das neben ihm liegende Gewehr und versetzte mit aller ihm noch übrigen Kraft dem barmherzigen Jäger empfindliche Kolbenschläge auf die Füße und das Bein. Ein Gardegrenadier wollte einen vollständig verstümmelten österreichischen Soldaten aufheben, allein dieser faßte eine neben ihm liegende geladene Pistole und feuerte sie so in nächster Nähe auf den ab, der ihm Hilfe leisten wollte*).

*) Vor der Schlacht von Marignano (Melegnano) am 8.Juni 1859 wurde ein auf Vorposten stehender sardinischer Soldat von einer Abteilung Österreicher überrascht, welche ihm die Augen ausstachen, damit er, wie sie sagten, für ein andermal lerne, hell sehender zu sein; und einem Bersagliere, der sich von seiner Kompagnie verlief und einer Handvoll Österreicher in die Hände fiel, schnitten diese die Finger ab und ließen ihn dann mit den Worten laufen: „Laß dir jetzt eine Pension geben!“ Hoffen wir, daß diese verbürgten Vorfälle die einzigen dieser Art im italienischen Kriege waren.

„Sie dürfen nicht erstaunt sein über die Hartherzigkeit und das rohe Benehmen einiger unserer Leute,“ sagte ein gefangener österreichischer Offizier zu mir; „denn mir haben in unserer Armee wirkliche Wilde, die aus den entlegensten Provinzen des Reiches kommen, wahre Barbaren.“

Einige französische Soldaten wollten übrigens auch ihrerseits Vergeltung nehmen an etlichen Gefangenen, die sie für Kroaten hielten, „die mit ihren anliegenden Hosen,“ wie sie dieselben in ihrer Aufregung bezeichneten, welche stets die Vermundeten niedermachten; allein die Bedrohten waren Ungarn, welche zwar eine ähnliche Uniform wie die Kroaten trugen, sich jedoch nicht so grausam benahmen, wie diese. Es gelang mir schnell genug, nachdem ich den französischen Soldaten diesen Unterschied erklärt hatte, die vor Schrecken zitternden Ungarn vor der ihnen zugedachten Rache zu bewahren. Die Franzosen sind in der Regel, mit wenig Ausnahmen, sehr wohlwollend gegen Gefangene. So war es durch eine Höflichkeit des Armee-Corps-Commandanten den gefangenen österreichischen Offizieren gestattet worden, ihren Säbel oder ihren Degen zu behalten, sie erhielten die gleiche Nahrung, wie die französischen Offiziere, und diejenigen, welche verwundet waren, wurden von den gleichen Ärzten behandelt, man hatte selbst einem von ihnen gestattet, seine Effekten zu holen. Viele französische Soldaten teilten brüderlich ihre Lebensmittel mit den fast zum Tode verhungerten Gefangenen; andere schleppten feindliche Verwundete nach den Feldlazaretten und bemühten sich voll Hingebung und Mitleid um sie. Auch Offiziere nahmen sich österreichischer Verwundeter an; einer umwickelte mit seinem Taschentuche die tiefe Kopfwunde eines Tirolers, der nur ein altes, ganz blutiges Tuch besaß.

Wenn wir noch eine Menge einzelner Tatsachen aufzählen konnten, welche Zeugnis geben von dem hohen Werte der französischen Armee und dem Heroismus ihrer Offiziere und Soldaten, so durften wir auch die Menschlichkeit des gemeinen Mannes, seine Güte und sein Mitgefühl gegen den Besiegten oder gefangenen Feind nicht zu erwähnen vergessen, denn gerade diese Eigenschaften haben eben so viel Wert als seine Unerschrockenheit und sein Mut *).

*) Die französischen Soldaten hatten das Eigentum der Landesbewohner auf das Gewissenhafteste geschont, und man konnte nicht genug ihre Disziplin, ihre Höflichkeit, ihre Enthaltsamkeit und ihre gute Ausführung während des ganzen italienischen Krieges loben.

Proklamationen wie diejenigen des Marschalls Regnaud de St. Jean d'Angely oder des Generals Trochu verdienen aufbewahrt zu werden und dienen denen zum Ruhme, welche sie an ihre Soldaten erließen.

„In dem beginnenden Feldzuge,“ sagte General Trochu in seiner Proklamation vom 4. Mai 1859, die von Allessandria datiert war und allen Kompanien seiner Division unter den Waffen vorgelesen wurde, ,,müssen wir mit ausdauerndem Eifer auch die härtesten Proben, die bereits für uns begonnen haben, bestehen; wir müssen diszipliniert sein und strenge nach unseren Vorschriften leben, bei deren Vollziehung ihr mich unbeugsam finden werdet, und am Tage der Schlacht wollen wir nicht dulden, daß es noch Tüchtigere als wir gibt. Wir dürfen nicht vergessen, daß diese Landesbewohner unsere Alliierten sind, wir haben ihre Gebräuche, ihr Eigentum und ihre Person zu achten; wir wollen den Krieg mit Menschlichkeit, im Geiste der Gesittung führen. Auf diese Weise werden unsere Bestrebungen achtungswert sein, Gott wird sie segnen, und ich, der ich euch befehlige, werde als den schönsten Titel meiner Laufbahn den betrachten: als Kommandant der 2. Division.“

Den 18. Mai 1859 sprach in Marengo Marschall Regnand de St. Jean d'Angely in folgender Weise zu der kaiserlichen Garde:

„Soldaten der Garde .... ihr werdet der Armee das Beispiel geben der Unerschrockenheit in der Gefahr, der Ordnung und der Disziplin auf den Märschen, der Ruhe und Mäßigung in dem Lande, das ihr zu betreten habt. Die Erinnerung an eure Familien wird euch Wohlwollen gegen die Bewohner, Achtung vor dem Eigentum einflößen, und seid dann versichert, daß der Sieg euch erwartet . . . .“


Es ist eine anerkannte Tatsache, daß gerade die wirklich ausgezeichneten Kriegsmänner sich milde und höflich zeigen, wie alle hervorragenden Leute; der französische Offizier ist auch gewöhnlich eben so leutselig, als ritterlich und großmütig; er verdient noch heute das Lob des General von Salm, der bei der Schlacht von Nerwinde gefangen genommen wurde und, vom Marschall von Luxemburg mit der äußersten Artigkeit behandelt, zum Chevalier du Rozel sagte: „Welche Nation seid ihr? Ihr schlagt euch wie die Löwen und behandelt eure Feinde, sobald ihr sie besiegt habt, wie eure besten Freunde!“


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Eine Erinnerung an Solferino (1859)